Protocol of the Session on September 26, 2002

Arbeit und Arbeitsergebnisse des Ausschusses der Regionen (AdR) im Zeitraum März 2000 bis Februar 2002 mit Ausblick auf die dritte Mandatsperiode Besprechung des Berichts der vom Landtag Rheinland-Pfalz entsandten Mitglieder des Ausschusses der Regionen gemäß Beschluss des Landtags vom 22. April 1999 zu Drucksache 13/4100 – Drucksache 14/1136 –

Für eine lebendige europäische Verfassung – Ziele des Konvents zur Zukunft der Europäischen Union aus rheinland-pfälzischer Sicht – Antrag der Fraktionen der SPD, CDU und FDP – Drucksache 14/1356 –

dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europafragen – Drucksache 14/1408 –

Die Europäische Integration durch eine Verfassung für Europa vorantreiben: Für eine demokratische, solidarische und handlungsfähige Europäische Union Antrag (Alternativantrag) der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/1368 –

dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Europafragen – Drucksache 14/1409 –

Diese Punkte der Tagesordnung sollen gemeinsam diskutiert werden.

Ich erteile zunächst dem Berichterstatter, Herrn Manfred Kramer, das Wort.

Die vereinbarte Redezeit für die drei Tagesordnungspunkte beträgt 15 Minuten.

(Schwarz, SPD: Sie müssen das aber nicht ausnutzen!)

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag zu Punkt 16 der Tagesordnung „Für eine lebendige europäische Verfassung – Ziele des Konvents zur Zukunft der Europäischen Union aus rheinland-pfälzischer Sicht –“ wurde im Ausschuss für Europafragen in der 11. Sitzung am 10. September 2002 beraten.

Der Ausschuss hat mit den Stimmen der Vertreter der Fraktionen der SPD, der CDU und der FDP gegen die

Stimme des Vertreters der Fraktion des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Landtag die Annahme des Antrags der Fraktionen der SPD, CDU und FDP – Drucksache 14/1356 – empfohlen. So lautet auch die Beschlussempfehlung.

Punkt 17 der Tagesordnung, „Die europäische Integration durch eine Verfassung für Europa vorantreiben: Für eine demokratische, solidarische und handlungsfähige Europäische Union“ – Drucksache 14/1368 – betreffend, wurde in der gleichen Sitzung des Ausschusses für Europafragen beraten. Der Ausschuss hat mit den Stimmen der Vertreter der Fraktionen der SPD, CDU und FDP gegen die Stimme des Vertreters der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem Landtag die Ablehnung des Alternativantrags der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/1368 – empfohlen. So lautet auch die Beschlussempfehlung.

Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei CDU und SPD)

Das Wort hat nun Herr Abgeordneter Dr. Schiffmann.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Europäische Union hat bei den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch bei den Politikerinnen und Politikern in Deutschland nicht immer das beste Ansehen. Das zeigt nicht nur die ziemlich unsägliche Euro-TeuroDebatte. Die Erwartungen an die Union sind aber auch vielfach in sich sehr widersprüchlich: Einerseits wird ihr vorgeworfen, sie mische sich überall ein, andererseits wird, wie bei der Hochwasserkatastrophe in Bayern und Ostdeutschland, sofort nach finanzieller Unterstützung durch die EU gerufen.

Einerseits wird die Außen- und Verteidigungspolitik als Kernstück nationaler Souveränität verteidigt, andererseits die oft klägliche Rolle Europas in der Weltpolitik beklagt und eine wirkliche gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU-Staaten gefordert, um dem „schlafenden Riesen“ Europa eine Stimme zu geben, die auch auf der Bühne der Weltpolitik gehört wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, umso notwendiger ist die Debatte über die künftige Verfasstheit Europas, die Debatte über eine allererste Verfassung für die in einem rasanten Tempo zusammenwachsende und sich gleichzeitig auch dramatisch vergrößernde Europäische Union. Das geht uns alle an: alle Bürgerinnen und Bürger der 15 Staaten der EU, die jetzt schon dabei sind, und alle Bürgerinnen und Bürger der zehn Staaten, die bis Mitte 2004 aufgenommen werden sollen. Es geht um eine Verfassung, die auch für uns in Rheinland-Pfalz genauso wichtig, wenn nicht mittlerweile zum Teil wichtiger ist als unsere Landesverfassung und das Grundgesetz. Es geht darum, ob und wie künftig für uns nachvollziehbar und wie demokratisch legitimiert von wem künftig wesentliche Entscheidungen auf der europäi

schen Ebene gefällt werden, die in unser alltägliches wirtschaftliches, gesellschaftliches und politisches Handeln eingreifen.

