Protocol of the Session on December 5, 2002

Wir GRÜNEN sind für eine integrierte Sprachförderung. Das waren wir schon immer. Insbesondere das haben wir heute auch noch einmal in unserem Antrag gefordert, nämlich eine integrierte Sprachförderung statt einer Ausgrenzung ausländischer Kinder nach Sprachtests. Natürlich brauchen wir möglichst früh eine Feststellung des Sprachförderbedarfs von Kindern in den Kindertagesstätten, um daran anknüpfend entsprechende individuelle Förderangebote unterbreiten zu können. Die Annahme dieser Angebote darf allerdings nicht als eine Bedingung für die Einschulung gesehen werden. Es muss darum gehen, die Kinder durch Sprachförderung in ihrer Muttersprache und in der deutschen Sprache zu integrieren.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn das SPDgeführte Bildungsministerium stolz erklärt, dass jetzt in 55 Kindertagesstätten Deutsch-Kurse stattfinden, ist das angesichts von 1900 rheinland-pfälzischen Kindertagesstätten nicht mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Das ist ein richtiger Ansatz. Dieser reicht natürlich nicht aus.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, außerdem ist es natürlich viel zu spät, wenn Frau Ministerin Ahnen vorschlägt, dass damit erst neun Monate vor der Einschulung begonnen wird. Je früher man anfängt, desto besser ist es. Das ist insbesondere bei der Sprachförderung unsere Perspektive.

(Staatsminister Zuber: Neun Monate vor der Geburt!)

Neun Monate vor der Einschulung ist offensichtlich zu spät, wenn die Kinder bei ihrer Einschulung dem Unterricht auch in deutscher Sprache folgen sollen.

In der pädagogischen Arbeit müssen die sprachlichen Lebenswelten der zugewanderten Kinder und ihrer Eltern eine Rolle spielen. Wichtig ist es uns GRÜNEN, dass in den Kindertagesstätten ein Klima gestaltet wird, in dem Mehrsprachigkeit als Chance und nicht als Defizit gesehen wird. Der sprachliche Austausch soll entwickelt und trainiert werden. Diese Fähigkeit nimmt natürlich auch in einer immer mehr zusammenwachsenden Welt eine wachsende Bedeutung an.

Die Sprachkompetenz ist ein Schlüssel für die Kommunikation und zur mündigen Teilhabe an unserer offenen Gesellschaft. Die Kindertagesstätte bringt zum ersten Mal deutsche und ausländische Kinder in einem institutionellen Rahmen zusammen. Zusammen mit einer hohen Lernfähigkeit der Kinder bietet dies optimale Voraussetzungen zur Sprachförderung.

Es ist unbedingt erforderlich, dass wir die Rahmenbedingungen zur Neugestaltung der Sprachförderung nach den Erkenntnissen der Sprachwissenschaften, wie ich es formuliert habe, schaffen. Am Anfang eines neuen Förderkonzepts, so wie wir uns das vorstellen, sollte eine Bedarfsermittlung und die Evaluation bestehender Projekte stehen. Es gibt nämlich herausragende Projekte und Einzelbeispiele mit mehrsprachiger und interkultureller Bildung und Erziehung in Kindertagesstätten in Rheinland-Pfalz, zum Beispiel in Neustadt oder in Mainz. Die Ergebnisse und die Erfahrungen müssen allgemein in die pädagogische Arbeit der Kindertagesstätten Eingang finden.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Dringend erforderlich ist es auch, die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Erzieherinnen und Erzieher um den Schwerpunkt interkulturelle Bildung zu erweitern. Dies entspricht einer Verbesserung der multikulturellen und der multilingualen Ausrichtung des Erzieherinnen- und Erzieherpersonals, was unserer Meinung nach ebenfalls dringend geboten ist.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Frau Kollegin Spurzem das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Kürzlich titelte ein Artikel in der „AZ“: „Mit Merhaba fängt der Tag gut an“. Dieser bezieht sich auf gute Maßnahmen, die vom Land bereits seit Jahren unterstützend gefördert werden.

