Protocol of the Session on June 19, 2002

Bevor Sie in Ihrem Pressetext auf diese Affären zu sprechen gekommen sind, versteigen Sie sich zu einer Behauptung, die ich für schlichtweg unverschämt halte. Sie behaupten, im Land Rheinland-Pfalz sei die Bekäm pfung der Korruption nur halbherzig. Es fehlen alle Beweise dafür. Es sind bloße Unterstellungen, nicht mehr und nicht weniger. Ich kann nicht erkennen, dass das so wäre.

Im Übrigen sind wir glücklicherweise nicht eine Hochburg der Korruption. Ich sage glücklicherweise. Wenn ich mir umliegende Bundesländer oder Ballungsräume anschaue, dann ist dies dort ein ganz anderes Thema als bei uns in Rheinland-Pfalz, was nicht heißen soll, dass wir die Augen verschließen oder wegschauen sollen.

(Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haben Sie noch ein Argument?)

Worum geht es bei der ganzen Angelegenheit? Es geht darum, dass Transparenz von Verwaltungsvorgängen Vertrauen schafft. Es geht auch darum, dass Transparenz der beste Schutz gegenüber Gesetzesverstößen sein kann. Ich möchte gar nicht von Korruption reden, sondern generell von Gesetzesverstößen. Das ist im Übrigen auch ein Schutz gegenüber sachfremden Entscheidungen.

Transparenz bei Verwaltungshandeln kann im Übrigen auch Schutz der Verfahrensbeteiligten bedeuten. Auch diese Fälle mag es geben, insbesondere dann, wenn man später bei der Staatsanwaltschaft oder wo auch immer landen sollte.

Aber der Transparenz sind Grenzen gesetzt. Sie haben hier über eine Grenze längere Ausführungen gemacht, nämlich über den Datenschutz. Ich denke, wir sind uns in diesem Punkt alle einig, ohne dass wir ihn als Ausrede gebrauchen dürfen.

Eine andere Grenze ist die Funktionsfähigkeit von Verwaltung. An dieser Ecke eiern Sie in Ihrem Gesetzentwurf. In der Enquete-Kommission, die wir im Landtag vor einigen Jahren zur Parlamentsarbeit hatten, haben wir in diesem Punkt Auseinandersetzungen gehabt. Natürlich wollen wir Transparenz gegenüber jeder Verwaltung, ob in Kommunen, im Land oder im Bund, gar keine Frage. Aber es muss mit der Transparenz auch immer so organisiert werden, dass die Verwaltung noch vernünftig arbeiten kann.

Wenn Sie aus dem Gesetz von Nordrhein-Westfalen herausschneiden, dass Entwürfe von der Einsicht ausgenommen sind, dann zeigt mir dies, wohin der Weg geht. Sie wollen nicht mehr, dass in der Verwaltung über bestimmte Dinge nachgedacht wird, ohne dass sie später Gesetzesfolgen nach sich ziehen müssen, ohne dass sie später konkretes Verwaltungshandeln bedeuten. Das bloße Andenken von Dingen wollen Sie gleich dem Zugriff der Öffentlichkeit preisgeben, dies mit der Folge, dass möglicherweise nicht mehr so breit nachgedacht wird, wie dies wünschenswert wäre. Das kann nicht Sinn eines solchen Gesetzes sein.

Wenn man jegliches Handeln in Verwaltungen unterlaufen möchte, dann kann man dies so in das Gesetz hineinschreiben, wie Sie es machen. Dann kann man das Gesetz von Nordrhein-Westfalen so abändern, wie Sie es für sinnvoll halten.

(Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jetzt machen Sie einmal Vorschläge!)

Wir halten es nicht für sinnvoll. Wir bleiben bei unserer Position, die wir damals in der Enquete-Kommission eingenommen haben.

Wenn Sie bei uns im Landtag einen solchen Gesetzentwurf präsentieren und dies ein halbes Jahr machen, nachdem das Gesetz in Nordrhein-Westfalen in Kraft getreten ist, dann stellt sich natürlich schon die spannende Frage, warum Sie nicht noch ein bisschen länger gewartet haben, bis man erste Erfahrungen aus Nordrhein-Westfalen mit dem Gesetz einbeziehen konnte. Wenn ich schon abschreibe, dann möchte ich mir auch die Erfahrungswerte aus dem Land zunutze machen, von dem ich abschreibe. Dass Sie in NordrheinWestfalen jetzt schon nach wenigen Monaten Erfahrungswerte haben, wage ich zu bezweifeln. Es kann noch keine nennenswerten Erfahrungen im Alltag von Nordrhein-Westfalen geben.

Eine weitere Frage ist im Übrigen, warum nicht abgewartet wird, bis es eine bundeseinheitliche Regelung

gibt. In diesem Punkt sind wir nicht so schnell vorwärts gekommen, wie Sie und wir das wollen, sich möglicherweise auch andere wünschen. Es ist aber nicht so, dass dies in Berlin für alle Zeit beerdigt wäre. Es ist nur in dieser Legislaturperiode nicht zu dem Gesetz gekommen. Das Gesetz ist aber weiterhin in Berlin auf der Tagesordnung. Ich halte es schon für wünschenswert, dass wir in diesem Bereich zu einer bundeseinheitlichen Regelung kommen.

