Protocol of the Session on May 22, 2001

(Beifall der FDP und der SPD)

Meine Damen und Herren, wenn wir so verfahren, bin ich mir sicher, dass wir die richtige Mischung zwischen Kontinuität und Wagnis bekommen werden. Dann werden wir auch in fünf Jahren angemessene Umfrageergebnisse bekommen.

Ich bedanke mich.

(Anhaltend Beifall der FDP und der SPD)

Ich begrüße sehr herzlich weitere Gäste im rheinlandpfälzischen Landtag, und zwar die Mitglieder der Arbeiterwohlfahrt Waldsee.

(Beifall im Hause)

Das Wort hat jetzt der Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, Herr Kurt Beck.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir nach diesem ersten Teil der Debatte zur Regierungserklärung zunächst einmal ein Wort des Dankes an Sie, Herr Kollege Mertes, und an Sie, Herr Kollege Kuhn, für die Unterstützung der Politik, die ich namens der Landesregierung gestern umrissen habe. Ich habe in der weiteren Debatte in dem, was Herr Kollege Dr. Böhr und was Frau Kollegin Thomas gesagt haben, durchaus eine Reihe von Ansätzen gefunden, die der Diskussion, aber auch den gemeinsamen Anstrengungen eine Grundlage geben können. Dafür bedanke ich mich. Wir werden uns selbstverständlich seitens der Landesregierung bemühen, an diese Punkte anzuknüpfen.

Meinerseits betone ich noch einmal, dass das, was an Tönen da und dort im Wahlkampf aufgekommen ist, mit dieser Debatte beendet sein sollte. Das ist von den verschiedenen Seiten betont worden. Von meiner Seite aus möchte ich es auch noch einmal betonen.

(Beifall der SPD, der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege Dr. Böhr, mir ist es allerdings wichtig, auf einen Punkt einzugehen, den Sie angesprochen haben. Sie haben bezogen auf ein Zitat deutlich gemacht, dass nicht alle dasselbe wollen sollten, weil ansonsten die Diskussion verkürzt würde und nicht optimale Ergebnisse erreicht werden könnten. Ich sehe das anders. Ich sehe meine Aufgabe darin, überall dort, wo es Chancen gibt, unterschiedliche Interessen in der Gesellschaft in diesem Land Rheinland-Pfalz zusammenzuführen, diese auch zu ergreifen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Mein Eindruck ist, dass eine solche Herangehensweise an die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft von den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes Rheinland-Pfalz auch gewünscht ist und exakt dieses Bemühen, das nicht immer erfolgreich sein kann – das will ich ausdrücklich einräumen –, mit eine Grundlage für die Bestätigung dieser Regierung gewesen ist. Insoweit betrachte ich meine Art und Weise, die politischen Herausforderungen anzugehen, als von den Bürgerinnen und Bürgern durch die Wahl am 25. März ausdrücklich bestätigt.

Ich sage aber auch noch ein Zweites: Ich bitte Sie um Verständnis dafür, dass es nicht Aufgabe einer Regierung sein kann, sozusagen an die Seite zu rücken, damit

für die Opposition Platz zur Profilierung bleibt. Das kann wirklich kein Verlangen sein, das man an uns ernsthaft herantragen kann. Sie sind Herausforderer – das ist in Ordnung und legitim –, aber Sie müssen sich Ihre Spielfelder und Ihre Positionierungen selbst aussuchen und nicht sozusagen auf unserem Buckel reklamieren.

(Starker Beifall der SPD und der FDP – Zurufe des Abg. Wirz, CDU)

Lieber Herr Kollege Wirz, Ihre Zwischenrufe machen deutlich, dass Sie Ihrem Fraktionsvorsitzenden nicht zugehört haben; denn sonst könnten Sie diese Zwischenrufe nicht machen.

(Wirz, CDU: Sie haben nicht zugehört!)

Ich habe sehr aufmerksam zugehört. Davon können Sie ausgehen.

(Keller, CDU: Aber nicht alles verstanden!)

Herr Kollege Keller, wenn ich etwas nicht verstehe, dann kann ich immer noch Sie fragen. In meinen bitteren Stunden denke ich immer daran.

(Heiterkeit und Beifall bei SPD und FDP)

Die Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit, die Sie in diesem Parlament ausstrahlen, ermuntern einen auch, Sie zu fragen.

(Heiterkeit und Beifall bei SPD und FDP – Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

Herr Lelle, ich kann nicht noch freundlicher sein. Das ist doch fast nicht mehr möglich.

