Protocol of the Session on August 30, 2002

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt hören Sie doch auch einmal zu, Frau Kollegin. Der Herr Minister hat vorhin gesagt, wir haben in den alten Bundesländern im Schnitt eine Ausbildungsvergütung von 582 Euro. Herr Kollege Dr. Braun hat vorhin diese Ausbildungsplatzinitiative Pfalz GmbH angesprochen. Dort haben wir mehr Nachfragen, als wir befriedigen können. Dann ist es natürlich auch interessant, wenn ich 10.000 Mark oder 3.300 Euro bekomme – man muss allerdings sagen für drei Jahre –, dann ist das ein Anreiz der Kostenentlastung. Das muss man schlicht und einfach sagen. Gerade in wirtschaftlich schlechter gehenden Betrieben und auch in Berufen, die nicht so attraktiv sind, ist dieser Zuschuss natürlich interessant.

Das Zweite, was man sehen muss, ist, – Herr Kollege Wiechmann, das können Sie nicht verleugnen; das wird immer so sein – wir haben regionale Unterschiede. Da liegt doch das Problem, was der Herr Minister vorhin in seinem Redebeitrag auch gesagt hat, dass wir von Durchschnittszahlen reden.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Davon redet ja auch kein Mensch!)

Nun können Sie in diesem Fall nur zwei Dinge tun. Sie können sagen, dort in den schlechteren Regionen muss der Staat einspringen, wenn Sie das wollen.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja genau!)

Frau Kollegin Grützmacher, das ist natürlich nicht unproblematisch. Dann müssten Sie in der Tat – das ist das, was der Kollege eben gesagt hat – das ganze

System einmal überlegen. Es gehört auch ein Stück Mobilität dazu, wenn man einen Ausbildungsplatz erhalten möchte.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Nein, nein!)

Es ist immer schön, wenn man aus dem wahren Leben reden kann. Ich habe in meiner Abteilung eine Auszubildende, die aus dem Saarland, aus Bad Homburg, kommt. (Zuruf aus dem Hause)

Das ist schade. Sie muss nämlich morgens früh aufstehen und hat natürlich nicht die Lebensqualität, die jemand hat, der unmittelbar mit der Straßenbahn morgens zum Ausbildungsplatz fahren kann.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr richtig!)

Sie sehen aber, dass es offensichtlich im Saargebiet, in der Region Westpfalz, wo Herr Weiner herkommt, nicht genügend Ausbildungsplätze gibt.

(Zuruf des Abg. Mertes, SPD)

In der Region Westpfalz einschließlich des Saarlands. Herr Kollege Mertes, danke für den Hinweis. Dort gibt es auch junge Menschen, die mobil sind und sagen: Ich will einen hervorragenden Ausbildungsplatz haben. – Die junge Dame hat mir noch erklärt, sie will anschließend noch ein Studium absolvieren. Diese regionalen Ungleichgewichte wird es immer geben, und wir müssen dies bei unserer Diskussion berücksichtigen. Diese können wir auch nicht abschaffen. Aber dennoch müssen wir uns auch einmal bei denen bedanken, die ausbilden und die über Bedarf ausbilden. Das sind noch sehr viele Unternehmen. Wir hoffen und gehen auch davon aus und sind zuversichtlich, dass wir es schaffen werden, fast allen – das wird nicht bei allen der Fall sein; da gibt es auch persönliche und menschliche Probleme: keinen Berufsabschluss, keinen Hauptschulabschluss; das sind auch die Probleme, über die man reden muss – Ausbildungswilligen auch einen Ausbildungsplatz in Rheinland-Pfalz anbieten zu können.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Ich schließe die Aussprache.

Ich begrüße weitere Gäste im Landtag, und zwar Schülerinnen und Schüler aus Idar-Oberstein und Linz am Rhein sowie Mitglieder des Seniorenvereins Hornbach. Seien Sie herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall im Hause)

Ich rufe Punkt 4 der Tagesordnung mit dem ersten Thema auf: AKTUELLE STUNDE

„Die Lage der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes in Rheinland-Pfalz im Sommer 2002“ auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 14/1353 –

Für die Antrag stellende Fraktion spricht Frau Abgeordnete Huth-Haage.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vor allem ein rheinland-pfälzischer Wirtschaftsbetrieb, in seiner Branche vor gar nicht allzu langer Zeit ein großer, in wirtschaftlichen Kategorien ein Mittelständler mit einem Umsatz von ca. 50 Millionen Euro im letzten Geschäftsjahr, macht derzeit bundesweit von sich reden.

Wir begrüßen es, dass dem Landesvater die Schadensbegrenzung für den FCK einen runden Tisch wert ist. Aber während die Landesregierung bei der schönsten Nebensache der Welt stets in erster Reihe präsent ist, fehlt es dort, wo es nicht um Spiele, sondern um Arbeit geht, vielfach an Engagement gleicher Intensität.

(Beifall der CDU)

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Viele Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion empfinden ebenso wie ich große Sympathie für den FCK. Wir erwarten jedoch die gleiche Aufmerksamkeit und eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den Kernproblemen der rheinlandpfälzischen Wirtschaft, und diese liegen im Mittelstand.