Glauben Sie wirklich, es sei in Bezug auf Bürgerfreundlichkeit ein großer Beitrag, wenn Sie für jede Ebene andere Regelungen der Akteneinsicht, der Transparenz usw. haben, für Kommunen und das Land landesgesetzliche Regelungen, für den Bund bundesgesetzliche Regelungen. Ich glaube nicht, dass Sie damit den Menschen wirklich das geben, was Sie ihnen versprechen. Ich denke, das sind Steine für Brot.

Wenn Sie, wie Sie es in Ihrer Presseerklärung schon gemacht haben, noch einmal darauf verweisen, dass wir keinen Obrigkeitsstaat wollten und davon Abschied nehmen müssten, dann spricht dies von einer unglaublichen Unkenntnis in Bezug auf die Gesetze, die wir schon seit Jahren haben und die nicht erst von Sozialdemokraten geschaffen werden mussten. Diese wurden von allen großen Parteien in den letzten Jahren immer wieder entsprechend geändert und fortgeschrieben. In diesem Punkt gibt es einen breiten Konsens quer durch alle Parteien. Wenn Sie sich einmal das Baurecht anschauen und sehen, welche Rechte im Baurecht in Bezug auf die Bevölkerung beispielsweise bei dem Zustandekommen von Bebauungsplänen und anderen Dingen verankert sind, dann sehen Sie, die Bevölkerung muss frühzeitig einbezogen werden, nicht erst bei der Auslegung, sondern schon bei der Anhörung, die der Auslegung vorausgeht. Sie können doch nicht im Ernst so tun, als ob wir bei solchen Dingen noch auf der Höhe des Obrigkeitsstaates wären. Davon haben wir schon lange Abschied genommen.

(Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das habe ich nicht gesagt!)

Sie sollten dann nicht mit solchen Keulen kommen und damit die Diskussion bestreiten.

Ich komme zu dem Ergebnis all dessen, was wir als Position zu dem haben, was Sie uns auf den Tisch gelegt haben. Wir sind an der Diskussion über ein solches Gesetz interessiert. Wir sind auch daran interessiert, dass es in absehbarer Zeit zu gesetzlichen Regelungen kommt. Wir halten das, was Sie in verkürzter Form von Nordrhein-Westfalen abgeschrieben haben, nicht für der Weisheit letzter Schluss. Weil wir aber an vernünftigen Ergebnissen interessiert sind, stimmen wir zu, dass der Gesetzentwurf an den Ausschuss überwiesen wird. Dort können wir die Diskussion vertiefen. Ich bin sicher, dass wir in absehbarer Zeit weitere Regelungen finden werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Baldauf das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es wird mir wahrscheinlich schwer fallen, die zehn Minuten Redezeit auszunutzen.

(Pörksen, SPD: Dann lassen Sie es doch einfach!)

Ich denke, es ist in den Ausschusssitzungen noch sehr viel zu besprechen. Herr Kollege Pörksen, ich werde mich daran orientieren und danach richten, weil Sie mein großes Vorbild sind.

(Heiterkeit bei der CDU)

Wenn man den Antrag sieht, dann scheint es zunächst einmal so zu sein, dass mit dem heutigen Gesetzentwurf scheinbar zum ersten Mal versucht wird, umfassend Informationen ins Leben zu rufen. Mit diesem Gesetz soll endlich der bisher uninformierte Bürger geschützt und gegen die doch scheinbar so böse Obrigkeit mündig gemacht werden.

Aber gerade im Zeitalter der immer wieder propagierten Deregulierung muss man sich besonders bei der Verabschiedung von neuen Gesetzen mehr denn je fragen, was diese für Fortschritte bedingen werden und wem sie überhaupt helfen. Ansonsten ist ein Gesetz schlicht überflüssig.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jetzt bin ich aber einmal gespannt auf die Bewertung!)

Wenn man die vorliegende Drucksache zur Hand nimmt, dann stellt man fest, dass bei 14 Paragraphen unter Einrechnung des so wichtigen Paragraphen des In-KraftTretens allein vier Paragraphen komplett das Informationsrecht einschränken, dies auch noch leider denkbar unkorrekt und unkonkret. Dann kommen noch § 5 Abs. 4 und § 2 hinzu, die teilweise zusätzlich einschränken. Das ist wahrlich ein großer Wurf in Richtung Befriedigung des Informationsinteresses.

Man fragt sich: Warum sollen individuelle Rechte plötzlich allgemein ausgeweitet werden? Man stelle sich dies einmal in der Praxis vor. Gebrauch machen werden von solchen Vorschriften vor allem diejenigen, die schon immer einmal mehr über andere wissen wollten. Damit wird unserer Einschätzung nach auch dem Denunziantentum Tür und Tor geöffnet. Verdeutlicht man sich dies beispielsweise an der Fragestunde in den örtlichen Gemeinden, die in der Regel durch einen ganz geringen Anteil der beteiligten Bürger genutzt wird, so kann man davon ausgehen, dass Personen, die auf Informationen

scharf sind, immer einige wenige und immer die gleichen sein werden.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Meine Güte, es geht um Verwaltungs- handeln und nicht um das Aufspüren Ihres Liebeslebens!)

