Protocol of the Session on March 14, 2002

Wir kommen nun zum

Einzelplan 06 – Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit –

Ich rufe dazu Punkt 6 der Tagesordnung auf:

...tes Landesgesetz zur Änderung des Landesgesetzes über die Eingliederung der Gesundheitsämter in die Kreisverwaltungen Gesetzentwurf der Landesregierung – Drucksache 14/494 – Zweite Beratung

dazu: Beschlussempfehlung des Sozialpolitischen Ausschusses – Drucksache 14/805 –

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 14/936 –

Wird Berichterstattung gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Es ist eine Redezeit von 20 Minuten je Fraktion vereinbart.

Das Wort hat Frau Abgeordnete Thelen.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Herr Dr. Böhr hat gestern die Ausgangslage des Landes Rheinland-Pfalz für die Erstellung des morgen zu beschließenden Doppelhaushalts eindringlich geschildert. Unsere bereits bei der Einbringung des Haus

haltsentwurfs durch die Landesregierung im Dezember vorgebrachten kritischen Hinweise auf den ungebremsten und Besorgnis erregenden Schuldenanstieg wurde Mitte Februar vom Rechnungshof in seinem Jahresbericht 2001 voll und ganz bestätigt. Konsequenzen hieraus ziehen weder die Landesregierung noch die sie tragenden Fraktionen der SPD und FDP. Im Gegenteil, es geht weiter wie bisher.

(Vizepräsidentin Frau Grützmacher übernimmt den Vorsitz)

Dies gilt im Besonderen auch für den Haushalt von Staatsminister Gerster, der noch die Verantwortung für das Arbeits- und Sozialressort innehat. Die in den letzten zwei Jahren mit großem öffentlichem Tamtam als die innovativen Maßnahmen des Ministeriums verkündeten Projekte wie die Hilfe zum selbstbestimmten Leben oder das „Mainzer Modell“ sind noch recht mickrige Pflänzchen, die die Erwartungen hinsichtlich der Inanspruchnahme und ihrer tatsächlichen Hilfeeffekte bei weitem noch nicht erfüllen. (Beifall der CDU)

Im Übrigen heißt die Marschroute in Ihrem Haushalt, Herr Minister Gerster: Weiter so wie bisher. – Ich habe schon bei den Beratungen im Ausschuss gesagt und wiederhole es hier: Die Erläuterungen im Vorwort zum eigentlichen politischen Teil Ihres Haushalts, nämlich zum Kapitel 06 02, sind nahezu wortgleich mit denen des vorherigen Doppelhaushalts. Hier entlarven die Möglichkeiten der modernen Technik die Einfallslosigkeit oder Mutlosigkeit dieser Landesregierung.

(Beifall bei der CDU)

Die alten gespeicherten Texte werden einfach in den neuen Doppelhaushalt kopiert, hier und da ein anderer Begriff eingesetzt und garniert mit ein paar Zahlen aus den Jahren 1999 und 2000, und schon war die neue/alte Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik beschrieben.

Sie wollen allein für diesen Bereich viel Geld ausgeben, im Jahr 2002 im Kapitel 06 02 239 Millionen Euro, im Jahre 2003 248 Millionen Euro. Weiter wie bisher werden viele Millionen in unzählige Projekte gesteckt, die Arbeitslosen den Schritt in den ersten Arbeitsmarkt eröffnen sollen. Ich sage nicht, dass alle falsch und wirkungslos waren. Aber gesicherte Fakten, wie viele Teilnehmer tatsächlich einen Arbeitsplatz dank der Maßnahmen fanden oder wie vielen mit teuer bezahlten Steuergeldern nur eine vorübergehende tagesstrukturierende Beschäftigung geboten wurde oder wie viele wir tatsächlich nur durch die berühmte Drehtür geschickt haben, liegen so gut wie nicht vor.

(Beifall bei der CDU)

Wir fordern Sie deshalb auf: Halten Sie inne! Sparen Sie, untersuchen Sie und lassen Sie unsinnige, weil wirkungslose Maßnahmen sein!