Das ist mir schon wichtig, weil meiner Meinung nach das Bemühen der Regierung um einen breiten gesellschaftlichen Konsens für die eigene Politik kein Anlass dafür ist, eine grundsätzliche Kritik an diesem Bemühen zu üben. Das möchte ich nicht so stehen lassen. Deshalb diese Bemerkung.

Dann gab es einen zweiten zentralen Vorhalt, nämlich den der Unverbindlichkeit. Ich weiß, dass man sich natürlich als Oppositionsführer nicht hierhin stellen und die Vorstellungen der Regierung loben kann. Das ist nicht seine Aufgabe. Das respektiere ich natürlich. Ist denn das, was wir zum zentralen Ansatz der Bildung gesagt und auf den Weg gebracht haben, unverbindlich?

(Zuruf von der CDU: Ja!)

Lieber Kollege, auch Ihnen würde es gut tun, wenn Sie aktiv mitmachen, mich aber wenigstens den Satz zu Ende sagen lassen, bevor Sie einen bewertenden Zwischenruf machen. Das sollten wir uns meiner Meinung nach gegenseitig einräumen.

Ist es unverbindlich, wenn ich unterlegt mit Zahlen und Fakten zum Stichwort Unterrichtsausfall gesagt habe: Wir werden die Lehrerfeuerwehren ausbauen. – Ist das unverbindlich oder klar? Wir werden den Schulen 30 Millionen DM pro Jahr zur Verfügung stellen, damit sie aus eigener Kompetenz heraus kurzfristigen Unterrichtsausfall abfedern können. Ist es unverbindlich oder klar, wenn ich Ihnen gesagt habe, dass unser zentrales schulpolitisches Reformziel, nämlich die Ganztagsschule einzuführen, in Schritten mit 30, 70, 100 und 120 Millionen DM in den nächsten Jahren finanziert wird? Selbstverständlich muss ein solches Konzept aufgebaut werden. Kein Mensch kann 300 Schulen auf einmal in diese neue Schulform überführen. Das hat wohl auch niemand ernsthaft erwartet.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, im Übrigen habe ich exakt während der gesamten Wochen des Wahlkampfs gesagt, dass das mit einem Unterschied so ablaufen wird. Wir sind nämlich zu Anfang der Diskussion, die wir natürlich auch verdichtet haben und zu der wir auch genaue Untersuchungen angestellt haben, von 100 Millionen DM an Kosten im Endausbau dieser Entwicklung ausgegangen. Wir wissen jetzt, es bedarf 120 Millionen DM, um diese 300 Schulen in Ganztagsschulform anbieten zu können. Das ist die Abweichung. Unklar? Undeutlich? Unverbindlich? Das kann ich nicht erkennen. Klarer kann man meiner Meinung nach in einer Regierungserklärung solch zentrale Fragen nicht umreißen.

Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen, nämlich unser zentrales Ziel, die Mobilität zu erhöhen. Dazu ist eine verbindliche Zahl – sie ist x-mal genannt worden –, nämlich diese 1 Milliarde DM genannt worden. Wir haben auch deutlich gemacht, auf welche Art und Weise wir diesen Weg gehen wollen. Ich bin froh darüber, dass es offensichtlich auf breite Zustimmung in diesem Hause stößt, sich darüber Gedanken zu machen, effizienzsteigerndere Formen der Unterhaltung und des Baus – in diesem Fall von Straßen, in einem anderen Fall von Hochbauten, in einem dritten Fall der universitären Verantwortung und in einem vierten Fall der Landeskliniken usw. – zu erreichen, indem man auf solche neuen Wege setzt.

Ich finde, das ist klug und in Ordnung. Das ist kein leichter Weg. Der leichtere Weg ist immer, die eingefahrenen Gleise weiter zu befahren und zu sagen: Das geht. Das geht nicht. – Wenn die Gleise allzu eingefahren sind, kann man in der Tat nicht mehr heraus. Jetzt können wir noch heraus. Deshalb werden wir diesen Weg wählen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Unverbindlichkeit war der Vorhalt, der mir gemacht worden ist.

Ich komme zum dritten Punkt, der Inneren Sicherheit. Ich habe Zahlen gestützt auf das genannt, was Herr Kollege Zuber in seinem Haus an Notwendigkeiten und Möglichkeiten ermittelt hat, nämlich wie viele Polizeibe

amtinnen und Polizeibeamten in den kommenden Jahren jeweils in die Ausbildung und wie viele Angestelltenstellen zusätzlich zur Entlastung der gut ausgebildeten Polizistinnen und Polizisten pro Jahr eingestellt werden, nämlich 25. Das ist in Zahlen nachlesbar. Wieso sagen Sie in einem dritten zentralen Bereich unserer Politik das Wort „unverbindlich“?

