Protocol of the Session on August 29, 2002

nen, dass jedem Kollegen und jeder Kollegin in diesem Haus der kollegiale Respekt gebührt. Das sollten wir doch beachten.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Ministerin Conrad wollte nach der ersten Runde das Wort haben.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu Beginn dieser Debatte über Hochwasserschutz und Konsequenzen aus der Überschwemmungskatastrophe an Elbe und Donau darf ich auch namens der Landesregierung den Opfern dieser Katastrophen uns ere ausdrückliche Solidarität und Unterstützung ausdrücken.

(Beifall im Hause)

Diese Solidarität und Unterstützung drückt sich auch dadurch aus, dass wir wie im ganzen Bundesgebiet insbesondere auch in unserem Land eine ungeahnte und überaus große Spendenbereitschaft der Menschen haben. Dafür möchte ich mich namens der Landesregierung ausdrücklich bedanken. Wir sind stolz auf diese Spendenbereitschaft.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich möchte mich bei den Einsatzkräften des Katastrophenschutzes aus unserem Land bedanken, die von Anfang an, inzwischen seit Wochen in diesen Gebieten und jetzt beim Aufräumen und beim Wiederaufbau helfend tätig sind. Ich glaube, sie haben Großartiges geleistet. Wir sind ihnen zu Dank und zu Anerkennung ihrer Leistung verpflichtet.

(Beifall der SPD, der FDP, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Ich möchte auch betonen, dass sich der Ministerpräs ident in der ganz entscheidenden Frage, wie die finanziellen Folgen dieser Hochwasserkatastrophe behandelt werden und welche Konsequenzen die Bundesregierung hier zu ziehen hat, ganz klar positioniert hat, indem er deutlich formuliert hat, dass das Aussetzen der zweiten Stufe der Steuerreform um ein Jahr absolut richtig ist. Dies bedeutet Hilfe sofort und auch eine gerechte, nämlich stärkere Verteilung der Lasten auf die Schultern der Starken als auf die Schultern der Schwachen.

(Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich glaube – diese Fragen sind gestellt worden –, natürlich hat diese Hochwasserkatastrophe etwas mit Klimaveränderungen zu tun. Aber wir können natürlich nicht so tun, als sei das Einzelereignis eine unmittelbare Wirkung einer bestimmten Klimaveränderung. Es ist die Summe und die Zunahme und die Häufung solcher extremer Wetterereignisse, die

im Übrigen von allen Klimaforschern und auch von der Versicherungswirtschaft seit über zehn Jahren prognostiziert worden sind. So überraschend können sie also nicht sein.

Ich will auch sagen, dass sich das Schadenspotenzial so erhöht hat, dass – um Ihnen einmal eine Zahl zu nennen – in den letzten 40 Jahren die Versicherungsleistungen für solche Katastrophen um den Faktor 1.500 erhöht wurden. Damit sieht man, dass damit auch ganz wesentliche ökonomische und soziale Fragen verknüpft sind.

Herr Dr. Braun, natürlich haben Sie Recht – aber das brauchen wir nicht erst heute von Ihnen angemahnt zu haben –, wir müssen eine klimaverträgliche Energiepolitik einleiten. Es gibt hier große Rahmenkonzepte, auch über eine Enquete-Kommission der Bundesregierung. Wir werden in Abstimmung dieser Rahmenkonzepte unsere Hausaufgaben im Land dazu machen. Im Übrigen – ich denke, das können wir morgen bei der Nachhaltigkeitsdebatte diskutieren – sind wir mit unseren Förderprogrammen für erneuerbare Energien auf dem richtigen Weg.

Es wird auch gefragt, ob uns am Rhein eine solche Hochwasserkatastrophe treffen kann. Man muss das eindeutig bejahen. Wir können dies nicht ausschließen.

Die Frage, ob wir am Rhein für eine solche Situation besser gerüstet gewesen wären, kann man zumindest grundsätzlich mit ja beantworten, weil wir durchaus andere Bedingungen vorzufinden haben. Sie zeigen meines Erachtens insgesamt, dass wir mit unserer Politik des Hochwasserschutzes und der Hochwasservorsorge wirklich auf dem richtigen Weg sind.

(Beifall der SPD und bei der FDP)

Die Abflussvergleiche beweisen dies deutlich. Wir haben schon bei Hochwässern vor wenigen Jahren einen höheren Abfluss zum Beispiel in Maxau gehabt, als er jetzt in Dresden an der Elbe aufgetreten ist. Wir können zumindest davon ausgehen, dass unsere Deiche in diesem Zusammenhang nicht gefährdet worden wären. Wir haben im Gegensatz zu der Elbe in den letzten Jahren und – so kann man sagen – seit über hundert Jahren die Deiche kontinuierlich erneuert. Sie haben einen anderen Aufbau und sind technisch stärker ausgelegt.

