So weit haben wir es gebracht: Nordrhein-Westfalen ist in einem wichtigen Punkt weiter als wir. Dies bedeutet ein Armutszeugnis für diese Landesregierung.
Rheinland-Pfalz ist eine Insel der Glückseligen. Ich bin sicher, wenn die Länderergebnisse bekannt werden, dass wir dabei einen Spitzenplatz einnehmen. Wir brauchen eigentlich keine Debatten über die PISA-Studie, weil die Landesregierung
in weiser Voraussicht schon immer die Weichen richtig gestellt und schon immer die richtigen Antworten gefunden hat.
Eigentlich brauchen wir auch kein Parlament; denn es handelt sich bei den Wortmeldungen der Opposition sowieso nur um negative Kritik.
Man erwartet von der Opposition sogar, dass sie die Landesregierung lobt. Dabei handelt es sich allerdings nicht um unser Verständnis von Demokratie.
(Beifall der CDU – Hartloff, SPD: Aber wenn man zugehört hat, kann man das nicht von der Hand weisen!)
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Keller, es stimmt nicht, dass irgendjemand in dieser Debatte gesagt hätte, man müsse nichts tun. Es ist auch nicht richtig, dass die Landesregierung dies gesagt hat.
Das Gute an einer Landesregierung ist, sie muss nicht nur sagen, man muss etwas unternehmen, sie kann es auch umsetzen, und sie handelt in diesem Land seit geraumer Zeit und in Reaktion auf die PISA-Studie.
Das ist der Punkt, an dem ich Ihre Empörung ein bisschen verstehen kann. Es ist natürlich ärgerlich, wenn andere das machen.
Meine Damen und Herren, es ist bereits darauf hingewiesen worden, am 4. Dezember lagen die Ergebnisse vor, am 6. Dezember hat die Kultusministerkonferenz einen Beschluss gefasst, und am 25. Februar dieses Jahres – übrigens vor Nordrhein-Westfalen; denn ich kenne das Papier der Kollegin, in dem sich viele Übereinstimmungen mit unserem Papier wieder finden, was ich sehr positiv sehe – haben wir einen Katalog vorgelegt.
Herr Abgeordneter Keller, Sie haben sich doch sicherlich noch einmal Ihre Presseerklärung von damals angeschaut. Wissen Sie noch, wie Sie diese betitelt hatten? Sie hatten die Ministerin gefragt: Warum erst jetzt? – Ich kann nur sagen, diese Frage muss ich heute zurückgeben: Warum erst jetzt?
Warum liegt zwei Monate nach unseren Vorschlägen ein Papier vor, das in der Tat in weiten Bereichen beschlossene oder in der Umsetzung bzw. in der Vorbereitung befindliche Maßnahmen der Landesregierung noch einmal aufführt.
Ich lege Wert darauf festzustellen, dass das Konzept der Landesregierung weit darüber hinausgeht. Hierbei handelt es sich um den ersten großen Unterscheidungspunkt. Der zweite besteht aus einer ganzen Reihe von Fragen, die auch in der Debatte angesprochen worden sind.
Lassen Sie mich zunächst einige Worte zum Kindertagesstättenbereich sagen. Um die Konsequenzen aus den PISA-Ergebnissen im Bereich der Kindertagesstätten nachhaltig umsetzen zu können, strebt die Landesregierung – auch das hat sie erklärt – eine Konkretisierung des Bildungsauftrags und seiner Umsetzung in den Einrichtungen an und hat deshalb die Trägervertreter von Kindertagesstätten wie auch den Landeselternausschuss bereits zu einem Gespräch am 29. April eingeladen. Ihnen ist sicherlich bekannt, dass die Landesregierung nur in enger Abstimmung mit den Trägern wirken kann. Ziel dieses Gesprächs ist es, mit den Trägern zu erörtern, wie zukünftig Bildungsinhalte stärker in den Blick genommen werden können und wie diese eine verbindlichere Verankerung erfahren können. Dabei geht es um die ganze Palette, das heißt, sowohl um die Bildungsziele als auch um die Erzieherinnen- und Erzieherausbildung als auch um die Fortbildung.
