Protocol of the Session on December 5, 2002

Organisatorische Verbesserungen und bauliche Verbesserungen, die schon zum Teil auf den Weg gebracht sind, werden dazu führen, dass ein Teil der Probleme zurückgefahren werden kann. Ganz wichtig in diesem Zusammenhang ist das, was auch schon mehrfach angesprochen wurde: ambulant vor stationär.

Wir haben in diesem ganzen Bereich kein höheres Potenzial, zum einen die Pflegequalität, aber auch die Lebensqualität beispielsweise der Pflege in der Familie oder im Heim zu verbessern und gleichzeitig finanziell davon im Sinn aller Beteiligter zu profitieren.

Eine Anmerkung, die mir erlaubt sei: Wir sollten vorsichtig sein, was eine überzogene Professionalisierung des gesamten beruflichen Umfelds angeht. Es muss auch in der Pflege möglich sein, Hilfsdienste so wie bisher in die Pflege zu integrieren, in dem einen oder anderen Bereich vielleicht im stärkeren Maße.

Ich finde es hervorragend, dass man hauswirtschaftlichen Sachverstand mit einbeziehen will; denn eins ist klar, da würde auch niemand herangehen. Ich will einmal hoffen, dass es für uns selbstverständlich ist, dass wir Familien nicht von der Pflege ihrer Familienmitglieder ausschließen, weil wir ihnen unterstellen, ihre Pflege sei vielleicht nicht adäquat professionell mit staatlichem Zertifikat angelegt. Diese ambulante Pflege ist aber der wichtigste Teil der gesamten Pflege. Das dürfen wir nicht vergessen.

Meine Damen und Herren, in der Anhörung fiel auch mehrfach der Hinweis auf das Hinzuziehen ausländischer Pflegekräfte. Ich versuche jetzt nicht, ideologisch zu sein. Wir hatten in einem anderen Zusammenhang vor einem halben Jahr schon über polnische Hilfskräfte gesprochen. Ich habe mich damals ganz vehement gegen den Einsatz dieser illegalen Hilfskräfte ausgesprochen.

In diesem speziellen Bereich, insbesondere unter dem Ansatz, dass wir durch die bayerische Blockadesituation in den Ausbildungen, in den Ausbildungsgängen und in der Vereinheitlichung der Ausbildungsgänge zurückgeworfen sind, darf man auch durchaus überlegen, wenn die Konditionen richtig beschrieben sind, ob man für einen umschriebenen Zeitraum nicht auf zusätzliche Hilfe zurückgreifen sollte, bis wieder nennenswerte höhere Ausbildungszahlen erreicht sind, aber nur mit dieser klaren Limitierung.

(Zuruf des Abg. Rösch, SPD)

Darüber sollten wir alle noch einmal sprechen, um den Druck aus der jetzigen Situation herauszunehmen.

Meine Damen und Herren, es handelt sich, wenn man ehrlich ist, um einen Wust von Problemen in diesem Bereich. Es existiert auch ein Wust von Schwierigkeiten dadurch, dass es sich um einen Bereich handelt, der nicht allein und ausschließlich in Länderkompetenz steht, sondern es gibt ein hohes Maß an bundespolitischer Gesetzgebung. Zentral ist auch, dass wir die Fragen, die die FDP immer bewegt haben, die Fragen der Finanzierung, beachten.

Es wird auf Dauer nicht möglich sein, mehr Geld in das System hineinzubringen, wenn wir von den Finanzierungsgrundlagen, die wir jetzt haben, von den umlagenfinanzierten Finanzierungsgrundlagen, nicht bereit sind abzugehen. Das kann ein Teil der Finanzierung sein, aber wir brauchen auch langfristig große Teile von Sub

sidiarität, Eigenverantwortung und kapitalgedeckte Versicherungstechniken.

Danke sehr.

(Beifall der FDP und der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Rüddel. Er hat noch zwei Minuten Redezeit.

Entschuldigung. Bevor Sie das Wort ergreifen, hat Herr Marz Gelegenheit zu einer Kurzintervention.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, lieber Kollege Dr. Schmitz. Ich kann sehr gut damit leben, dass Sie anderer Meinung sind als ich.

Ich kann aber schwer damit leben oder halte es für schwer zu ertragen, dass Sie, wenn ich über die Situation pflegender Angehöriger spreche und darauf aufmerksam mache, dass man das nicht in einer Heile-WeltSicht sehen kann, sondern man durchaus auch innerfamiliäre Konflikte bedenken muss, wenn man das ebenso wie die Tragfähigkeit beurteilt, das einfach so mit der Aussage wegwischen, der hat nur eine etwas konfliktlastige Sichtweise von sozialen Beziehungen. Das ist das eine, was ich Ihnen sagen wollte.

Das Zweite: Es ist sehr viel die Rede vom Image der Pflegeberufe. Wir wissen alle, dass wir bei dieser Frage sehr stark zu kämpfen haben und möglicherweise Imagekampagnen nicht sehr viel weiterhelfen.

Was aber völlig in die falsche Richtung geht, ist, immer wieder im Zusammenhang mit dem qualifizierten Pflegeberuf die Diskussion über Hilfskräfte, also minder qualifizierte Personen, aufzumachen. Das halte ich für fatal, und das geht in der Tat in die falsche Richtung.

