Protocol of the Session on April 25, 2002

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag, Vergleichsarbeiten betreffend, ist schon etwas älter. Er muss im Rahmen der allgemeinen Diskussion über die Ergebnisse der PISA-Studie diskutiert werden. Ich denke, gerade für PISA haben wir im Rahmen der Debatte über den CDU-Antrag, zu dem ich mich jetzt noch nicht äußern möchte, genügend Zeit.

Die Regierung und die sie tragenden Fraktionen haben umfassend mit einem sehr breiten Maßnahmenkatalog sowohl im Haushalt als auch durch eine Konzeption der Ministerin, die sie bereits im Februar der Öffentlichkeit vorgestellt hat, für den Bereich Vorschule, Grundschule und weiterführende Schule auf PISA reagiert. Dies kann man später diskutieren.

Die Idee, Vergleichsarbeiten zum Ende der Grundschulzeit einzuführen, ist eine Idee, die die FDP-Fraktion bereits vor PISA hatte. Wir haben bereits in der letzten Legislaturperiode damit begonnen, umfassende Qualitätssicherungs- und Qualitätsmanagementmaßnahmen vorzuschlagen, die durch die Landesregierung umgesetzt wurden.

(Lelle, CDU: Auf dem Papier!)

Diesen Weg möchten wir mit diesem Antrag weiter beschreiten. (Beifall der FDP)

Grundsätzlich geht es um zwei Bereiche. Ich möchte sie kurz nacheinander ausführen. Vergleichsarbeiten in Mathematik und Deutsch an rheinland-pfälzischen Grundschulen zu Beginn der 4. Klasse sollen dem internen Qualitätsmanagement der Schule dienlich sein. Ich sage das gleich an die Adresse des Herrn Kollegen Wiechmann, der bereits grinst. Hier geht es um das interne Qualitätsmanagement und nicht um Ranking, wie Sie gleich sagen werden; denn ein Ranking ist im Bereich der Grundschule gar nicht möglich.

(Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

Auch das müssen Sie wissen. Deshalb können Sie uns das nicht vorwerfen. Grundschule ist einer bestimmten sozialen Struktur ausgesetzt, in der sie sich befindet. Deshalb hat sie mit unterschiedlichen Kindergruppen zu tun. Deshalb kann man da keine Ranks aufstellen.

Ich halte es trotzdem für wichtig, der Schule selbst, indem sie einem landesweiten Vergleich unterworfen wird, zu ermöglichen, Anhaltspunkte und diagnostische Mittel zu finden, Stärken oder Schwächen im Bereich Deutsch und Mathematik bei ihren Schülerinnen und Schülern festzustellen und darauf mit verstärkten Fördermaßnahmen beispielsweise im Rahmen eines Ganztagsschulangebots oder auch besonderen Forderungen an begabte Schülerinnen und Schüler zu reagieren. Ich denke, da kann Schule sich selbst in ihrer Qualität einordnen und entsprechende Maßnahmen ergreifen. (Beifall der FDP)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die FDPLandtagsfraktion möchte an dem freien Elternwillen bei der Auswahl der weiterführenden Schule festhalten. Wir wissen allerdings auch, dass dabei nicht immer die richtigen Entscheidungen getroffen werden. Das ist kein Angriff gegen die Eltern. Diese meinen es sehr oft gut, beispielsweise wenn sie sagen, mein Kind soll Abitur machen und an das Gymnasium gehen. Das ist eine wohl wollende Intention. Das führt manchmal nicht zu einer durchgängigen einfachen und angemessenen Schullaufbahn für die Kinder.

Wenn sie mit Lehrern sprechen, passiert dasselbe. Lehrer sagen, sie können das am besten beurteilen. Auch da wird nicht immer einhundertprozentig die richtige Entscheidung getroffen. Deshalb halten wir es für richtig und wichtig, zusätzlich ein möglichst objektives Qualitätskriterium und Messkriterium einzuführen, um die Leistungen des jeweiligen Kindes einschätzen zu können. Es geht weder um Lehrer noch um Eltern, sondern es geht einzig und allein um das Kind.