Herr Keller, wir können – das hat mich ein bisschen gewundert, dass Ihnen das nicht bekannt ist – dabei auf einer Reihe von Initiativen aufbauen. Wir haben eine nationale Qualitätsinitiative im System der Tageseinrichtungen von Kindern unter Beteiligung von RheinlandPfalz, Berlin, Köln und München. Wir haben das Projekt „Konzeptionelle Neubestimmung von Bildungsqualität in Tageseinrichtungen“ mit dem Staatlichen Institut für Frühpädagogik in München. Wir haben zum Bildungsauftrag von Kindertagesstätteneinrichtungen des Instituts für Angewandte Sozialisationsforschung früher Kindheit ein Projekt in Berlin, und wir haben ein Projekt „Pädagogische Qualität in Kindertageseinrichtungen“ an der Universität Trier und Koblenz-Landau. Wir fangen also bei weitem nicht bei null an. Wir mussten auch nicht
darauf aufmerksam gemacht werden, dass wir uns auch um den Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen kümmern müssen, sondern es gibt laufende Projekte, die wir jetzt in die weitere Debatte mit einbeziehen können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will jetzt nicht das machen, was vorhin ausführlich bereits dankenswerterweise gemacht worden ist, alle die Punkte zu nennen, die bereits in dem Konzept des Ministeriums enthalten sind. Ich will mich auf ein paar Schwerpunkte und auf die Unterschiede unserer Positionen konzentrieren.
Die Landesregierung ist sich mit Ihnen einig, dass die Sprachförderung in der Tat ein Schwerpunkt ist. Die Sprachförderung, das Leseverständnis, das Sprachverständnis ist eine Schlüsselkompetenz. Deswegen machen wir die Förderung im Kindertagesstättenbereich über die Übernahme von zusätzlichen Personalkosten. Wir wollen zusätzliche Sprachförderkurse im Bereich der Kitas einrichten. Herr Kollege Zöllner hat sich bereit erklärt, ein Pendant für die Eltern zu schaffen, auch eine Ihrer Forderungen. Ich sage aber ganz deutlich: Es gibt einen großen Unterschied. Sie haben es in Ihren mündlichen Ausführungen viel deutlicher formuliert als in Ihrem Antrag. Sie haben gesagt, wenn jemand Sprachdefizite hat, dann darf er doch erst gar nicht in die Grundschule kommen. Dem widerspreche ich mit allem Nachdruck.
Ich bin sehr dafür, dass die Kinder und Jugendlichen vorher gefördert werden, aber nicht um den Preis, dass man sagt, ihr dürft dann nicht in die Schule. Auch die Schule hat einen Förderauftrag.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der zweite Punkt, der strittig angesprochen worden ist, ist der muttersprachliche Unterricht, weil Herr Wiechmann sich solche Sorgen machte, dass ich mit Frau BredeHoffmann nicht einig sein könnte. An einem Punkt muss ich ihr wirklich widersprechen. Sie hat nämlich gesagt, das wäre der einzige Punkt, der neu sei. Nein, auch der ist nicht neu. Die Abschaffung des muttersprachlichen Unterrichts haben Sie bereits bei den Haushaltsberatungen gefordert. Ich habe diese Forderung damals für falsch gehalten und halte sie heute für falsch.
Ich kann aus dieser Studie, die wir in der Tat gern zur Verfügung stellen, zitieren: „Eine Kombination von Zweitsprachförderung und Unterricht in der Herkunftssprache führt bei den im Übrigen gleichen Bedingungen zu deutlich besseren Ergebnissen gegenüber einsprachigen Programmen.“ Das heißt, wir können uns nicht einfach über diese Erkenntnis hinwegsetzen, sondern ich glaube, dass wir sinnvolle Ergänzung brauchen.
Dritter und letzter Punkt. Sie sprachen immer von einem Einschulungsalter von 6,7 Jahren. Auch da ist eine Entwicklung an Ihnen vorbei gegangen. Wir sind nämlich schon bei 6,5 Jahren. Das kommt auch nicht von ungefähr, sondern die Maßnahmen der letzten Jahre haben
gegriffen. Wir haben nämlich einen deutlichen Zugang der Kann-Kinder, und wir haben einen deutlichen Rückgang der Rückstellungen. Diese Entwicklung ist in den letzten Jahren von uns mit Nachdruck unterstützt worden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Tat, der Antrag bietet aus meiner Sicht wenig Neues. Im Wesentlichen greift er Maßnahmen, die bereits laufen, auf. Insofern empfinde ich ihn auch in Teilbereichen als eine Bestätigung unserer Politik. In einigen Punkten – ich habe darauf hingewiesen – gibt es allerdings divergierende Vorstellungen, die aus meiner Sicht in die falsche Richtung gehen. Bei all dem ist und bleibt für mich wichtig, dass wir nachhaltige Initiativen ergreifen, sie in enger Zusammenarbeit mit allen Beteiligten umsetzen und uns dann auch regelmäßig über das Erreichte vergewissern. So ist es mit dem Maßnahmenkatalog des Ministeriums auch beabsichtigt.