Herr Wiechmann, schließlich wissen wir alle, dass das Erlernen der Muttersprache wichtig ist, um weitere Sprachen lernen zu können. Es geht in diesem Artikel auch um die zusätzlichen Erziehungskräfte in Kindertagesstätten zur Integration ausländischer Kinder. Das sind nicht etwa, wie Sie behaupten und in Ihrem Antrag schreiben, Einzelmaßnahmen. Das sind 230 zusätzliche Stellen in mehr als 200 Kindertagesstätten, wobei die Betonung auf dem Wort „zusätzlich“ liegt, das heißt neben den anderen Erzieherinnen, die sich, wie wir wissen, auch um die Integration und die Sprachförderung kümmern.

Es hat mich erschüttert, dass Sie in Ihrem Antrag geschrieben haben, in den Kindertagesstätten soll ein sprachliches Klima gestaltet werden, in dem Mehrsprachigkeit akzeptiert wird. Dazu kann ich nur sagen: Machen Sie sich einmal die Mühe und schauen Sie in die Kindergärten hinein. Die Wirklichkeit hat Sie überholt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, zu dieser Wirklichkeit zählt übrigens auch das Programm „Lerne die Sprache Deines Nachbarn“. Hier wird in rund 70 Kindertagesstätten insbesondere französisch gelernt. Aus eigener Kenntnis kann ich Ihnen sagen, dass es viele weitere Kindertagesstätten gibt, in denen Mutter- und Fremdsprachen freiwillig gefördert werden, weil Träger und Erzieherinnen den Bildungsauftrag der Kindertagesstätten ernst nehmen.

Es gibt noch eine weitere Maßnahme in unserem Förderkatalog für diesen Bereich: die neuen zusätzlichen Sprachförderkurse für Kinder nicht deutscher Herkunft in übrigens 81 Kindertagesstättengruppen. Nun kann man natürlich sagen, das sei alles viel zu wenig. Merkwürdig muten mich solche Vorhaltungen allerdings an. Da fordern Ihre diversen Haushaltsexperten in der Presse, die schärfsten Sparmaßnahmen einzuleiten, die jemals notwendig waren – das war Herr Bracht – oder gar eine absolute Haushaltssperre von Januar 2003 an – das war Frau Thomas –, und wieder andere schreiben munter Anträge, fordern und geben unter dem Tisch wieder aus, wofür sie obendrüber noch keine Mark gespart haben.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, so geht es nicht. Wir wissen doch alle, dass gerade diese Landesregierung bewiesen hat, dass bei aller Sparnotwendigkeit der Bildungsbereich hohe Priorität hat. Vor dem Hintergrund dieser eingangs beschriebenen Fördermaßnahmen kann es nicht erstaunen, dass wir an vielen Punkten inhaltlich gar nicht so weit auseinander sind. Wer würde schon den Bildungsauftrag auch der interkulturellen Bildung infrage stellen? Sie müssen aber auch bereit sein, die vorhandenen Fakten zu akzeptieren und zu sehen. Ich könnte jetzt viele Punkte aufzählen, die ich mit Blick auf die Uhr heute auslasse. Ich gehe davon aus, dass Herr Staatssekretär einiges davon erwähnen wird. Wir werden auch im Ausschuss Gelegenheit haben, darüber zu reden. Ich sage Ihnen aber zum Schluss gern, was mit uns nicht zu machen ist: höhere bürokratische Hürden, Institutionalisierung, Eingriffe in Trägerentscheidungen. – Möglichkeiten sind durch das Land eröffnet, entschieden wird

aber vor Ort. Dort weiß man ganz genau, was notwendig ist.

(Beifall bei der SPD)

Für die CDU-Landtagsfraktion hat jetzt Herr Kollege Keller aus Ludwigshafen das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestern vor einem Jahr wurden die für Deutschland niederschmetternden PISA-Ergebnisse veröffentlicht. PISA hat erfreulicherweise vielen die Augen geöffnet und zu einer gewaltigen bildungspolitischen Debatte geführt, die noch im Gang ist. Zu konkreten Ergebnissen in Rheinland-Pfalz ist es leider bisher noch kaum gekommen. Wenn es nach der CDU gegangen wäre, sähe dies anders aus. Es war nämlich die CDU-Fraktion, die im April dieses Jahres als erste Fraktion mit einem entsprechenden Antrag, der konkrete und schnell umsetzbare Maßnahmen enthielt, reagierte.

(Beifall bei der CDU)

Im Mittelpunkt unseres Antrags stand der Erwerb der deutschen Sprache im Kindergarten, und dies nicht nur für ausländische Kinder. In unserem Antrag forderten wir ein Jahr vor der Einschulung eine gezielte Überprüfung der Sprachkompetenz in Deutsch, und dies bei allen Kindern. Bei Sprachdefiziten sollte dann eine gezielte Sprachförderung in den Kindergärten erfolgen. Die Teilnahme daran sollte verpflichtend sein.