Wir haben heute zusätzlich Polder einsatzbereit, die ein solches Auflaufen von Hochwasser entlasten. Dennoch sage ich, wir haben natürlich noch einiges zu tun, um am Oberrhein einen 200-jährigen Hochwasserschutz tatsächlich wiederherzustellen. Das ist unser gemeinsames Ziel.

Ich will auch sagen, wir wären auch im Katastrophenschutz, ohne jetzt irgendwelche Vorwürfe an diese jungen Bundesländer richten zu wollen, wahrscheinlich logistisch und durch die lange Zeit der Übung besser ausgestattet und vielleicht an einigen Punkten besser einsatzbereit gewesen, weil wir hier eine kontinuierliche Fort- und Weiterbildung und logistische Ausstattung betreiben, um jederzeit im Katastrophenfall tatsächlich

einsatzbereit zu sein. Wir konnten deswegen mit uns eren Kräften vor Ort eine solche Unterstützung leisten.

(Beifall der SPD und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, natürlich wissen die Menschen an unseren großen Flüssen, aber auch an den Nebenflüssen von Rhein oder Mosel, dass sie sich auf Hochwässer einzustellen haben und wir insgesamt nicht nur wegen dieser Extremhochwässer einen Hochwasserschutz und Hochwasservorsorge zu betreiben haben. Dies war und ist ein ganz herausragender Schwerpunkt der Politik unserer Landesregierung.

Seit 1991 – um Ihnen dies noch einmal zu sagen – haben wir mittlerweile 180 Millionen Euro investiert. Wir haben ein Hochwasserschutz- und -vorsorgekonzept, dem der Landtag im Übrigen 1995 einstimmig zugestimmt hat, welches umgesetzt wird und im Übrigen auf drei Säulen beruht: natürlicher Rückhalt durch Versickerung und Renaturierung, technischer Hochwasserschutz durch Rückhalten und Abwehren und aber auch die Stärkung der Eigenvorsorge durch Hochwassermeldedienst und ein angepasstes Planen und Bauen in Überschwemmungsräumen.

Gerade wenn ich die erste Säule noch einmal darstellen will, haben wir mittlerweile allein über die „Aktion Blau“ an über 1.000 Gewässern mit einer Gesamtlänge von 3.800 Kilometern – das entspricht ungefähr 25 % der gesamten Länge aller Gewässer in Rheinland-Pfalz – Renaturierungsprojekte umgesetzt. Dies ist eine Spitzenleistung im Vergleich aller Bundesländer.

(Beifall der SPD und bei der FDP)

Wir setzen dies raumverträglich und im Konsens und im Dialog mit den Menschen vor Ort ein. Ein Beispiel wäre das Naheprogramm, welches ganz intensiv mit der Landwirtschaft diskutiert worden ist, um eine standortgerechte Landnutzung auch noch in Überschwemmungsgebieten zu ermöglichen.

In der zweiten Säule des Hochwasserschutzes müssen wir auf der einen Seite jedem sagen: Wir haben Nachholbedarf, weil bis in die 70er-Jahre durch die Staustufen am Oberrhein der ursprünglich 200-jährige Hochwasserschutz auf einen 50-jährigen Hochwasserschutz reduziert worden ist. Natürlich habe ich zunächst einmal Verständnis – laienhaft stellt man sich das vielleicht so vor –, dass man glaubt, durch die Erhöhung der Deiche jetzt sofort wieder einen 200-jährigen Hochwasserschutz herstellen zu können. Das geht nicht. Erstens einmal hat der Mittelrhein schon eine riesige Vorbelastung durch den Ausbau und die Eindeichung des Rheins im letzten Jahrhundert zu ertragen.

Wenn man zweitens jetzt erhöhen würde, gibt es Studien, dass dann am Mittelrhein das Hochwasser noch einmal um bis zu 80 Zentimeter ansteigen würde. Dann würde es nicht nur in den Erdgeschossen, sondern bereits im ersten Stock stehen, und das Schadenspotenzial wäre geradezu dramatisch.

Im Übrigen – um das auch zu sagen – gibt es bereits seit 1991 ein Deichhöheabkommen, auf das sich die

Länder Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen verständigt haben.

(Kramer, CDU: Unter CDU-Regierung – Pörksen, SPD: Na und? Kleinkariert!)

Wir wollen dies von unserer Seite auch nicht verletzen. Das heißt nicht, dass wir am Oberrhein nichts tun, aber das ist der Zusammenhang, weswegen wir Rückhalteräume schaffen müssen, auch und gerade durch Polderbau, weil dort die Überschwemmungsmassen und Flächen sind, die verhindern, dass der Pegel über eine bestimmte Marke ansteigt. Das ist ein Gesamtkonzept. Deswegen geht am Polderbau absolut nichts vorbei.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wir haben in den internationalen Abkommen 44 Millionen Kubikmeter Retentionsraum versprochen. Wir haben ca. 18 Millionen Kubikmeter Rückhalteraum mittlerweile geschaffen. Drei Polder sind einsatzbereit: Daxlander Au, Flotzgrün und Kollerinsel. – Auch die Deichrückverlegung Worms-Bürgerweide ist betriebsbereit.

