Protocol of the Session on May 21, 2001

.........................................................................................................................23 Präsident Grimm:............................................................................................................................. 23, 36

2. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz am 21. Mai 2001

Die Sitzung wird um 9:30 Uhr vom Präsidenten des Landtags eröffnet.

Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die zweite Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz.

Zu schriftführenden Abgeordneten berufe ich Frau Beate Reich und Herrn Christian Baldauf. Frau Reich führt die Rednerliste.

Entschuldigt ist für heute der Abgeordnete Johannes Berg.

Ich freue mich, erstmals im Landtag neue Abgeordnete begrüßen zu können, und zwar Frank Puchtler, der für den ausgeschiedenen Abgeordneten Karl Peter Bruch nachgerückt ist, Ulrich Seiler, der für den ausgeschiedenen Abgeordneten Hendrik Hering nachgerückt ist, und Herrn Reinhold Hohn, der für den ausgeschiedenen Abgeordneten Günter Eymael nachgerückt ist. Außerdem hat Frau Friederike Ebli erneut das Mandat für den ausgeschiedenen Abgeordneten Roland Härtel angenommen. Herzlich willkommen und gute Zusammenarbeit!

(Beifall im Hause)

Mit besonderer Freude begrüße ich den Kollegen Erhard Lelle, der heute einen Schnapszahlgeburtstag feiert. Er wird 55 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall im Hause)

Meine Damen und Herren, die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Gibt es Bemerkungen oder Anträge zur Tagesordnung? – Das ist nicht der Fall. Dann stelle ich die Tagesordnung so fest.

Ich rufe den einzigen Punkt der Ihnen vorliegenden Tagesordnung auf:

Abgabe der Regierungserklärung durch den Ministerpräsidenten

Hierzu erteile ich Herrn Ministerpräsidenten Beck das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Dies ist die erste Regierungserklärung in diesem hohen Hause nach der Jahrhundertwende, und wir sollten dies als ein sinnfälliges Zeichen begreifen. Vor uns liegen neue Herausforderungen, die tiefer gehen als die zahllosen Probleme, denen die Politik im Laufe der Jahre immer wieder begegnet, Herausforderungen, die uns allen

neues Denken und Mut zu entschlossenem Handeln abverlangen werden.

Wir treten diesen Herausforderungen nicht mit leeren Händen und unbedarftem Sinn entgegen. Wir können und müssen an die Lehren und Erfahrungen anknüpfen, die wir in den vergangenen Jahren, in der langen und erfolgreichen Entwicklungsgeschichte unseres Landes Rheinland-Pfalz, gesammelt haben. Wir sind uns bewusst, dass wir Neuland betreten, aber wir machen uns voller Zuversicht auf den Weg.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, diese Zuversicht beziehen wir nicht zuletzt aus dem breiten Vertrauensvotum, mit dem die Bürgerinnen und Bürger von Rheinland-Pfalz am 25. März dieses Jahres das Regierungsbündnis aus Sozialdemokraten und Freien Demokraten im Amt bestätigt und zugleich mit einem Mandat zur Fortsetzung ihrer gemeinsamen Regierungsarbeit versehen haben.

(Beifall der SPD und der FDP)

Dieser Regierungsauftrag ist uns nunmehr zum dritten Mal in Folge erteilt worden, und ich darf – Sie werden das wohl verstehen – durchaus mit Freude hinzufügen: Die Zustimmung zu dieser Landesregierung ist noch nie so breit und deutlich ausgefallen wie diesmal.

Wir alle wissen, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist. Deshalb gilt mein herzlicher Dank den Bürgerinnen und Bürgern, die uns ihr Vertrauen geschenkt haben. Ich kann Ihnen allen von dieser Stelle aus versprechen, dass wir mit diesem Vertrauen pfleglich umgehen werden. Zugleich begreifen wir es als einen Auftrag, nicht mit dem bereits Erreichten zufrieden zu sein, sondern alles daranzusetzen, neuen Herausforderungen auch mit neuen Lösungen zu begegnen.