Es geht weiterhin darum, ob die Europäische Union eine Form und Verfassung findet, die ihr Handlungsfähigkeit nach innen und außen auch bei 25 oder 27 Mitgliedsstaaten gewährleistet, eine Verfassung, die in diesem großen Rahmen unverrückbare Grundwerte festlegt und damit hilft, eine breit getragene europäische Identität zu entwickeln.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dass heute sowohl der Bericht der rheinland-pfälzischen Mitglieder des Ausschusses der Regionen als auch die Anträge zum EU-Reform-Konvent gemeinsam beraten werden, macht durchaus Sinn; nicht allein, weil auch die zukünftige Rolle des Ausschusses der Regionen nach unserer Auffassung in einem kommenden Verfassungsdokument der Europäischen Union geregelt und gestärkt werden muss, sondern vor allem, weil Erfahrungen aus der Arbeit im Ausschuss der Regionen von Bedeutung für die Überlegung sein können, wie gerade aus unserer regionalen Interessenlage heraus Entscheidungsprozesse der Europäischen Union wirksamer, demokratischer und transparenter gestaltet werden sollen.

(Beifall bei der SPD)

Sie können weiterhin für die Überlegung von Bedeutung sein, wie eine künftige Arbeitsteilung zwischen der europäischen, der nationalen und der regionalen Ebene aussehen soll und letztlich auch, wie die Einhaltung und Umsetzung grundlegender Prinzipien europäischen Handels wie Solidarität, Kohäsion und Subsidiarität wirksam garantiert und kontrolliert werden können.

Ich denke, dass die rheinland-pfälzischen Mitglieder und Ersatzmitglieder der letzten AdR-Mandatsperiode gerade in den Feldern, die für unser Land von besonderer Bedeutung sind, sich wirksam in die Arbeit des Ausschusses der Regionen und seiner Fachkommissionen eingebracht haben.

(Beifall der SPD)

Dies sind natürlich vor allem die Fortentwicklung der Regional- und Strukturpolitik der EU, die Weinbaupolitik, die Jugend- und Bildungspolitik und die europäische Medienpolitik sowie die Politik der Union zur Schaffung einer europäischen Informationsgesellschaft.

In unserem gemeinsamen Bericht haben wir natürlich auch deutlich gemacht, dass der Ausschuss der Regionen noch nicht den Stellenwert in Zusammenwirken der europäischen Institutionen hat, der ihm eigentlich seinem Selbstverständnis nach zukommt. Für jeden von uns, der vom Landtag beauftragt im Ausschuss der Regionen mitgearbeitet hat, besteht eine ganz wichtige Erfahrung darin, dass wir erkennen mussten, dass die erklärte Position der deutschen Länder und des Bundesrats, nämlich die Kompetenzen der Union klar und eindeutig zu begrenzen und auf Teilgebieten zu Gunsten der Nationalstaaten oder Regionen zurückzuführen, insbesondere von den regionalen Vertretern aus den kleineren Mitgliedsstaaten und den Staaten, die wirt

schaftlich von Brüssel profitieren, so nicht geteilt wird. Daraus folgt: Es ist eine Illusion zu denken, es könne ein Ergebnis dieses Zukunftskonvents geben, das an diesen andersartigen Erwartungen an Europa völlig vorbeigeht und als könne das Rad der europäischen Kompetenzentwicklung dramatisch zurückgedreht werden.

Wir unterstützen nachdrücklich die Forderungen, die das Plenum des Ausschusses der Regionen im Juli aufgestellt hat:

1. Wahrung der nationalen und regionalen Identitäten durch die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips,

2. Schaffung rechtlich und politisch wirksamer Instrumente des Ausschusses der Regionen zur Kontrolle der Einhaltung der Subsidiarität,

3. die Stärkung der beratenden Rolle des Ausschusses der Regionen gegenüber der Kommission und dem Parlament und

4. die Verleihung des Status einer europäischen Institution.