Ich muss auch dazu sagen, wir wären weiter, wenn wir nicht an anderen Stellen wirklich immer wieder Klagen gegen diese Maßnahmen hätten.

An dieser Stelle will ich auf die aktuelle Diskussion eingehen. Herr Böhr, ich finde es in Ordnung und bedanke mich ausdrücklich auch vonseiten der Landesregierung für die Unterstützung, die Sie unserem Konzept damit zukommen lassen, dass Sie bei Ihrem Gespräch mit der CDU-Fraktion von Hessen einen Solidarbeitrag im Sinn eines Hochwasserschutzes durch Vorsorge oder Polderbau in Hessen eingefordert haben. Ich kann nur noch einmal verstärken, was Frau Schleicher-Rothmund eben angesprochen hat, ich habe genauso die Bitte, das, was Sie dort fordern, was Sie von uns an Umsetzung einfordern – auch Herr Abgeordneter Licht hat das eben noch einmal getan –, dann auch in Ihrer Partei vor Ort so zu kommunizieren, dass man wirklich nicht sagen kann, in Mainz fordern sie, aber vor Ort verhindern sie nach dem Sankt-Florians-Prinzip. Das ist keine Glaubwürdigkeit.

(Starker Beifall der SPD und vereinzelt Beifall bei der FDP – Zurufe der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und Kramer, CDU)

Ich möchte zum Schluss noch kurz auf das eingehen, was die GRÜNEN von uns gefordert haben. Auch dort liegen Sie um einiges falsch. Sie sagen nicht „Polderbau“, sondern Sie sagen „mehr Rückhalteraum durch Deichrückverlegung“. Das ist nicht mehr möglich. Wo das möglich ist, tun wir das. Wir können die Menschen nicht von dort umsiedeln, wo sie in den letzten Jahren gesiedelt haben. Deswegen müssen die Polder das ersetzen, was durch Deichrückverlegung nicht mehr machbar ist.

Im Übrigen bräuchten sie für die Deichrückverlegung, wenn sie denselben Effekt haben wollten, die vier- bis

zehnfache Fläche. Dadurch wird die Unglaubwürdigkeit oder Nichtdurchsetzbarkeit ihrer Forderung deutlich.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will noch einmal die Frage ansprechen, die jetzt eine Rolle spielt. Natürlich werden wir auch Deiche ertüchtigen. Wir sind kräftig dabei. Das Programm läuft bis 2009.

In Richtung Hessen will ich die Botschaft schicken: Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen der Landesregierung in Hessen, es ist Zeit, auch in Hessen die Konsequenzen aus den Hochwasserkatastrophen an Elbe und Donau zu ziehen und Ihren Solidarbeitrag im Sinne eines Polderbaus, von mir aus bei Trebur oder auf anderen Flächen, zu leisten. Wir sind gesprächsbereit. Es kann nicht sein, sich nur kostenmäßig zu beteiligen. Im Übrigen befinden wir uns ständig im Briefwechsel und im Gespräch mit Hessen. Wir haben unsererseits auch angeboten, dass wir uns in Hessen sogar finanziell beteiligen würden. Ich würde mir durch einen solchen Solidarbeitrag versprechen, dass es leichter wäre, auch auf der rheinland-pfälzischen Seite die Kommunen und auch die Menschen vor Ort davon zu überzeugen, dass sie mit Restriktionen und Einschränkungen leben müssen. Aber das ist nur dann machbar, wenn man nicht sagen kann, die drüben machen nichts. Solidarität ist also auch an dieser Stelle keine Einbahnstraße.

(Beifall der SPD und bei der FDP)

Ich habe gesagt, es bedarf dreier Säulen. Wir haben einen gut ausgebauten Hochwassermeldedienst. Aber – ich komme sicherlich auf ein Thema zu sprechen, das uns allen am Herzen liegt – wir haben in der letzten Zeit vielleicht nicht mehr so die Akzeptanz dafür, dass man in Überschwemmungsgebieten nicht so bauen kann, wie man das möchte. Dies kommt nicht zu spät, sondern zur richtigen Zeit, weil wir in ein richtiges Klima hineinkommen. Deswegen habe ich auch mit Herrn Kollegen Zuber und Herrn Kollegen Mittler abgestimmt, dass wir zu einer solchen Gesprächsrunde, einem runden Tisch, mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Kammern einladen, um eine größere Verbindlichkeit in der Umsetzung eines hochwasserangepassten Planens und Bauens vor Ort bekommen zu können. Ich bin zuversichtlich, dass wir dies erreichen können.

Meine Damen und Herren, wir sind weiter, als die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das in einer Presseerklärung dargestellt hat.

Wir haben solche Überschwemmungsgebiete nicht erst bei etwas über 200 km festgesetzt, wie Sie dies geschrieben haben, sondern bei weit über 2000 Flusskilometern.

(Zuruf des Abg. Licht, CDU)

Ich denke, dass wir dies zusammen mit den Gemeinden in Zukunft zügig weiter betreiben wollen.