Ein besonders peinliches Beispiel dieser Art von Politik war die Pressekonferenz zur Justizsituation am 16. August. Ich lese Ihnen einmal den Eingangssatz Ihrer Tischvorlage vor:
„Ministerpräsident Beck hat sich in der Vergangenheit für die Justiz des Landes nur interessiert gezeigt, wenn es galt, treue Parteigänger in der Justiz des Landes zu versorgen bzw. für ihn unbequeme Bewerber in wichtigen Positionen zu verhindern.“
Eine spannende Frage ist: Würden Sie das nach dem, was gestern Herr Puderbach gesagt hat, immer noch unterschreiben? – Ich glaube nicht.
Ich denke, dass dieser Ministerpräsident ganz behutsam und ganz sorgfältig mit der Justiz umgeht. Ich würde mir bei anderen Ministerpräsidenten in Bezug auf den Justizbereich auch wünschen, dass sie so sensibel damit umgehen wie unser Ministerpräsident.
„Der zuständige Minister Mertin ist nur noch ein willfähriger Vollstrecker einer Sparpolitik ohne Sinn und Verstand, die eine noch funktionierende Justiz schrittweise in die Handlungsunfähigkeit befördert.“
Auch dazu möchte ich Ihnen ein Zitat von Herrn Werner, dem Landesvorsitzenden des Deutschen Richterbundes, vorlesen. Er schreibt dem Justizminister am 12. Juni: „Ich will Ihnen gerne attestieren, dass Sie sich bei den Haushaltsberatungen achtbar geschlagen haben.“
Jemand, der sicherlich zu den Kritikern unserer Haushaltsmaßnahmen gehört, sagt, der Justizminister habe sich achtbar geschlagen. Es kann nicht so sein, wie Sie es versuchen darzustellen, und es ist auch nicht so. Sie reden die Justiz aus kleinkariertem parteipolitischem Interesse kaputt.
Sie beschädigen damit das Vertrauen der Bevölkerung in unseren Rechtsstaat. Sie argumentieren mit falschen Zahlen und falschen Tendenzen. Ich möchte dies an zwei Beispielen deutlich machen:
Wenn Sie die Verfahrensdauern von den Amtsgerichten über die Landgerichte bis hin zum Oberlandesgericht betrachten, so haben sie sich von 1997 bis 2000 bis auf eine Ausnahme tendenziell überall verkürzt. Diese Ausnahme sind die Revisionsverfahren an den Oberlandesgerichten. Bei den normalen Straf- und Zivilverfahren ist überall ein Rückgang, zum Teil sogar ein deutlicher Rückgang, zu verzeichnen. Das widerspricht also dem, was Sie an Panik verbreiten wollen.
Das zweite Beispiel ist das Verhältnis zwischen Arbeit und dem Bedarf nach Arbeit in den Justizvollzugsanstalten. Sie tun gerade so, als ob den Häftlingen die Arbeit vorenthalten würde. Wenn Sie sich einmal die genauen Zahlen anschauen, insbesondere bei dem Projekt „Schwitzen statt Sitzen“, können Sie zu diesem Ergebnis nicht kommen, es sei denn, Sie nehmen ein einziges Jahr heraus, in dem es rückläufig war. Aber das gibt keine Tendenz wieder, wenn man ein einzelnes Jahr herausgreift.
Sie verweisen auf Scheinerfolge in CDU-Ländern. So halten Sie uns beispielsweise immer wieder vor, wie gut es in Baden-Württemberg im IT-Bereich sei und wie gut vernetzt man dort sei.
Als zweites Beispiel preisen Sie Hessen mit seinen Fußfesseln als Entlastungsmöglichkeit für die Haftanstalten an. Sie verschweigen dabei, dass dies in Hessen als Versuch für Bewährungstäter eingeführt wurde. Aber es ist Schaumschlägerei, den Menschen, die eine Strafe auf Bewährung haben, eine Fußfessel anzuhängen und zu behaupten, damit habe man eine Entlastung der Justizvollzugsanstalten erreicht. Dies gibt nicht wieder, was wirklich mit Fußfesseln bezweckt werden soll. Sie können jede Statistik manipulieren, wenn Sie „sichere“ Täter nehmen und es an ihnen so dokumentieren wollen, wie Sie es in Hessen tun.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Creutzmann, ich hoffe, das, was Sie vorgetragen haben, war nicht der erste Teil des Sprechvermerks des Ministers, weil niemand geklatscht hat. Aber vielleicht kommt es hinterher noch. Ich weiß es nicht, wir werden es sehen.
Ich könnte es mir einfach machen. Wir diskutieren über den Bereich der Justiz, und ich könnte einfach alles bestreiten, was Sie gesagt haben.
Herr Mertes, wenn ich es mir so einfach machen würde, wäre ich nicht sogar in den Ferien nach Koblenz gefahren und hätte mir das angehört.
Kommen wir einmal zur Sache: Gestern erst habe ich selbst meinen „Schönfelder“ einsortiert. Als Anwalt muss ich dies tun, um am Arbeitsplatz immer auf dem aktuellsten Stand zu sein; denn ich hafte den Rechtsuchenden für meine Auskunft.
Das kann bei Richtern, die Urteile im Namen des Volkes sprechen, nicht anders sein. Dabei geht ein Verweis auf andere Textquellen und Recherchen der aktuellen Gesetze vor allem über das Internet natürlich ins Leere. Zum einen ist die Praktikabilität in Verhandlungen nicht gegeben, zum anderen – dies ist sehr bezeichnend – sind in der ordentlichen Gerichtsbarkeit nach Auskunft des Ministeriums selbst erst bereits 37 % der Richterarbeitsplätze überhaupt vernetzt.