Oder wollen die GRÜNEN vielleicht erreichen, dass die Dateien über Personen, die bei Castor-Transporten auffällig geworden sind, allen zugänglich gemacht werden? Wenn die Antragsteller für ein erweitertes und für alle mögliches Informationsangebot eintreten, dann werden Sie sicherlich nicht die Einwilligung zur Veröffentlichung dieser Daten verweigern.

Was wird eigentlich mit diesem Entwurf anders geregelt als das, was wir schon jetzt haben?

(Glocke der Präsidentin)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Wiechmann?

Wenn sie nicht länger als fünf Sekunden dauert, ja.

(Pörksen, SPD: Die Einschränkung ist nicht zulässig!)

Herr Kollege Baldauf, Sie haben die Castor-Dateien erwähnt. Haben Sie unseren Gesetzentwurf tatsächlich gelesen, in dem steht, natürlich sind staatsanwaltschaftliche Ermittlungen ausgenommen? Das ist vollkommen klar, das steht da drin.

Sofern Sie entsprechende Maßnahmen ergreifen. Darauf komme ich gleich. Das steht auf der Seite vier meines Konzepts. Entschuldigung. Aber ich werde es natürlich nachholen. Ich mache im Skript weiter und antworte Ihnen dann.

Wenn alle Bürger über alles umfassend informiert werden sollen, wofür brauchen wir dann noch Entscheidungsgremien wie Kommunalräte und das Parlament, wo man als Abgeordnete die Informationen erhält, die alle erhalten sollen? Wo bleibt der Individualismus, der Datenschutz bei bedingungsloser Offenlegung von Informationen ohne vorherige Prüfung berechtigter Interessen? Oder meinen die Antragsteller, dass unser System falsch sei? Dem muss ich ausdrücklich widersprechen.

Meine Damen und Herren, damit wir nicht falsch verstanden werden, auch die CDU bekennt sich nachhaltig zur Ausweitung des Zugangs zu Informationen, wie es zum Teil in Nordrhein-Westfalen mit getragen wurde, allerdings nur dann, wenn für den zu Informierenden auch ein berechtigtes persönliches Interesse besteht. Da liegt der gravierende Unterschied zu Ihrem Gesetzentwurf.

Dies wurde im Übrigen auch in den anderen Bundesländern, in denen das Thema teilweise zeitgleich debattiert wird, so von der CDU vertreten. Eine Verbesserung der Informationsmöglichkeit durch das vorliegende Gesetz erkennen wir m omentan nicht.

So ist beispielsweise in § 2 Abs. 2 die Abgrenzung im Bereich der Justiz mehr als schwierig. Das ist das mit der Staatsanwaltschaft. Lediglich Richter sind unabhängig. Deshalb sind die weiteren Einschränkungen nicht zu verstehen.

Nach § 4 soll jede Person ein Informationsrecht haben, gleich welcher Vorgeschichte und ohne Einschaltung eines Leumunds in besonderen Fällen. Eine Vorprüfung findet nicht statt.

Die Amtsverschwiegenheit soll entfallen. Warum eigentlich? Es gibt genügend Instrumentarien in der jetzigen Gesetzessystematik, die auch bei Beibehaltung der Amtsverschwiegenheit Informationen zugängig m achen.

Es gibt keine Kostentragungspflicht für die Antragsteller. Damit ist der mutwilligen Antragstellung Tür und Tor geöffnet, ganz zu schweigen von den Kosten, die auf die Behörden zukommen. Die Verwaltungen gerade auf kommunaler Ebene sind jetzt schon auch aufgrund von Übertragung weiterer Aufgaben durch die Landesregierung ohne personellen Ausgleich überlastet. Wie sollen dann entsprechende Anträge binnen zehn Tagen bearbeitet werden, wenn man davon ausgeht, dass die gesamte Bevölkerung gerade in prekären Situationen den Informationsanspruch in Anspruch nehmen wird? Oder gehen die Antragsteller davon aus, dass die Verwaltungen über Überkapazitäten verfügen oder nur wenige von dem Informationsrecht Gebrauch machen werden? Dann brauchen wir das Gesetz aber nicht. Hier wird ein enormer zusätzlicher bürokratischer Aufwand die Folge sein.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in § 5 wollen die Antragsteller die mündliche Antragstellung zulassen. Sollen damit weitere Rechtsstreite über die Tatsache der Antragstellung ausgelöst werden? Welche Konsequenzen bestehen, wenn nicht rechtzeitig Auskunft erteilt wird? Beabsichtigt ist mit der Zehn-Tage-Regelung schnell Information zu erhalten. Wie wollen dies die Antragsteller praktisch durchsetzen?