(Beifall der FDP und der SPD – Lelle, CDU: Es geht auch um die Eltern, wenn man Vergleiche zieht!)

Wir haben uns deshalb für eine dritte Größe, neben Noten, der Empfehlung des Lehrers und der Elternentscheidung entschieden, die wir einführen möchten. Dies soll niemandem auf die Füße treten, sondern es soll der Objektivität und der optimalen Schullaufbahn dienen.

Ich möchte mich herzlich bei der Ministerin Ahnen bedanken, die diese Maßnahme bereits umsetzt und einen klaren Zeitplan für die Umsetzung der Vergleichsarbeiten vorgelegt hat, obwohl wir diesen Antrag im Plenum noch nicht diskutiert hatten. Vielen Dank dafür, dass das so zügig ging.

(Beifall der FDP und vereinzelt bei der SPD)

Ich möchte mich natürlich beim Koalitionspartner bedanken, der daran mitgewirkt hat, dass diese Umsetzung überhaupt möglich war.

Ich möchte mich auch schon bei der CDU-Fraktion bedanken. Sie haben in ihrem Antrag auch die Vergleichsarbeiten genannt. Es ist in dieser Legislaturperiode nicht der erste Punkt, in dem wir uns einig sind und bei dem wir von Ihnen unterstützt werden. Herzlichen Dank dafür, dass Sie uns auf positiven Wegen in der Bildungspolitik begleiten.

Herr Kollege Wiechmann, wahrscheinlich sind Sie der Einzige, der wieder gegen den Antrag stänkert. Deshalb darf ich mich bei Ihnen bedanken, dass Sie überhaupt die Chance zur Auseinandersetzung mit diesem Antrag nutzen, sonst hätten wir einen allgemeinen Harmoniebrei. Das würde die Debatte etwas einschläfern.

Vielen Dank.

(Beifall der FDP und der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Lelle.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Um es vorweg zu sagen, die CDU unterstützt diesen Antrag im Grundsätzlichen. Frau Morsblech, Sie finden uns immer auf Ihrer Seite, wenn es darum geht, die Qualität zu steigern und Leistung einzufordern.

(Beifall der CDU)

Ich habe leider den Eindruck, dass dies bei dieser Landesregierung nicht immer geschieht.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Ich will und muss einige kritische Anmerkungen und Ausführungsbedingungen in diesem Zusammenhang ansprechen.

Erste Bemerkung: Dieser Antrag war wieder ein typischer FDP-Schnellschuss. Der Test war zunächst für das Ende der 4. Klasse gefordert. Er wäre ohne Wirkung gewesen. Sie haben das gottlob korrigiert. Ich will das anerkennen; denn nur so macht es auch Sinn.

(Zuruf der Abg. Frau Morsblech, FDP)

Zweite Vorbemerkung: Mit diesem Antrag gesteht die FDP ein, dass die von Frau Götte vorgenommene Veränderung bezüglich der völligen Freigabe des Elternwillens eine Fehlentscheidung war und damit in unserem Schulsystem gewaltige Negativwirkungen erzeugt wurden. Dieser Antrag ist somit ein Korrekturversuch, dem wir im Sinne der Leistungssteigerung und Qualitätssicherung zustimmen können.

Sie haben in Ihrer Begründung stehen, es kann zu einer Qualitätssteigerung führen. Dieses „Kann“ sehe ich auch so. Dafür müssen entsprechende Kriterien eingebracht werden. Lassen Sie mich diese noch nennen:

1. Die Standards der Vergleichsarbeiten müssen weitestgehend zentral festgelegt werden. Nur so wird es gelingen, echte Vergleiche zu ziehen.