Ich wende mich aber ausdrücklich auch an die Bürgerinnen und Bürger im Lande, die uns nicht gewählt haben. Ich möchte für beide Parteien dieser Landesregierung erklären: Diese Regierung ist nicht nur ihren Wählern, sondern dem Wohle aller Menschen in unserem schönen Land Rheinland-Pfalz verpflichtet.

(Beifall der SPD und der FDP)

Mit diesem Bekenntnis möchte ich die beiden Fraktionen der Opposition hier im Landtag zur Zusammenarbeit und zum gemeinsamen Ringen um bessere, zukunftsweisende Antworten auf die Fragen unserer Zeit einladen.

Wenn auch in den Wochen des Wahlkampfes scharfe und bisweilen auch unbedachte Worte gefallen sein mögen, so ist jetzt der Wahlkampf vorbei. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns, dass wir uns ernsthaft an die Arbeit für die nächsten fünf Jahre machen. Lassen Sie uns gemeinsam in diesem hohen Hause um die besten Lösungen für unser Land ringen. Dies ist die angemessene Bühne dafür, und ich freue mich auf die zukünftigen Debatten nicht zuletzt auch deshalb, weil im neuen Landtag viele neue Gesichter und – ich bin überzeugt – damit auch neue und frische Ideen vertreten sind.

Diesen Aufruf zur Zusammenarbeit zum Wohle unseres Landes möchte ich auch neben den Fraktionen im Landtag auf alle wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Kräfte in Rheinland-Pfalz ausdehnen. Die Landesregierung legt größten Wert auf die Erfahrung, das Wissen und die wertenden Stellungnahmen, mit denen die Kirchen, die Gewerkschaften, die Wirtschaftsverbände, aber auch viele andere engagierte Gruppen die Landespolitik begleiten und anreichern. Gerade in Zeiten des Umbruchs und Aufbruchs sind wir alle auf wechselseitiges Lernen und offenen Umgang auch mit kritischen Stimmen angewiesen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Verehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Aufbruch in ein neues Zeitalter für Staat, Gesellschaft und Wirtschaft, den wir in diesen Jahren erleben, stellt viele Erfahrungen aus den letzten Jahrzehnten in Frage. Die Faustregeln von gestern sind eben nicht immer hilfreich bei der Aufgabenlösung von heute und für morgen.

Gleichwohl ist die Landespolitik auf klare Vorgaben, auf ein anstrebenswertes Ziel und auf tragende Werte angewiesen, die den vielen einzelnen politischen Entscheidungen und Maßnahmen Sinn und Richtung geben. Ich sehe in all den vielen Diskussionen drei Leitgedanken, an denen diese Landesregierung ihre Politik über den einzelnen Tag hinaus orientieren will.

Wir brauchen eine neue und umfassende Bereitschaft zur Mobilität und zum Lernen.

Wir brauchen einen wachen Sinn für Sicherheit und Gerechtigkeit.

Schließlich brauchen wir ein lebendiges Bewusstsein für unsere Verankerung in einem die vertrauten Grenzen überwindenden Europa.

Die von mir geführte Landesregierung bekennt sich sehr eindeutig zu diesen drei Leitgedanken von Modernisierung, Sicherheit und Europabezogenheit. In ihrem wechselseitigen Bezug werden sie zu einer Neubestimmung der Aufgaben von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft führen.

Diese Leitgedanken schließen auch ein Bekenntnis zum Grundsatz der Nachhaltigkeit ein, der die Verknüpfung der wirtschaftlichen Entwicklung und der sozialen Wohlfahrt mit dem dauerhaften Schutz der Lebensgrundlagen zum Ziel hat und notwendigerweise auf internationale Zusammenarbeit verweist.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, auch RheinlandPfalz als ein Land mit reichen und tief verwurzelten Traditionen hat in den letzten Jahren auf nahezu allen Feldern die Notwendigkeit erfahren, mit neuen Herausforderungen fertig zu werden und überkommene Strukturen in umfassender Weise zu modernisieren.