(Beifall bei der CDU)

Die schlechte Entwicklung der Arbeitslosenzahlen in Rheinland-Pfalz, vor allem die vielen neuen Arbeitslosen

aus dem Dienstleistungsbereich, und die nach wie vor miserable Zahl von versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen in Rheinland-Pfalz erfordern eine kritische Überprüfung der bisherigen Politik und eine Konzentration der Mittel auf wirklich wirkungsvolle Maßnahmen.

Das Ziel kann nicht die Steigerung der Arbeitsplätze bei den Maßnahmeträgern, wie zum Beispiel den Weiterqualifizierungsfirmen, sein. Da geben wir Ihnen völlig Recht, Herr Minister. Wenn die „AZ“ vom 12. März dieses Jahres Ihre Worte richtig wiedergibt, müssten künftig alle arbeitsplatzmarktpolitischen Instrumente dahin gehend überprüft werden, ob sie wirklich motivieren und Dynamik fördern oder ob sie nicht eher den Ausstieg aus dem Arbeitsleben nahe legen. Auch hier: Bravo, Herr Gerster.

Schade nur, dass der designierte Präsident der Bundesanstalt für Arbeit seine Ideen im eigenen Haushalt nicht beherzigt hat. (Beifall bei der CDU)

Wollten oder durften Sie nicht? Ihre Einsichten beruhen doch wohl auf Ihren Erfahrungen als Sozial- und Arbeitsminister hier in Rheinland-Pfalz, oder sind Sie hier zu nahe an den Betroffenen, den Maßnahmenträgern, den Gewerkschaften, um mutig und verantwortungsvoll eine Umsteuerung anzugehen? Hat etwa die FDP Sie davon abgehalten,

(Dr. Schmitz, FDP: Da müssen Sie aber selbst schmunzeln!)

oder konnten Sie sich in den eigenen Reihen im Kabinett und beim Ministerpräsidenten nicht durchsetzen? Ich befürchte, das Letztere trifft zu. Herr Ministerpräsident, mit einem unkritischen „Weiter so“ kann es nicht weitergehen. (Ministerpräsident Beck: Ich gebe zu, ich bin an allem Schuld! Ich gebe es zu!)

Sie stehen an der Spitze und tragen die Verantwortung. So ist das. Mit einem unkritischen „Weiter so“ werden Sie den Arbeitslosen in Rheinland-Pfalz nicht wirklich helfen. Die Beruhigungspille einer vermeintlich erträglichen Arbeitslosenquote auf dem vierten Rang, auf dem wir im Vergleich der Bundesländer schon lange liegen, verstellt den Blick auf die Realität in unserem Land. (Beifall bei der CDU)

Herr Ministerpräsident, erlauben Sie mir deshalb einen erneuten Versuch, Ihr Bild von unserem Arbeitsmarkt gerade zu rücken.

(Zuruf des Staatsministers Zuber)

Stöhnen Sie ruhig, Herr Beck, aber ich sage es trotzdem. (Ministerpräsident Beck: Ich habe nicht gestöhnt, das war der Zuber! – Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Zurufe im Hause)

Er lässt stöhnen.

Rheinland-Pfalz hat im Vergleich zur Einwohnerzahl die geringste Anzahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigungsverhältnisse aller Bundesländer. Ihre erträglichen Arbeitslosenzahlen verdanken Sie 240.000 RheinlandPfälzern, die Tag für Tag nach Rhein-Ruhr, Rhein-Main, Luxemburg, Baden-Württemberg und sonst wohin zur Arbeit fahren. (Beifall bei der CDU)

Diesen stehen nur 100.000 Einpendler gegenüber.

Ich möchte Sie bitten, hören Sie auf, uns und auch sich selbst, so denke ich, weiszumachen, dies läge an dem positiven Zuwanderungssaldo, an dem Frankfurter Banker, der viel lieber in die schöne Pfalz zieht, als in Frankfurt zu wohnen, aber natürlich in Frankfurt seinen Arbeitsplatz behält. Das ist ein Märchen.

