Protocol of the Session on May 16, 2002

Es sei also eine qualifizierte Wahrnehmung und Erweiterung des Bildungsauftrags in allen Handlungsfeldern der Kinder- und Jugendhilfe anzustreben.

Wenn wir heute diskutieren – wir haben dies auch im Ausschuss schon getan –, sollten wir es unter der Prämisse tun: Wie können wir Tagespflege und Kindertageseinrichtungen qualifizieren, weiterentwickeln und kombinieren, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Kinder und Eltern gut gelingen kann? – Das ist die entscheidende Frage.

In diesem Sinn können wir als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beiden Anträgen nicht zustimmen. Sie haben leider zu wenige umfassende Forderungen. Deswegen werden wir uns bei den Anträgen enthalten.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frau Pepper, SPD: Wir wollen es umsetzen, nicht nur fordern! Das ist der Unterschied!)

Ich erteile nun Frau Abgeordneter Morsblech das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Frau Schneider-Forst, ich habe mich eben sehr gefreut; denn ich habe gestern eine sehr waghalsige Wette um die 18 % für die FDP abgeschlossen und bin jetzt froh, dass Sie fünf Minuten Ihrer Redezeit dazu genutzt haben, auf dem Weg zur 18 für uns zu werben. Vielen Dank dafür.

(Beifall bei der FDP)

Es ist nur schade, dass Sie irgendwann wieder auf eigene Positionen umgeschwenkt sind, mit denen man sich nun kritisch auseinander setzen muss.

Ich möchte gern auf Frau Kollegin Thelen, die ich momentan nicht mehr sehe, reagieren, die hinterfragt hat, was die Modellprojekte, auf die ich gleich noch näher eingehen werde, gebracht haben, aber die auch hinter

fragt hat, weshalb man in Rheinland-Pfalz nicht die Investitionen tätigt, die in Baden-Württemberg für die Tagespflege getätigt werden. Wenn man in BadenWürttemberg näher hinsieht, ist man dort mit Hort- und Krippenplätzen nicht auf demselben Stand wie Rheinland-Pfalz; dort werden auch keine Ganztagsangebote an Schulen in dem Ausmaß gemacht, wie sie in Rheinland-Pfalz stattfinden, und dort werden für die Träger auch keine finanziellen Anreize in den Kindertagesstätten geschaffen, um dort die Ganztagsbetreuung zu gewährleisten. Man muss sich überlegen, wo man anfängt zu investieren. Gleichzeitig macht man das dort alles auch nicht, und so redlich muss man in dieser Diskussion sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine der wichtigsten familien- und auch bildungspolitischen Diskussionen, die wir in diesem Landtag zurzeit führen, ist mit Sicherheit der Aufbau der flächendeckenden Angebote zur Kindertagesbetreuung. Alle im Landtag vertretenen Fraktionen sind sich im Konsens darüber einig und bewusst, dass Erziehungs- und Bildungsangebote, die über das hinausgehen, was wir bisher anbieten, gerade in den jungen Lebensjahren unabdingbar für unsere Kinder sind und wir in diesem Bereich noch Aufgaben zu bewältigen haben. Ich denke, dies ist ein breiter Konsens, der besteht.

Frau Kollegin Schneider-Forst, man muss dies leider ganzheitlich betrachten, was Ihrer Fraktion nicht passt, und alle Formen der Tagesbetreuung mit einbeziehen, über die wir hier diskutieren, wenn wir über Ihren Antrag und den Antrag der SPD-Fraktion sprechen.

Es ist zu begrüßen, dass neben dem Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, der in Rheinland-Pfalz als erstem Bundesland vollständig umgesetzt wurde, die Finanzierung der Anteile der freien Träger durch das neue Kindertagesstättengesetz nicht nur abgesichert werden konnte, sondern auch neue Anreize geschaffen wurden, um Ganztagsbetreuung in Kindertagesstätten stärker zu fördern.