Stellen Sie sich vor, wir hätten einen Mangel an Elektroinstallateuren,

(Kuhn, FDP: Nein, nein!)

und aufgrund dieses Mangels würde irgendjemand auf die Idee kommen zu versuchen, ihn über irgendwelche angelernte oder ungelernte Hilfskräfte auszugleichen. Dann hätten alle davor Angst, dass überall die Elektroversorgung zusammenbricht. So geht es nicht.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bitte vermischen Sie in dieser Diskussion nicht die Frage von Hilfs- und unterstützenden Kräften mit den Pflegekräften, die eine hoch qualifizierte Arbeit leisten.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zur Entgegnung erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Schmitz das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Marz, ich glaube, diese beiden Punkte lassen sich sehr schnell glatt ziehen. Dazu brauchen wir kein Fass aufzumachen.

Wenn wir die Familiensolidarität nicht infrage stellen, habe ich keine Probleme damit, dass nicht alle Familien so sein müssen, wie es meinem Wunschbild entspricht. Es ist eine Grundtatsache, dass es Familien gibt, in denen man das nicht einfordern kann und in denen diese Konflikte bestehen. Diese Einschätzung teile ich mit Ihnen. Darin haben wir keinen Dissens.

Genauso einfach ist es, Ihren zweiten Punkt auszuräumen, den Sie angesprochen haben. Wir wissen doch, dass wir in der jetzigen Situation selbstverständlich einen Mix an Pflegekräften haben. Sie dürfen mich selbstverständlich nicht so verstehen, dass ich statt der qualifizierten Altenpfleger und Fachhelfer schlechter ausgebildete Kräfte vorsehen will.

(Zuruf des Abg. Marz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber es ist richtig, den Hinweis aufzugreifen, dass wir beispielsweise hauswirtschaftliche Fachkräfte einbinden können. Es gibt in der Organisation einer Pflegestation Arbeitsteile, die nicht unbedingt von ausgebildeten Pflegekräften erledigt werden müssen. Es gibt andere Arbeiten, die auch von anderen erledigt werden sollten. Das ist das, was ich sagen wollte, und darin scheinen wir uns einig zu sein.

(Beifall der FDP)

Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Rüddel. Ihnen stehen noch zwei Minuten Redezeit zur Verfügung.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen die Einrichtungsträger dauerhaft in die Lage versetzen, die vertraglich und gesetzlich geforderten Leistungen in der vereinbarten Qualität erbringen zu können, ohne dass dies zu einer anhaltenden Überforderungssituation der Mitarbeiter führt.

(Beifall der CDU – Dr. Altherr, CDU: So ist es!)

Durch die Einführung von neuen Leistungs- und Qualitätsvereinbarungen besteht erneut die Gefahr, dass die

ohnehin beispiellose Regelungsdichte weiter verstärkt wird. Pflege ist durch Verordnungen und Gesetze in einen Hochsicherheitstrakt verwandelt worden. Der Nutzen für die Pflegebewohner wurde dadurch nicht unbedingt höher.

(Beifall bei der CDU)

Der Blick ist zu sehr auf die Mechanik als auf die Menschen ausgerichtet. Das Pflegepersonal und die Verwaltung sind mit diesen administrativen Aufgaben auf akademischem Niveau schlicht überlastet. Den Pflegebedürftigen hat ein Mehr an Bürokratie bisher kein Mehr an Pflege oder Zuwendung gebracht. Gute Pflege ist heute schlichtweg eine gut dokumentierte Pflege.

Warum setzen wir nicht unsere Sinne verstärkt zusätzlich ein?

(Beifall der CDU)

Hygieneprobleme erkennt der MDK in einer Einrichtung am Geruch. Austrocknungen, Gelenkversteifungen und Dekubiti sind deutliche Zeichen für schlechte Pflege und können direktes Eingreifen auslösen.

Pflege findet heute in einem Klima der Verunsicherung statt. Jeder will sich gegenüber jedem rechtlich absichern. Nicht die menschliche Zuwendung zählt, sondern das richtige Handzeichen zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle in der Pflegedokumentation.

(Dr. Rosenbauer, CDU: So ist es!)

Es hat sich hierdurch ein Beauftragtenwesen bis in die letzte Nische entwickelt, und all dies mit Pflegekräften, die von ihrer Ausbildung her diesen Anforderungen nicht gewachsen sind. Wenn ein Heimleiter einen dreiseitigen Brief braucht, um der Heimaufsicht sein Dokumentations- und sein Beauftragtenwesen zu erläutern, dann wird dadurch sicherlich klar, dass die besten Pflegekräfte am Schreibtisch sitzen. Wir haben entweder zu wenig Geld oder zu viel Bürokratie im System.

(Glocke der Präsidentin)

Ich komme zum Schluss.

Es wird sich zu sehr auf Objektförderung konzentriert. Wir investieren in Gebäude statt in Menschen. Pflegekräfte sind dadurch oft frustriert, ausgelaugt und nicht selten seelisch und körperlich angeschlagen. Das bedeutet noch geringere Verweilzeiten im Beruf und noch weniger Einsteiger. Wir brauchen aber mehr und besser ausgebildete Pflegekräfte.

Frau Ministerin, lassen Sie die Menschen in diesem Pflegesystem nicht im Stich!

Vielen Dank.