Protocol of the Session on January 15, 2003

(Beifall der FDP und bei der SPD)

Es spricht Herr Ministerpräsident Beck.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will die Gelegenheit nutzen, in dieser Aktuellen Stunde zunächst noch einmal deutlich zu machen, dass es sicher niemanden in diesem hohen Hause gibt, dem man unterstellen könnte oder unterstellen sollte, die Problematik, in der Menschen sind, denen das Wasser im Keller oder in der Wohnung steht, leicht zu nehmen oder gar leichtfertig damit umzugehen. Ich finde, wir sollten sorgfältig darauf achten, dass wir uns – – –

(Licht, CDU: Dann sagen Sie auch – – –)

Herr Licht, ich habe Ihnen zugehört. Vielleicht hören Sie wenigstens einmal zu, bis ich den ersten Satz beendet habe.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich bitte sehr herzlich darum, dass wir alles vermeiden, was den Anschein erwecken könnte, dass wir aus solchen Situationen gar noch jeweils wechselseitig politisch Kapital schlagen wollten.

Ich will noch einmal darauf hinweisen dürfen, dass ich von einer Mitarbeiterin des Südwestrundfunks in einer Eifelgemeinde, in der ein Bach über die Ufer getreten ist und in dieser Gemeinde beachtlichen Schaden angerichtet hat, am Rande einer völlig anders gearteten Veranstaltung gefragt worden bin, was ich davon halte und ob man diesen Menschen nicht helfen könne.

Ich will zitieren, was ich wirklich dazu gesagt habe. Das lautet: „Wir – das Land gibt Steuergelder. Das sind die Gelder aller Bürger. Man muss immer auf die Gerechtigkeit achten. Man muss immer auch darauf achten, dass eben diejenigen, die selbst Vorsorge treffen, nicht am Ende diejenigen sind, die dann nichts bekommen. Also staatliche Hilfe kann immer nur Notfallhilfe sein, und vor allen Dingen wollen wir weiterhin helfen, dass Hochwasserereignisse beherrscht werden können, soweit Menschen das eben können. Wer etwas anderes verspricht, ist ein Scharlatan.“

Das habe ich gesagt. Wenn ich dafür zu kritisieren bin, dann kritisieren sie mich dafür.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich habe wörtlich vorgelesen, was auch über den Sender gelaufen ist. Wir haben das ausdrucken lassen.

Meine Damen und Herren, ich darf auch feststellen, dass es in der Zeit, zumindest an die ich mich erinnern kann, in der wir uns politisch in diesem Hause mit Hochwasserschadensereignissen auseinandergesetzt haben, zu Zeiten, als ich Oppositionsabgeordneter war, und zu Zeiten, als ich die Regierung als Abgeordneter mit tragen durfte, und zu Zeiten, als ich Regierungschef war, immer diese Übereinstimmung gab, dass wir uns, was die Steuergelder betrifft, die eingesetzt werden können – einfach aufgrund der Volumina und der Möglichkeiten –, an dem orientieren, was an Verordnungen schon zur Regierungszeit gegolten hat, als die Union allein, als die Union zusammen mit den Liberalen und dann eben auch als wir mit den Liberalen Verantwortung getragen haben.

Die entsprechende Grundsatzpassage der Verwaltungsvorschrift zur Gewährung staatlicher Finanzhilfen bei Elementarschäden ist in keiner Weise – in keinem Buchstaben – in dieser Zeit verändert worden. Ich sehe auch nicht, dass es eine Möglichkeit gibt, dass wir sie verändern.

Das heißt aber nicht, dass wir untätig sind. Natürlich helfen wir denen, die existentiell bedroht sind. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass man, wenn man im Wohnzimmer oder in seiner Gaststube als Gastwirtin

oder Gastwirt das Wasser stehen hat, sagt: Das ist für mich eine existentielle Sache. Das ist keine Frage.

Meine Damen und Herren, aber die Regelung, die bisher in diesem hohen Hause gemeinschaftlich getragen worden ist, schreibt uns vor, dass wir dann prüfen müssen, ob es wirklich im wirtschaftlichen Sinn dieser Privatpersonen oder der entsprechenden Firmen – Handwerker, Dienstleister, Einzelhandelsgeschäfte – existenzbedrohend ist. In diesem Fall können wir helfen, dürfen wir helfen und helfen wir auch, meine Damen und Herren.