2. Die Auswertung muss ebenfalls zentral festgelegt und allen Beteiligten vorher bekannt sein. Nur ein Vergleich auf Länderebene, eventuell auch auf Bezirksebene bringt tatsächlich den Schulen die Möglichkeit des Vergleichs. Ich bin gespannt, ob dieser Anspruch von der FDP durchgesetzt werden wird.

3. Frau Morsblech, reine Schulvergleiche, interne Vergleiche gibt es zu Genüge. Wer sich mit der Schule befasst, weiß das. Ich behaupte, diese internen Vergleiche können nur sehr eingeschränkt Qualität verbessern. Deshalb sollte man sich darauf nicht so versteifen, wie Sie das getan haben. Man sollte den anderen Aspekt mehr im Auge behalten.

4. Die Vergleichsarbeiten müssen Konsequenzen haben, und zwar für die Schulen und den Unterricht. Erkennbare Defizite müssen durch Fördermaßnahmen und -möglichkeiten aufgearbeitet werden. Den Schulleitungen kommt dabei besondere Bedeutung zu. Sie müssen im Gegensatz zum MARKUS-Test in der Ausführung und Auswertung eingebunden werden. Sie müssen die Möglichkeiten erhalten, entsprechende Fördermaßnahmen durchzuführen.

Für die Schüler und Eltern muss es Konsequenzen geben. Schüler mit großen Defiziten müssen in Fördermaßnahmen aufgenommen werden. Eltern müssen in den Beratungsgesprächen über den tatsächlichen Leistungsstand auch objektiv und nachhaltig informiert werden. Darüber hinaus meine ich, dass diese Ergebnisse des Leistungstests auch der aufnehmenden Schule vorzulegen sind.

5. Es macht keinen Sinn – wie die FDP angekündigt hat –, über alle Jahrgangsstufen solche Tests zu machen. Das würde die Schule auch über Gebühr belasten. Es bietet sich lediglich an, dies bei den entsprechenden Abschlüssen zu tun, wo die Vergleiche auch interessant sind.

6. Mehr Transparenz des Leistungsstands wird nur erreicht, wenn wir auf den Mantelbogen verzichten, wie das beim MARKUS-Test der Fall war; denn eine Auswertung, die sich danach richtet, verschleiert, verschönt und bleibt ohne Aussagekraft. Lehrerinnen und Lehrer an Schulen beispielsweise in sozialen Brennpunkten wissen um ihre Probleme. Sie brauchen keine Ausrede, sondern sie brauchen nachhaltige Fördermöglichkeiten.

7. Die Vergleichsarbeiten werden nur dann angenommen und umgesetzt, wenn die Schulen anschließend entsprechende Fördermöglichkeiten erhalten und diese zugestanden werden und wir diese zusätzlichen Belastungen auch im Sinn des Umfangs von Arbeiten, die zu schreiben sind, beachten.

8. Die FDP hat angekündigt, solche Vergleichtests auch nach bundeseinheitlichen Kriterien durchzuführen. Meine Damen und Herren von der FDP, auch das ist wieder ein Schnellschuss par exzellence. Sie machen wiederum den dritten Schritt vor dem ersten.

(Kuhn, FDP: Wir gehen wenigstens!)

Ich bin einmal sehr gespannt, ob es bei der Umsetzung dieses Antrags dann auch tatsächlich zu Qualitätsverbesserungen kommt, die wir alle wollen. Ich bin davon nur überzeugt, wenn die von mir genannten Kriterien auch entsprechend beachtet werden. Ich will noch einmal sagen, wenn es um Leistungsvergleiche und um Qualitätsverbesserung in der Schule geht und Sie das ernsthaft angehen, dann sind wir auf Ihrer Seite, für Sprechblasen oder heiße Luft allerdings nicht.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Nink das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich denke, es ist unstrittig, dass in unseren Grundschulen auch schon vor PISA wichtige Arbeit geleistet wird und geleistet wurde, damit die Grundlagen für das Lernverhalten, die Lernmotivation und somit für die Leistungsfähigkeit aller Kinder gewährleistet ist. Da es auch unstrittig ist, dass die Kinder in ihrer Entwicklung unterschiedlich sind, hat die richtige Fortsetzung der Schullaufbahn nach dem Verlassen der Grundschule für jedes Kind eine besondere Bedeutung.