Vor diesem Hintergrund ist es auch zu begrüßen, dass mit dem Schwerpunkt auf Grund- und Hauptschulen ein flächendeckendes Netz von Ganztagsangeboten an den rheinland-pfälzischen Schulen noch in dieser Legislaturperiode geschaffen wird. Dies muss man meiner Ansicht nach in die Diskussion mit einbeziehen.

Es ist weiterhin richtig und wichtig, dass die Landesregierung zurzeit mit den Trägerinnen und Trägern und den Erzieherinnen und Erziehern, die Verantwortung für die frühkindliche Erziehung tragen und dies ernst nehmen, darüber spricht, welche neuen Aufgaben gerade Kindertagesstätten zu bewältigen haben und wie die Ausbildung von Erziehungskräften in Rheinland-Pfalz reformiert werden muss. Das spielt eine Rolle, wenn wir über Ganztagsbetreuung sprechen.

Frau Schneider-Forst, die hier thematisierte Tagespflege, was Ihre Kollegin Frau Thelen im Gegensatz zu Ihnen richtig erkannt hat, ist ein ergänzender Baustein. Er ist in der Ergänzung für viele sicher ein wichtiger Baustein, aber er ist eben ein ergänzender für die Ganztagsbetreuung. Er ist für die Eltern wichtig, die ihr

Kind nicht um 16:00 Uhr aus der Schule oder einer Kindertagesstätte abholen können, die vielleicht nicht so lange geöffnet hat, wie sie es brauchen. Er ist für diejenigen wichtig, die dann, wenn das Kind die Ganztagsschule besucht, auch freitags eine Betreuung brauchen. Das sehen wir auch so. Es ist wichtig und gesetzlich vorgeschrieben, dass es für diejenigen Kinder möglich sein muss, deren Mütter allein erziehend sind und sich in einem Job oder einer Ausbildung befinden. Da gibt es die gesetzliche Möglichkeit, eine Tagespflegeperson zu beanspruchen.

Man muss sich dann aber trotzdem noch einmal die gesamte Landschaft der Tagespflegeverhältnisse anschauen. Dann sieht man nach wie vor, dass 50 % dieser Verhältnisse privat abgeschlossen werden. Das sind Personen, die jemand in der Nachbarschaft haben, oder sie kennen eine Frau, die das gern machen möchte. Sie werden das auch künftig privat machen, weil sie dankbar sind, dass sie die Person, die die Verantwortung für ihr Kind übernimmt, persönlich kennen. Sie werden sich sicherlich in dem Fall nicht dem Jugendamt zuwenden, um eine Tagespflegeperson zu finden. Dies muss man in der Dimension von dem, was wir hier breit diskutieren, berücksichtigen.

Immer wichtiger wird es allerdings gerade für die ergänzende Betreuung, aber auch für Alleinerziehende, die auf die Tagespflegemutter angewiesen sind und das Tagespflegeverhältnis nicht privat abschließen, sich auf eine nachgewiesene Qualifikation der Tagespflegeperson verlassen zu können. In diesem Zusammenhang sind die Modellprojekte angesprochen. Frau Thelen, es ist schön, dass Sie wieder da sind, da ich nun auf die Modellprojekte eingehen werde und darauf, was sie gebracht haben. Ein Baustein war die Software. Sie beinhaltet aber nicht nur die Software, sondern auch die Niedrigschwelligkeit in der Verwaltung in Bad Dürkheim. Dies beinhaltete auch, dass in den Flächenlandkreisen Bitburg und Daun mobile Börsen bzw. später dezentrale Börsen angeboten worden sind. Das ist schon einiges mehr als das, was Sie beschrieben haben.