Richtig ist, wir haben seit Anfang der 90er-Jahre einen hohen positiven Zuwanderungssaldo, den Sie selbst in diesem Zusammenhang immer wieder ansprechen. Das ist schön zu sehen. Das beginnt 1987 und läuft heute aus. Aber Sie irren sich in der Annahme, was diesen zuwandernden Personenkreis angeht.

(Schwarz, SPD: Sie haben sie alle gefragt?)

Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten aus den Feststellungen des Statistischen Landesamts.

(Ministerpräsident Beck: Der Herr ist eine Dame!)

Diese Stellungnahme habe ich diesen Monat erhalten: „Die Aufgliederung der Wanderungen nach den Herkunfts- bzw. Zielgebieten zeigt, dass die Zuwanderungsüberschüsse wesentlich durch Übersiedler aus der ehemaligen DDR, Aussiedler aus Polen, Rumänien und der ehemaligen Sowjetunion sowie durch Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten im ehemaligen Jugoslawien bestimmt wurden. Auch die Zuwanderung aus den alten Bundesländern ist teilweise in diesem Zusammenhang zu sehen, da zahlreiche Personen zunächst dort in den vorhandenen Aufnahmeeinrichtungen untergebracht waren und anschließend nach Rheinland-Pfalz zugezogen sind.“ (Hartloff, SPD: Was wollen Sie damit sagen?)

Herr Ministerpräsident, ich glaube nicht, dass diese Menschen ihre Arbeitsplätze zu Hause behalten haben.

Herr Minister Gerster und Herr Ministerpräsident, eine Klientel- und Lobbyistenpolitik, deren Wohltaten man mit freundlichen, selbst lobenden Briefen den verschiedensten Verbänden schon vor der Verabschiedung des Haushalts mitteilt, ist bequem und sichert vielleicht kurzfristig Sympathien.

(Kramer, CDU: Unglaublich!)

Verantwortlich für die Zukunft unseres Landes ist sie nicht.

(Beifall bei der CDU)

Auch die im weiten Feld der Sozial-, Behinderten-, Arbeits- und Gesundheitspolitik agierenden Träger brauchen mittel- und langfristig Perspektiven, brauchen Fakten, an denen sie ihre Planung erforderlicher Hilfsangebote ausrichten können. Dies bleiben Sie bis heute in weiten Teilen schuldig. Ich erinnere nur an die Debatte zum Landesbehindertenplan, der ein Plan ist, der auf tönernen Füßen steht, weil nichts an Fakten erhoben wurde.

Die dramatische, heute schon absehbare Entwicklung unserer Bevölkerung hat das Statistische Landesamt im Januarheft noch einmal deutlich gemacht und gezeigt, welche Auswirkungen diese Entwicklung und die damit verbundene Alterung unserer Gesellschaft, die entsprechende Zunahme hilfs- und pflegebedürftiger Menschen hat. Die hieraus erwachsenden Aufgabenstellungen für die Sozialpolitik werden Sie zusätzlich zu den finanzpolitischen Erfordernissen zur Prioritätensetzung und zur Abkehr von Ihrer „Jedem-wohl-und-niemandem-wehPolitik“ zwingen. Sie, die Landesregierung, und wir, die Abgeordneten, benötigen gesicherte Fakten, um verantwortliche und den künftigen Herausforderungen gerecht werdende Entscheidungen treffen zu können. Deshalb bitte ich ausdrücklich um die Unterstützung unserer entsprechenden Entschließungsanträge.

Vielen Dank.

(Beifall der CDU)

Das Wort hat Frau Abgeordnete Grosse.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir im Rahmen der Haushaltsberatungen über den Einzelplan 06 sprechen, möchte ich zunächst feststellen, dass wir genug Spielraum für eine kreative und innovative Sozialpolitik haben, was sich daran messen lässt, dass wir für das Jahr 2002 1,229 Milliarden Euro veranschlagt haben. Das ist eine Steigerung von 0,5 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr. Im Jahr 2003 wird es eine weitere Steigerung auf 1,254 Milliarden Euro geben.