Ich will ein Zweites hinzufügen. Über diese Regelung hinaus haben wir immer versucht, mit den Möglichkeiten des Landes den Gemeinden, was die Gemeinschaftseinrichtungen anbelangt, zu helfen. Auch diesbezüglich hat Herr Kollege Zuber in einem Rundschreiben an die Kreisverwaltungen, die tangiert sind oder bei denen Gemeinden tangiert sein können, angeboten, dass wir die Investitionen, die dort geplant sind, und die staatlichen Zuschüsse, die dafür in Aussicht gestellt waren, überprüfen und in einem flexiblen Verfahren eine Änderung der Förderreihenfolge vornehmen, damit dort, wo beispielsweise eine Straße unterspült, ein Sportplatz oder eine andere Gemeinschaftseinrichtung unbrauchbar geworden ist, die entsprechende Wiederherstellung vorrangig gefördert werden kann, auch wenn bisher andere Rangentscheidungen getroffen wurden.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, das gilt. Ich denke, es sollte auch weiterhin gelten.

Ich möchte noch ein Wort zu der Diskussion sagen dürfen, die ich aus Sicht eines Menschen, der bis zu den Knien oder bis zur Hüfte im Wasser steht, immer nachvollziehen kann, die aber von uns sorgfältiger geführt werden soll. Es ist eine Diskussion darüber, ob man die Hochwasserereignisse im Osten der Republik mit dem gleichsetzen darf, was an Schlimmem – damit ich nicht wieder missverstanden oder missinterpretiert werde – jetzt wieder an vielen Bächen und kleinen Flüssen, aber auch an der Mosel und am Rhein passiert ist.

(Zuruf des Abg. Anheuser, CDU)

Ich versuche, sachlich bei den Dingen zu bleiben.

(Beifall der SPD und der FDP)

Herr Kollege Anheuser, ich habe mich darüber gefreut. Ich denke, Sie freuen sich auch darüber, dass unsere technischen Hochwasserschutzmaßnahmen, die wir an der Nahe niedergebracht haben, dazu geführt haben, dass eine Gruppe von Handwerkern bei mir in der Staatskanzlei war und sich dafür bedankt hat, dass sie diesmal nicht im Wasser gestanden haben, weil diese Maßnahmen niedergebracht worden sind. Vielleicht sollten wir miteinander anerkennen, dass wir vorankommen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Sie mögen darüber lachen. Ich weiß nicht, was es zu lachen gibt. Ich finde, es ist kein schlechtes Zeichen,

dass Menschen es anerkennen, wenn etwas passiert ist und sie vor Schäden geschützt worden sind. Das ist kein schlechtes Zeichen in unserer Gesellschaft.

(Beifall der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Anheuser, CDU)

Ich weiß, dass es Ihnen schwer fällt, in der Sache zu diskutieren.

Herr Anheuser, ich will doch nicht mit Ihnen streiten. Ich suche nach einem Konsens.

(Zuruf des Abg. Anheuser, CDU)

Herr Anheuser wünscht, dass ich alles zurückweise, was nicht seiner Meinung ist. Das habe ich jetzt gemacht. Vielleicht gibt es jetzt Ruhe.

Meine Damen und Herren, ich hätte die herzliche Bitte, dass wir miteinander sehen und anerkennen, dass das, was in den neuen Ländern passiert ist, eine besondere Qualität hatte. Wir hatten dort an vielen Stellen die Situation, dass die Aufbauleistung Ost, die uns allen am Herzen liegt, in einer ersten Phase abgeschlossen war, gerade was Privathaushalte, deren Herrichtung und kleine Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe betrifft. Wenn diesen Leuten, bevor sie das erste Mal mit ihrer Investition eine Mark verdienen oder sich daran freuen konnten, alles wieder weggespült worden ist, dann muss man sehen, dass es in Deutschland eine Aufgabe von nationaler Größenordnung ist, dort entsprechend zu helfen. Ich finde, insoweit müssen wir die Dinge auseinander halten, sonst machen wir einen kapitalen Fehler.

(Beifall der SPD und der FDP)

Erinnern wir uns daran und sagen Dank dafür, dass wir damals mithilfe des Südwestrundfunks, des ZDF und unserer Tageszeitungen, als wir 1993 und 1995 sehr viel schlimmere Hochwasser hatten, als das dieses Mal Gott sei Dank nicht in dieser Größenordnung der Fall gewesen ist, eine breite Solidarität der Bürgerinnen und Bürger, die auf den Höhen gewohnt haben, gegenüber denjenigen hatten, die betroffen waren. Viele Bürgerinnen und Bürger im Land und darüber hinaus haben erhebliche Spendensummen aufgebracht. Daran wollen wir erinnern, nicht undankbar werden und die Relationen beachten. Das gehört mit dazu, weil niemand von uns weiß, egal, wer in diesem Land Verantwortung trägt, ob wir nicht in fünf Jahren, sechs Jahren oder vielleicht erst wieder in 15 Jahren, 16 Jahren solche Ereignisse haben, wenn wir Pech haben, in kurzer Zeit mehrere hintereinander. Es wird immer nur begrenzt möglich sein, die Ursachen zu bekämpfen und Vorsorge zu treffen.