(Beifall bei der CDU)

Im ersten Quartal dieses Jahres erzielte gerade einmal die Hälfte der Handwerksbetriebe einen Auslastungsgrad von über 70 %. Die Auftragslage des verarbeitenden Gewerbes sinkt weiter. Die Betriebe verzeichnen 2,6 % weniger Aufträge als im Vorjahr. Die Inlandsnachfrage ging gar um 9,2 % zurück.

Meine Damen und Herren, die Zeichen stehen auf Sturm. Erstmals seit vier Jahren hat der Mittelstand in 2001 mehr Stellen gestrichen als geschaffen. Mit knapp 21 Firmengründungen je 1.000 Einwohner in 2001 belegen wir im Bundesvergleich gerade einmal den 14. Tabellenplatz. Dieses schwache Gründungsgeschehen wiegt umso schwerer, da der Arbeitsmarkt in RheinlandPfalz in höchstem Maß von kleinen und mittleren Unternehmen geprägt wird.

Die Steuerreform, für die auch die SPD in unserem Land verantwortlich zeichnet, hat den Mittelstand gegenüber den großen Kapitalgesellschaften klar benachteiligt.

(Beifall der CDU)

Jeder Mittelständler wird Ihnen zudem bestätigen, dass Steuerprüfungen sich über viele Monate erstrecken und viele Mitarbeiter binden. Weitere bürokratische Hemm

nisse, beispielsweise die Veränderung beim Betriebsverfassungsgesetz, das Scheinselbstständigengesetz, die Abschaffung der 630-DM-Jobs, der Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit, um nur einige zu nennen, haben nicht nur die bürokratischen Hemmnisse erhöht, sondern es schlägt auch alles auf der Kostenseite zu Buche.

Damit der Motor trotzdem rundläuft, braucht es ein Schmiermittel. Für die kleinen und mittleren Unternehmen ist das der Kredit. Ein Großteil des deutschen Mittelstands hat eine Eigenkapitalquote von unter 10 % der Bilanzsumme. Für Investitionen aus eigener Kraft bleibt da kein Spielraum. „Basel“ mag ein Rettungsboot für den FCK sein. Für den Mittelstand kommt der Begriff „Basel“ allein oder in Kombination mit Rating einer Hiobsbotschaft gleich.

(Beifall der CDU)

Mit „Basel II“ steigt nicht nur der bürokratische Aufwand. Das Kapital ist jetzt von den kleinen Unternehmen noch teurer zu beschaffen.

Meine Damen und Herren, ganz kritisch ist die Situation im Einzelhandel. Vielleicht haben Sie diese Woche in der „FAZ“ die Meldung gelesen, dass im Einzelhandel 30.000 Stellen gestrichen werden. Ich weiß aus vielen Gesprächen mit Einzelhändlern aus dem Textil- und Schuhbereich, dass es zum Teil fehlt. Die Unternehmen bekommen von ihren Banken keine 10.000 Euro. Sie sind nicht in der Lage, Herbst-/Winterkollektionen einzukaufen, geschweige denn Vororder für das nächste Frühjahr zu treffen.

Meine Damen und Herren, all das schlägt auf das verarbeitende Gewerbe zurück.

(Beifall der CDU)

Ein weiterer Punkt betrifft das Gewährleistungsrecht. Durch die Schuldrechtsreform wird die Position der Verbraucher gestärkt. Das ist positiv. Aber auch das geht vor allem zulasten des Gewinns, der wichtigsten Quelle des Eigenkapitals kleiner Unternehmen, und das benötigen diese dringend, um auch konjunkturelle Durststrekken wie m omentan zu überstehen.

(Beifall bei der CDU)

Hinzu kommt eine immer schlechtere Zahlungsmoral, nicht nur bei privaten Auftraggebern.

Bund und Land wollen den Mittelstand fördern. Das versprechen die Regierenden gern. Aber bis Bund, Länder und Gemeinden ihre Rechnungen bezahlen, vergehen oft viele Monate.

Vielen Betrieben droht zwischenzeitlich das Aus. So erleben wir derzeit auch eine unvergleichliche Insolvenzwelle. Alle 15 Minuten – so lange dauert die Pause im Fußball – geht einem Betrieb die Luft aus. Allein in Rheinland-Pfalz stieg die Zahl der Insolvenzen von 2000 auf 2001 um rund 18 %, wobei wir wohlgemerkt im Vergleich zu anderen Bundesländern bereits auf einem hohen Niveau aufsitzen.

Die verheerende Situation des Mittelstands lässt sich nicht allein durch internationale Zusammenhänge erklären. Sie fußt auf einem strukturellen Reformdefizit, das diese Landesregierung mit zu verantworten hat.

(Beifall der CDU)

Wir fordern Sie daher auf, Reformen mutig anzugehen. Auch wenn einzelne Maßnahmen die Zustimmung der Wirtschaft finden, sind die Vorschläge der HartzKommission insgesamt nicht weitgehend genug und viel zu bürokratisch.

Die fußballerische Wahrheit liegt nach Otto Rehagel bekanntlich auf dem Rasen. Die Wahrheit, mit der sich Bundes- und Landesregierung in puncto Mittelstandspolitik konfrontiert sehen müssen, lautet, der Mittelstand ist derzeit von hoher Frustration und Skepsis geprägt. Die Mehrheit setzt auf einen Wechsel in der Politik.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der CDU)