Der andere Baustein betraf die Qualifikation der Tagespflegepersonen. Es wurde ein Curriculum erprobt, was Kollegin Leppla schon angesprochen hat, das an den Volkshochschulen in Prüm, Bitburg, Gerolstein und in Neustadt an der Weinstraße entwickelt wurde. Insgesamt gab es 165 Stunden und ein abschließendes VHSZertifikat. Meiner Kenntnis nach sind das Sozialministerium und das Ministerium von Frau Ahnen damit in Kontakt, um zu schauen, wie man dies in der Fläche in Rheinland-Pfalz umsetzen kann, damit solche Zertifikate an den Volkshochschulen in Rheinland-Pfalz erworben werden können und es eine Zertifizierung der Tagespflegepersonen gibt.

Problematisch waren einige Punkte dabei, dass beispielsweise nur ein kleiner Teil der Absolventinnen der ersten drei Kurse ihre Dienste überhaupt in der Tagespflegebörse selbst angeboten haben. Das muss man sicherlich noch vernetzen. Man muss auch niedrigschwelligere Bausteinangebote machen, damit nicht immer das ganze Curriculum absolviert werden muss. In diesem Punkt werden die Ministerien sicher einen guten

Weg erarbeiten. Sie haben in diesem Punkt mein volles Vertrauen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich gehe nunmehr auf die anderen Bausteine der Modellprojekte kurz ein. Die Tagespflegebörse in Bad Dürkheim hat gute Erfahrungen mit dem Modellprojekt gesammelt. Sie haben dies im Foyer angeboten, sodass es tatsächlich niedrigschwellig war. Sie haben die Software eingesetzt.

Der Kreis Mainz-Bingen hat bereits bekundet, dass er sich diese Erfahrungen ebenfalls nutzbar machen möchte. Es wäre erfreulich, wenn sich andere Kreise dieser Entwicklung anschließen würden. Ich denke aber – da kann ich mich wieder meiner Kollegin Leppla anschließen –, es ist so, dass wir nicht in die Kompetenzen der Landkreise in diesem Bereich eingreifen möchten und können.

Das Ministerium hat die Software kostenlos im Internet zur Verfügung gestellt, und sie ist somit auch allen Landkreisen zugänglich.

Ebenso könnten die in den Kreisen Bitburg und Daun durchgeführten, erst einmal mobilen und später dezentralen Ansätze gerade in Flächenkreisen Schule machen. Es sind dabei sicher Dinge herausgekommen, die gut funktionieren und die man auch hinterher in der Anwendung übertragen kann. Die Kosten hat die Kollegin übrigens vorhin erwähnt. Ich habe es jetzt nicht im Kopf. Die Ergebnisse, die wir in dem Bericht, der uns allen zugegangen ist, nachlesen konnten, sprechen dafür, dass diese Projekte durchaus erfolgreiche Erkenntnisse gebracht haben.

Die Landesregierung hat mit diesen Modellprojekten einen erheblichen Schritt in Richtung Professionalisierung und in Ansätzen der flächendeckenden Ermöglichung von Tagespflegebörsen getan. Mit der Anwendung der Software und einer flächendeckenden Qualifizierung für Tagespflegepersonen wird das Angebot sicherlich so weiterentwickelt werden können, dass es für Eltern mehr Sicherheit bietet und einfacher zugänglich ist.

Zusammen mit den großen Schritten, die wir in der pädagogischen und erzieherischen Ganztagsbetreuung in diesem Land auch unter erheblichem finanziellen Aufwand machen, wird dies bei einer konsequenten Weiterentwicklung zu einer in Deutschland beispielhaften Ganztagsbetreuungssituation führen. Dessen bin ich mir sicher.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei FDP und SPD)

Ich erteile Frau Kollegin Schneider-Forst das Wort zu einer Kurzintervention.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Drei Minuten reichen nicht, um noch einmal intensiv Stellung zu nehmen. Ich möchte drei Punkte herausgreifen.

Frau Kollegin Morsblech, Sie freuen sich über die 18 %. Ich sage dazu nur, wenn Sie bei der letzten Landtagswahl ein paar Prozent mehr bekommen hätten, hätten Sie vielleicht heute einen eigenen Antrag stellen dürfen.