Deshalb frage ich Sie im Ernst: Wie können Sie der Meinung sein, dass die Justiz effektiv arbeitet, wenn es an der wichtigsten Arbeitsgrundlage, den Gesetzen, fehlt?
Wenn jetzt schon von Richtern mitgeteilt wird – das weiß ich aus eigener Erfahrung –, dass sich die Verfahrensdauern aufgrund der von der Landesregierung beschlossenen Kürzungen im Personalhaushalt um acht bis zwölf Wochen verlängern, wie wird es dann erst sein, wenn aktuelle Gesetze von Richtern im Haus gesucht werden müssen?
Aufgrund der kurzen Redezeit möchte ich beispielhaft zusätzlich noch eine prekäre Situation der Rechtspfleger ansprechen. Darauf sind wir im Übrigen bei der letzten Pressekonferenz gar nicht ausführlich eingegangen, weil es eine Flut von Dingen gibt. Daher müssen wir wahrscheinlich noch einige Pressekonferenzen machen. Ich werde also kurz auf die prekäre Situation der Rechtspfleger eingehen.
Für die Rechtspfleger der Justiz in Rheinland-Pfalz bedarf es dringend einer deutlich besseren Bezahlung. Die niedrige Eingangsbesoldung hält immer mehr Abiturienten davon ab, das dreijährige Fachhochschulstudium aufzunehmen. Damit besteht die Gefahr, dass die ohnehin schon viel zu geringen Planstellen künftig längst nicht mehr besetzt werden können, und dies bei einer unaufhörlich steigenden Arbeitsbelastung. Derzeit muss jeder Rechtspfleger rund 60 % mehr Aufgaben erledigen als vorgesehen. In einzelnen Bereichen, beispielsweise bei Insolvenzverfahren, wird das Pensum sogar noch
höher. Aufgrund des Personalmangels steigt folglich die Bearbeitungszeit von Anträgen oder Genehmigungen deutlich.
Das kann und darf ich so nicht hinnehmen. Herr Minister, ich darf im Übrigen auf Ihre Antrittsrede bei der Staatsanwaltschaft in Frankenthal verweisen, die Justiz könne sich mit der Anwaltschaft arrangieren und sich dort zur Ausmusterung anstehende Fachliteratur besorgen.
Herr Minister, ist es also schon von Anfang an geplant gewesen, an der falsche Stelle zu sparen, nämlich an der für Juristen entscheidenden Frage der Arbeitsmittel? Daraus müssen wir schließen, dass Sie sich bezüglich der jetzigen Einsparungen nicht richtig gewehrt haben.
Ist das Ihre Auffassung? Sind Sie etwa auch im Rahmen Ihrer Anwaltstätigkeit als edler Spender der örtlichen Gerichte aufgetreten? Immer noch sind wir nicht am Ende der Kuriositäten angelangt. Dass Richter nunmehr Fließbandarbeit leisten und teilweise über 700 Verfahren abzuarbeiten haben, ist die Regel. Dies wird dadurch deutlich, dass zwei Richter die Arbeit von drei Richtern zu erledigen haben. Dass nicht einmal Geld für Porto sichergestellt ist, ist der Gipfel. Dies war im Übrigen kein Wahlkampfgetöse der CDU, wie es der Justizminister behauptet,
sondern die nüchterne Feststellung eines Landgerichtspräsidenten. Wir dürfen daran erinnern, angeblich ist die Justiz schwarz und gelb gefärbt. Warum sollten wir dann ausgerechnet die Gelben angreifen? Das macht doch keinen Sinn.
Wenn behauptet wird, die finanziellen Mittel für das Porto würden zur Verfügung gestellt, lässt dies den Schluss zu, dass ohne das ständige Geklappere der Opposition oder das mutige Eintreten der Verantwortlichen aus der Justiz vor Ort vielerorts die Funktionsfähigkeit nicht mehr oder kaum noch gegeben wäre. Sie sollten an dieser Stelle allen in der Justiz Beschäftigten deshalb für ihren grandiosen und weit über das normale Maß hinausgehenden Arbeitseinsatz danken.
Doch irgendwann können diese herausragenden Leistungen die bestehende Misere nicht mehr kompensieren. Sehen Sie sich nur den verbreitet wachsenden Krankenstand an, der im Übrigen alle Dienstgruppen betrifft.
Ich komme gleich zum Schluss. An diesem Punkt sind wir jetzt. Herr Minister, dies liegt leider ausschließlich in Ihrem persönlichen Verantwortungsbereich. Damit Sie nicht der Meinung sein können, es handle sich um Wahlkampfgetöße, können Sie sicher sein, dass wir auch nach der Wahl weiter Gerichte besuchen werden.
Nachdem wir Sie in fachlicher Hinsicht sehr schätzen, was wir ausdrücklich betonen wollen, fordern wir Sie auf, sich vehement gegen die Einsparungen zur Wehr zu setzen. Sie können sich dann unserer Unterstützung sicher sein.
Nein. Jetzt müssen Sie wirklich Schluss machen. Sie haben deutlich Ihre Redezeit überzogen. Sie haben gleich noch Zeit, wenn Sie das möchten.
Wir können das gerne gleich machen, dass ist mir egal. Es hieß vorher, wir würden heute Bezug auf das Gestrige nehmen. Das werde ich dann tun.