Zur Arbeitsmarktpolitik, einem vierten zentralen Bereich, ist expressis verbis deutlich gemacht worden, wie wir uns die Mittelstandsförderung als zentralen Teil der Arbeitsmarktpolitik und der Wirtschaftspolitik in diesem Land, die nicht trennbar sind – das ist eine Einheit; das ist überhaupt keine Frage –, vorstellen. Wir stellen sie uns im Wesentlichen nicht anders als bisher vor, weil diese Politik erfolgreich war. Warum soll man eine Politik, die erfolgreich war und die uns hinsichtlich der Gründung neuer Unternehmen in die Spitzengruppe der Länder in Deutschland geführt hat, ändern? Das müssten Sie schon begründen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Am Ende des Jahres bilanziert, steht Rheinland-Pfalz mit 15 Unternehmen gegenüber dem Bundesdurchschnitt von 10 Unternehmen eindeutig in der Spitzengruppe. Ich finde, dann darf man von einem Gründerland Rheinland-Pfalz reden. Diesen Weg wollen wir weiter miteinander gehen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Auch an dieser Stelle gilt – auch das können Sie in der Koalitionsvereinbarung nachlesen –: Nichts ist so gut, dass man es nicht immer wieder überprüfen muss. – Deshalb werden wir natürlich all die Förderprogramme auf den Prüfstand stellen und schauen, ob wir das eine oder andere auch im Licht der Veränderungen, die sich natürlich ergeben – das ist kein statischer, sondern ein dynamischer Prozess in der Wirtschaft –, anpassen, verändern oder neue Akzente setzen müssen. Das ist doch ganz selbstverständlich. Das nehmen wir uns auch vor.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben die Arbeitsmarktpolitik im engeren Sinn angesprochen. Ich bin der Letzte, der die arbeitsmarktpolitischen Anstrengungen auf das reduzieren will, was – der Kollege Mertes hat Recht – manchmal ein bisschen abwertend zweiter Arbeitsmarkt genannt wird.

Natürlich muss zunächst einmal über das Funktionieren der Wirtschaft dafür gesorgt werden, dass Menschen Chancen haben, Arbeit zu bekommen. Das ist ein zentrales Ziel. Wir wissen auch, dass es viele Menschen gibt, die ohne eine besondere Hilfe und Unterstützung nicht in der Lage wären, angebotene Arbeitsplätze anzunehmen oder auszufüllen. Denen müssen wir doch eine Chance und Hilfe geben, damit sie diese Möglichkeiten, die sich eröffnen, auch ergreifen können. Ich finde, dass sich das, was unter der Verantwortung des Kollegen Gerster auf den Weg gebracht worden ist, sehen lassen kann. Wir hätten in Rheinland-Pfalz ohne diese besonderen Anstrengungen 20.000 Menschen weniger in Arbeit.

Meine Damen und Herren, die Arbeitslosenquote würde in Rheinland-Pfalz ohne diese Anstrengungen um 0,6 % höher liegen. Das sind nicht unsere Zahlen, sondern die der Arbeitsverwaltung.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wie gehen wir unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit mit denen um, die besonders benachteiligt sind oder besonders harte Schläge hinnehmen mussten? Ohne diese besonderen Anstrengungen hätten wir 15.000 Menschen mehr in der Sozialhilfe. Deshalb sage ich auch an dieser Stelle: Natürlich werden wir uns Neues einfallen lassen. – Die Beschäftigungsagentur ist ein Beispiel dafür.

Wenn sich jemand hierhin stellt und sagt, euch ist nichts anderes eingefallen als die Beschäftigungsagentur, dann muss man, Frau Kollegin Thomas, schon sagen, dass man nicht gelesen hat, was da steht, oder man hat es bewusst missverstanden. Das finde ich ärgerlich, weil es gegenüber den Menschen zynisch ist, die über „Arbeit statt Sozialhilfe“ und viele andere Programme heute wieder in Arbeit und aus der Sozialhilfe herausgekommen sind. Das sollten Sie sich sagen lassen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Herr Kollege Dr. Braun, es ist nun einmal so. Die Fakten sind so. Die können Sie alle nachprüfen. Ich finde, man darf nicht so tun, als wäre ein Beispiel für das Ganze zu setzen. Das ist unredlich. Das nehme ich jemand ab, der nicht die intellektuellen Fähigkeiten von der Kollegin Frau Thomas hat und sagt: Na ja, es ist halt so. Man kann sich einmal irren. – Sie wissen, was Sie sagen. Davon bin ich überzeugt. Deshalb finde ich, dass es zynisch ist, wie Sie das gemacht haben. Ich erlaube mir, das auch so zu nennen.