(Beifall der SPD und der FDP)

Dass der konstitutionelle Ausschuss des Europäischen Parlaments mittlerweile in einer ersten Beratung zur künftigen Rolle der Regionen einige wesentliche, aber bei Leibe nicht alle dieser Forderungen aufgegriffen und akzeptiert hat, ist zweifellos ein gutes Zeichen und auch ein Ergebnis der verbesserten Zusammenarbeit zwischen Parlament und Ausschuss der Regionen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das Konventsverfahren hat bei der Erarbeitung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Gegensatz zu dem in Nizza endgültig gescheiterten Verfahren der traditionellen Regierungskonferenzen erfolgreich seine Feuertaufe bestanden. Seit Ende Februar dieses Jahres hat nun der Konvent zur Zukunft der Europäischen Union seine Arbeit aufgenommen. Öffentlich – ich betone – öffentlich und unter Nutzung aller modernen Kommunikationsplattformen arbeiten und diskutieren nicht mehr allein die Regierungen, sondern Abgesandte der Regierungen der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments sowie mit beratender Stimme auch Vertreter des Wirtschafts- und Sozialausschusses und des Ausschusses der Regionen an einem zukunftsfähigen Verfassungs- und Vertragswerk.

Der Erfolg dieses Konvents wird insbesondere daran gemessen werden,

1. ob die bisherige Reformblockade überwunden werden kann und die Europäische Union der vollendeten Wirtschafts- und Währungsunion eine dringend notwendige politische Union an die Seite stellen kann,

2. ob eine drastische Vereinfachung des Dschungels der europäischen Verträge gelingt, den heute nur noch wenige Spezialisten zu durchschauen vermögen.

Konkret heisst das für dieses auch in Zukunft komplizierte politische Mehr-Ebenen-Gebilde „Europäische Union“, einprägsame, gemeinsam getragene Grundwerte und Grundrechte und eine klare Kompetenzordnung für Rat, Parlament und Kommission sowie eindeutige Instrumente und Verfahren der Gesetzgebung zu vereinbaren.

Vor allem bedeutet es eine eindeutig rechtlich und politisch überprüfbare Kompetenzverteilung, die sich am Subsidiaritätsprinzip ausrichtet, bis hinab zu der Ebene der so genannten konstitutionellen Regionen, wie es die deutschen Bundesländer sind.

Der Erfolg wird drittens davon abhängen, ob es wirklich gelingt, eine breite öffentliche Debatte und Unterstützung für das Reformwerk anzustoßen, damit das Ergebnis dieses Konvents so, wie es mit dem ersten Konvent geschehen ist, eine Legitimation und einen Stellenwert erhält, der es der nächsten Regierungskonferenz, bei der nur die Regierungen beteiligt sein werden, unmöglich macht, an diesen Ergebnissen vorbeizukommen.

Spannend wird es in der Arbeit des Konvents vor allem gegen Ende des Jahres, wenn ein erster Gesamtentwurf für dieses neue Verfassungs- und Vertragswerk vorgelegt werden wird, der auch Vorschläge für die seit Jahren besonders umstrittenen Fragen einer Reform der Entscheidungsprozesse der Union beinhalten muss und wird. Damit steht dann Ende des Jahres die Beantwortung der schwierigsten Grundsatzfrage auf der Tagesordnung, nämlich die nach der „Finalität der Union“ und damit auch die Frage nach der Machtverteilung innerhalb der Union.

Konkret geht es dabei darum, ob die Zukunft der Europäischen Union in der intergouvernementalen Methode mit einer weiterhin starken und überragenden Rolle der Mitgliedstaaten und des Rats liegt oder in der Stärkung der gemeinschaftlichen Methode mit einem künftigen Vorrang von Kommission und Parlament.

Nicht zuletzt muss die neue Union auch den Erwartungen der Bürger besser gerecht werden.

(Beifall bei SPD und FDP)

Dabei ist die Effektivität des Handelns und der Entscheidung ein wichtiger Gesichtspunkt, neben dem aber zumindest gleichrangig die höhere demokratische Legitimation und die Transparenz der Entscheidung und auch das Prinzip der Verhältnismäßigkeit, was aus unserer Sicht wichtig ist, stehen.

In unserem erfreulicherweise auch von der Union mitgetragenen Antrag haben wir dazu eine Reihe von Vorschlägen gemacht. Wichtig erscheint mir als grundlegendes Anliegen, dass noch deutlicher gemacht werden muss, dass die Legislativbefugnis der Europäischen Union in allen Fällen, in denen sie nicht eindeutig bei der Union liegt, bei den Nationalstaaten und/oder, wie in Deutschland, im Föderalismus bei den konstitutionellen Regionen liegen muss.

In Zukunft kann es beispielsweise nicht sein, dass die Kommission über den weitgehend überholten Harmoni

sierungsartikel 95 des EG-Vertrags mehr oder minder eine Kompetenz für alles für sich beansprucht. Damit dies dann auch wirksam kontrolliert werden kann, muss ein starkes Verfahren der politischen und gerichtlichen Kontrolle der Kompetenzabgrenzung und des Subsidiaritätsprinzips verankert werden.