Leider hatte unser PISA-Antrag zwei große Fehler: Er war gut und kam von uns.

(Beifall bei der CDU)

Wenn unser Antrag eine Mehrheit bekommen hätte, wären wir in der Frage der Sprachförderung in den Kindergärten schon ein erhebliches Stück weiter.

Andere Bundesländer, wie zum Beispiel BadenWürttemberg, haben früher und entschiedener reagiert als Rheinland-Pfalz. Die 100.000 Euro für 81 Modellgruppen an 55 Kindergärten stellen zwar einen Schritt in die richtige Richtung dar, sie sind aber – da pflichte ich Herrn Kollegen Wiechmann bei – mehr oder minder nur der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Gott sei Dank waren viele Kindergartenträger nicht auf die MiniInitaitive der Landesregierung angewiesen. Sie haben schon vor geraumer Zeit mit effektiven Sprachförderprogrammen, wie zum Beispiel die Stadt Neustadt mit ihrem Juanito-Programm, begonnen.

Die GRÜNEN beantragen nun für Migrantenkinder eine zweisprachige Erziehung, wobei sie die Förderung der Erstsprache als notwendige Bedingung zum Erwerb aller

weiteren Sprachen – bei uns konkret des Deutschen – ansehen.

Jetzt werden wir einmal praktisch.

(Zuruf von der SPD)

Das sollten wir einmal. Es wird oft nur zu sehr theoretisiert. (Beifall bei der CDU)

In die Praxis umgesetzt bedeutet dies: Ein türkisches Kind soll im Kindergarten zuerst in Türkisch und dann in Deutsch gefördert werden. Dies ist unserer Meinung nach aus verschiedenen Gründen der falsche Weg. Die ausländischen Kinder haben in der Schule oder im Beruf, wenn sie überhaupt einen erlernen können, nicht deshalb Probleme – ich bleibe jetzt einmal bei dem türkischen Kind –, an denen sie oft scheitern, weil sie ihre Muttersprache – zum Beispiel Türkisch – nicht beherrschen, sondern ganz allein, weil sie zu wenig Deutsch können. Das ist doch der zentrale Punkt.

(Beifall bei der CDU)

Die Beherrschung der deutschen Sprache ist nun einmal die Voraussetzung für den Einstieg ins Berufsleben und für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.

(Beifall bei der CDU)

Weil dies so ist, kann die Devise nur lauten: Deutsch für alle, und dies möglichst früh. –

(Beifall bei der CDU)

Normalerweise müssten auch die SPD und die FDP klatschen – ich verstehe das gar nicht –, wenn ich Ihre Presseerklärungen richtig gelesen habe. Aber ich habe zuvor nicht die Regierung gelobt.

(Zurufe im Hause)

Da Deutschkenntnisse so elementar sind, muss die Teilnahme an Fördermaßnahmen verpflichtend sein.

Die zweisprachige Erziehung überfordert die meisten ausländischen Kinder. Sie ist schon möglich, aber sie setzt eine systematische Sprachförderung und Sprachunterstützung auch im Elternhaus voraus. Dazu sind die meisten Eltern leider nicht in der Lage.

Bevor wir also auf Kosten der Kinder mit dem Modell der Zweisprachigkeit herumexperimentieren, was uns auch noch massiv finanziell belasten würde – es gibt nicht nur türkische Kinder; das ist zwar die größte Gruppe, ich weiß nicht, ob die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN durchdacht hat, was das dann wäre, für die dann auch Experten im Kindergarten vorhanden sein müssten –, verwenden wir lieber alle Kraft und viel Geld für eine frühzeitige Förderung in Deutsch. Aus diesem Grund lehnen wir natürlich den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ab.

Danke. (Beifall bei der CDU)

Für die FDP-Landtagsfraktion erteile ich Frau Abgeordneter Nicole Morsblech das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Weil ich weiß, dass der Minister nur noch wenig Zeit hat und der charmante Kollege Wirz gern noch zu seiner Mittelstandsförderung kommen möchte, will ich konsensfähige pädagogische Feststellungen heute weglassen, die Einleitung auch, und komme gleich zur Sache.