(Dr. Schmitz, FDP: So geht es Ihnen auch!)

Ihre Ideen sind zugegebenermaßen gut. Das merkt man bei den Initiativen Ihrer Kollegen in Berlin.

Frau Kollegin Morsblech, ich möchte einen zweiten Punkt ansprechen. Es ist natürlich richtig, dass es auch in Baden-Württemberg Nachholbedarf gibt. Alle Dinge, die Frau Kollegin Thelen und ich zu den bedarfsgerechten Einrichtungen von Tagespflegebörsen flächendeckend im Land angeführt haben, bezogen sich auf Kinder unter drei Jahren. Dort greifen alle Ihre Ideen mit dem Hort-Modell und der Ganztagsschule nicht.

(Frau Morsblech, FDP: Das steht in dem Antrag aber nicht, dass es sich nur um Kinder unter drei Jahren handelt! Das ist jetzt plötzlich Ihre Idee!)

Ich möchte einen weiteren Punkt erwähnen. Herr Minister Bauckhage, Frau Hüsch, die Vorsitzende der Landfrauen im Landkreis Altenkirchen, die auch für die FDP für den Landtag kandidiert hat, hat in diesem Raum in Verbindung mit den Landfrauenprojekten ein flammendes Plädoyer für einen Ausbau der Tagespflegebörsen gehalten. Fragen Sie einmal die Landfrauen zu den Erfahrungen der Projekte und hören Sie sich einmal an, wie gern sie auch auf der rechtsrheinischen Rheinseite im schönen Land Rheinland-Pfalz weitermachen würden.

Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen, Frau Kollegin Morsblech. Sie haben die ganzheitliche Betrachtung des Themas „Kinderbetreuung“ genannt. In diesem Punkt sind wir vollkommen einer Meinung. Mir geht es um die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Modernisierung der Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher. In diesem Punkt sollten wir ein Stück weiter voranschreiten.

(Frau Morsblech, FDP: Dazu habe ich als Einzige etwas gesagt!)

Auch hier hemmt und klemmt es in Rheinland-Pfalz. Hier hat Baden-Württemberg schon gehandelt, andere Bundesländer auch, so Schleswig-Holstein und NordrheinWestfalen. Wir haben in diesem Punkt Nachholbedarf und stecken leider fest und kommen nicht weiter.

(Beifall bei der CDU)

Für die Landesregierung spricht Frau Staatsministerin Ahnen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, in der Debatte ist deutlich geworden, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Mittelpunkt politischer Überlegungen stehen muss.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Ich freue mich, dass das so einheitlich festgestellt wird; denn wie Sie wissen, hat die Landesregierung für diese Legislaturperiode hier einen ganz eindeutigen Schwerpunkt gesetzt. Es geht uns nicht nur um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern es geht uns auch um die optimale Förderung von Kindern. Auch hier hat die Landesregierung eindeutige Schwerpunkte gesetzt.

Wenn wir über dieses Thema diskutieren, kann ich mich dem von Frau Leppla und Frau Morsblech vorgetragenen Petitum nur anschließen, dass wir über den Gesamtbereich diskutieren sollten, wie wir die tatsächliche Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreichen. Wir werden es sicher nicht schaffen, wenn wir uns kleine Insellösungen heraussuchen, sondern wir brauchen einen systematischen Ansatz.

(Beifall bei SPD und FDP)

Ich könnte auch die Ländervergleiche mit BadenWürttemberg und Hessen machen. Ich weiß zum Beispiel, wie die Situation bezüglich der Ganztagsschulen in Hessen ist. Man hat sich gerade verständigt, dass man 40 Angebote macht. Wir vergleichen dann die 40 Angebote mit den 300 vorgesehenen Ganztagsschulen in Rheinland-Pfalz und kommen dann auch zu einer Kennziffer, die in diesen länderübergreifenden Vergleich eingebracht werden kann.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)