Meine Damen und Herren, wir begrüßen Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse der Friedrich-StolzeHauptschule Königstein. Herzlich willkommen im Landtag!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Ministerin, Sie haben eben gesagt, diese Landesregierung tut all dies. Ich kann nur sagen, bis jetzt sind das alles nur Ankündigungen. Wir werden sehr genau verfolgen, ob Sie diese Ankündigungen auch umsetzen. Ich will Sie auf folgenden Aspekt ganz besonders hinweisen. Es war ein Anspruch der SPD-Bildungspolitik, für mehr soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Aber wie steht es denn damit bei uns in Rheinland-Pfalz? Wir unterscheiden uns nicht von anderen Ländern in diesem Punkt. Da ist die Schere doch weiter auseinandergegangen zwischen sozial Schwachen und Schülerinnen und Schülern, die aus bildungsbewussten Elternhäusern kommen. Was hat diese Landesregierung in den zehn Jahren getan, um das zu verändern und zu verbessern? Wo haben wir in Rheinland-Pfalz ein Zusammengehen der Schere? Ich sehe dies nicht. Es ist also doch offensichtlich, dass wir in der Bildungspolitik dieses Landes erheblichen Handlungsbedarf haben. Gottlob hat uns PISA wachgerüttelt, und man muss sagen, auch die Öffentlichkeit wachgerüttelt, um endlich Bildungspolitik als das zu begreifen, was sie wirklich ist, als Zukunftsaufgabe unserer Gesellschaft. (Beifall bei der CDU)
Frau Ministerin, ich will Sie fragen: Wo haben wir in Rheinland-Pfalz die Fördermöglichkeiten verbessert? – Da haben wir nach wie vor erhebliche Mängel. Ich will
nur darauf hinweisen, dass im Zusammenhang mit der Einführung der Vollen Halbtagsschule doch die Angebote der AGs, die Angebote der Förderung von Schwachen stark eingeschränkt wurden, also genau das Gegenteil gemacht wurde, was PISA fordert.
Wo haben wir den Grundschulen mehr Möglichkeiten eingeräumt, die Sachverhalte, die Inhalte vertieft zu üben? Wir haben immer neue Inhalte hineingepackt. Wir haben bei jedem Vorgang, der in der Gesellschaft vehement wurde, ihn der Schule zugeschoben, die Schule verantwortlich gemacht und damit die Schule überlastet. Nein, wir müssen wieder insbesondere der Grundschule die Chance geben, dass sie sich mit den Kerninhalten auseinandersetzt. Nur dann haben wir eine Chance, dass PISA entsprechend aufgearbeitet werden kann.
Ich halte im Nachhinein und gerade unter dem Blickwinkel von PISA die Diskussion, die wir im Parlament geführt haben, um die Lern- und Spielschule gerade für verheerend. Das war doch der falsche Weg. Dafür war diese Landesregierung verantwortlich. Ich will einen Punkt ganz konkret – – –
Ich muss berichtigen. Die Zeit für die Kurzintervention ist abgelaufen. Die CDU-Fraktion hat noch zwei Minuten Redezeit.
Frau Ministerin, dann möchte ich noch einen konkreten Punkt aufgreifen, nämlich die Revision der Mathematiklehrpläne. Sie fordern dies für die 5. bis 10. Klasse mit der Begründung, dass Freiraum für problemorientierten Unterricht geschaffen werden soll. Damit bin ich einverstanden. Aber ich denke, jede mathematische Aufgabe kann man im Grunde genommen problemorientiert angehen. Das ist eine Frage der Methodik. Dazu brauche ich keine neuen Freiräume.
Aber wenn wir die Menge der Inhalte überdenken, ist eine Revision durchaus sinnvoll, um Freiräume zu schaffen, damit das eine oder andere exemplarisch aufgearbeitet werden kann und mehr Zeit zum Üben zur Verfügung steht. Ich denke, dies ist der entscheidende Punkt.