Meine herzliche Bitte ist, lassen wir die Kirche im Dorf. Ich denke, das ist in diesem Zusammenhang unsere Verantwortung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, natürlich müssen die Ansätze und das, was wir tun, vielfältig sein. Die Frage, wie man Betroffenen helfen kann, muss am Ende der Bemühungskette stehen. Da stimme ich all denen, die dies eben gesagt haben, Herrn Kollegen Lewentz, Herrn Kollegen Hohn, Herrn Kollegen Braun, ausdrück

lich zu. Das muss am Ende der Kette stehen. Aber wir müssen uns damit auseinander setzen.

Ich glaube, dass es ein gewisser Erfolg war, eine Chance auszuloten, die wir sehen, dass alle Bundesländer an einem Strang ziehen. Es war die Ministerpräsidentenkonferenz, die im Herbst des vergangenen Jahres mit dem Bundeskanzler konferiert hat. Ich konnte bei dieser Gelegenheit alle meine Kolleginnen und Kollegen gewinnen, um der Bundesregierung vorzutragen, dass wir den Versuch geprüft haben wollen, eine Elementarschadenversicherung in Deutschland zu schaffen. Die Bundesregierung hat sich diesem Prüfungsauftrag angeschlossen, und diese Prüfung läuft derzeit. Ich kann Ihnen nicht sagen, ob diese Prüfung erfolgreich beendet wird. Man bräuchte keine Prüfung, wenn man sich in der Sache absolut sicher sein könnte.

Wir befinden uns da, europarechtlich und wettbewerbsrechtlich betrachtet, in einem schwierigen Feld. Das ist unstreitig. Ich unterstreiche, was Herr Braun hierzu gesagt hat. Es gibt nicht nur in der Schweiz, also außerhalb der EU, sondern auch innerhalb der EU Ansatzpunkte, die man als Vergleichsfälle sehen und beachten muss.

Es gibt darüber hinaus zwischenzeitlich – darüber habe ich mich gefreut – eine Reihe von Meldungen der Versicherungswirtschaft in Deutschland – Briefe, die mir vorliegen –, die sich interessiert. Wir wollen nicht, dass eine einzige Versicherung jeweils ein Gebietsmonopol hat. Das ist der Unterschied zu der damaligen monopolartigen Versicherung, die in Form der Feuerversicherung bestanden hat. Unser Ziel geht dahin, dass alle partizipieren können und nicht nur als Zahler herangezogen werden. Elementarschäden sind mehr als Hochwasser. Das betrifft auch die Erdbebengefahr, bestimmte Hagelschäden und Sturmschäden, wenn sie das entsprechende Niveau erreicht haben. Es wird objektiv festgestellt, was Elementarschäden sind. Diese Fragen gilt es auszuloten. Da sind wir derzeit dabei.

Ich denke, dass wir immer auch fragen müssen, ob es noch andere Lösungsansätze gibt.

Meine Damen und Herren, mit Verlaub, einen Hochwasserschadenfonds einzurichten, ist in einer Zeit, in der fast alle öffentlichen Gebietskörperschaften Nettokreditaufnahmen notwendig haben, eine zumindest hinterfragungswürdige Vorgehensweise. Sollen wir ernsthaft – wer immer dies täte – Finanzmittel für Sollzinsen aufnehmen, die höher sind als die Habenzinsen, die wir erreichen können? Wir zehren doch das, was wir den Leuten, den kommunalen Gebietskörperschaften, unseren eigenen Haushalten oder wem auch immer abzweigen, auf. Das so zurückgelegte Kapital wird eher aufgezehrt.

Ich will gar nicht das Wohlmeinende in dieser Überlegung verkennen. Ich glaube aber nicht, dass dies ein Lösungsansatz ist, der gegenwärtig ernsthaft betrieben werden könnte, zumal wir in Größenordnungen denken müssen, die sich weit in einer zweistelligen Milliardengrößenordnung bewegen müssen.

(Zuruf aus dem Hause)

Na ja, gut. Im Osten haben wir eine zweistellige Milliardengrößenordnung. Wir hätten dort nicht alles ausschöpfen können. Dann hätten wir, wenn Sie es auf unsere Betroffenheit beziehen, hierfür überhaupt keine Spielräume mehr gehabt. Da müssen schon Reserven angelegt werden.

Ich erlaube mir, daran Zweifel zu haben, was insoweit die Logik und die Vorgehensweisen anbelangen, die sich daraus ergeben.

Es kann natürlich nicht und es wird natürlich auch nicht um eine Monopolversicherung gehen. Es wird nicht so sein, dass man den lieben Herrn Kaiser ruft und sagt: Machen Sie das einmal für ganz Rheinland-Pfalz oder ganz Deutschland.

Daran müssen alle Versicherungen partizipieren können. Wenn wir diesen Weg gehen, wenn er gangbar ist – am Ende der Prüfungen wird sich das herausstellen –, müssen wir zusehen, dass die Solidargemeinschaft entsprechend groß ist, damit bei einer solchen Versicherung in der Tat etwas herauskommt.