Frau Kollegin Morsblech hat darauf hingewiesen, schon die Ausschussitzungen haben gezeigt, dass die zur Diskussion stehenden Vergleichsarbeiten im Plenum einen großen Konsens finden. Dabei wurden – wie auch heute durch die beiden Vorredner schon hervorgehoben – drei Punkte herausgestellt. So sollen die Vergleichsarbeiten in Mathematik und Deutsch erstens eine zusätzliche Orientierungshilfe für die Eltern sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wissen alle, dass die Einschätzung und die Beurteilung der Eltern in Bezug auf die Entwicklungsfähigkeit ihrer Kinder eine große Rolle spielt. Die Eltern müssen deshalb in die Entscheidungen für die weitere Schullaufbahn eingebunden, und zwar ausschlaggebend eingebunden sein. Oft zeigt aber leider die Praxis, dass man zwar für das Kind das Beste gewollt hat, aber das Schlechteste eingetroffen ist. Deshalb benötigt diese gut gemeinte Förderung der Eltern eine Beratungshilfe, damit Fehleinschätzungen besser erkannt werden können. Ziel muss es sein, dass sich die Eltern auf die Empfehlung der Schule für die zukünftige Schullaufbahn verlassen können und dieser Empfehlung folgen.

Der zweite Punkt, der angesprochen wird, sind die Vergleichsarbeiten als Unterstützung für Lehrerinnen und Lehrer. Bei der Bewertung in der Beurteilung der einzelnen Kinder stehen an erster Stelle die Erfahrungen der Grundschullehrerinnen und -lehrer. Dies ist zweifellos in der Regel möglich, kennen die Lehrkräfte doch die Kinder über einen längeren Zeitraum. Diesem Urteil soll in Zukunft größerer Raum zugestanden werden. Aber auch Lehrkräfte – beispielsweise jüngere – können ein Korrektiv als Beratungshilfe gebrauchen. Dies können die Vergleichsarbeiten in Deutsch und Mathematik an den rheinland-pfälzischen Grundschulen werden, jedoch nur eine Beratungshilfe, nicht mehr und nicht weniger. Den Eltern und den jeweiligen Lehrkräften soll also mit diesem Instrument eine weitere vergleichbare Orientierung über den Wissensstand des Kindes gegeben werden. Dies eröffnet auch die Möglichkeit, noch individuelle Förderungen einzelner Schülerinnen und Schüler durchzuführen, um letzte Zweifel zu beseitigen. Wenn dies gelingt – davon bin ich überzeugt – wird es zu einer wesentlich verbesserten Schullaufbahnberatung und Schullaufbahnentscheidung kommen.

Auch der dritte Punkt ist von meinen Vorrednern angesprochen worden: Vergleichsarbeiten als Teil des Qualitätsmanagements. – Nicht nur für die Lehrkräfte, sondern auch für die gesamte Schule können solche Arbeiten natürlich in der Zusammenfassung der Klassenergebnisse zu einer Standortbestimmung des erreichten Wissens führen. Mit dem von Frau Ministerin Ahnen vorgestellten Konzept erhalten das Lehrerkollegium, aber auch jede einzelne Lehrkraft für die zukünftige Arbeit wichtige Hinweise über den Arbeitserfolg, den Lehrerfolg und damit die Möglichkeit, die Qualität der schulischen Vermittlung festzustellen. Auf die natürlich notwendige Evaluation der Ergebnisse aufbauend stellt dies eine Weiterentwicklung nicht nur des rheinlandpfälzischen Grundschulsystems, sondern des gesamten Bildungswesens in unserem Land dar.

(Beifall bei SPD und FDP)