Nun gibt es seit einiger Zeit eine aufgeregte Debatte über die Chancen und Risiken, über richtige und falsche Modernisierung. Ich möchte auf diese Debatte nicht im Einzelnen eingehen, sondern nur in aller Klarheit auf

zwei unabdingbare Notwendigkeiten hinweisen, auf die auch die Landespolitik reagieren muss.

Wenn wir die Aufgaben von morgen lösen wollen, müssen wir Mobilität und Lernbereitschaft stärker kultivieren, als wir dies bislang getan haben. Gesteigerte Mobilität und Lernbereitschaft werden sich in allen Lebens- und Arbeitsbereichen bemerkbar machen.

Die Bereitschaft und Fähigkeit, neue berufliche Wege einzuschlagen, gehört ebenso dazu wie die Bereitschaft, immer wieder veraltete Kenntnisse aufzufrischen und sich neue Wissensbereiche zu erschließen.

Dies gilt gleichermaßen für die Absolventin eines Hochschulstudiums wie auch für den Gesellen in einem Handwerksbetrieb, für den Manager eines Exportunternehmens wie für die Frauen, die nach einigen Jahren der Kinderbetreuung wieder ins Berufsleben einsteigen wollen.

Aus dieser Vorrangigkeit von Mobilität und Lernbereitschaft ergeben sich auch neue Erwartungen an die Politik, gerade auch an die Landespolitik. Sie wird sich in Zukunft immer auch daran messen lassen müssen, ob und wie es ihr gelingt, den Menschen neue Mobilitätsund Bildungschancen zu eröffnen.

Es reicht für die Politik nicht mehr, das altbekannte Stück vom Vater Staat zu geben, der von oben herab für Ordnung und Wohlfahrt sorgt.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP)

Heute brauchen wir einen Staat, der selbst bereit ist, dazuzulernen und seine Hauptaufgabe darin sieht, im Dialog mit seinen Bürgerinnen und Bürgern nach besseren Wegen zu neuem Wissen und Chancen zu suchen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine Damen und Herren, allerdings ist es mit noch so wohl gemeinten Modernisierungsstrategien allein nicht getan. Wir alle in diesem hohen Hause wissen, dass der Aufbruch zu neuen Ufern nicht nur freudige Erwartungen, sondern bisweilen auch Skepsis und Ängste auslösen kann.

Deshalb wird diese Landesregierung ihre Politik einer umfassenden Modernisierung immer auch durch eine Politik ergänzen, die sich den Geboten von Gerechtigkeit und Sicherheit verpflichtet fühlt. Neben die Ermunterung für die Starken muss auch die Solidarität für die Schwachen treten.

(Beifall der SPD und der FDP)

Dabei möchte ich Gerechtigkeit und Sicherheit durchaus in einem weiten Sinne verstanden sehen. Sicherheit bedeutet dann einerseits in einem sehr handfesten und traditionellen Verständnis Schutz im Alltag vor Verbrechen, allerdings auch Schutz in sozialen Notlagen, bei Krankheit und im Alter. Sicherheit muss aber in Zukunft auch darauf ausgerichtet sein, dass die Bürgerinnen und Bürger durch staatliche Hilfen dazu ermuntert werden, selbst aktiv zu werden und immer wieder den Anschluss

an die Arbeitswelt oder andere Formen des Gemeinschaftslebens zu finden.

Bisweilen wird in der öffentlichen Diskussion der Eindruck erweckt, Modernisierung und Sicherheit seien Gegensätze. Ich halte dies für falsch. Dies ist eine fahrlässige Verunsicherung vieler Menschen. Das Gegenteil ist nach meiner Überzeugung richtig: Modernisierung und Sicherheit gehören untrennbar zusammen.