Protocol of the Session on May 21, 2001

Bisweilen wird in der öffentlichen Diskussion der Eindruck erweckt, Modernisierung und Sicherheit seien Gegensätze. Ich halte dies für falsch. Dies ist eine fahrlässige Verunsicherung vieler Menschen. Das Gegenteil ist nach meiner Überzeugung richtig: Modernisierung und Sicherheit gehören untrennbar zusammen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Eine umfassende Modernisierung, die die Gesellschaft nicht in Gewinner und Verlierer spaltet, ist nur dann möglich, wenn die Bürgerinnen und Bürger den Herausforderungen der Zukunft mit dem Gefühl entgegentreten können, in Notlagen auf den Schutz des Staates und die Solidarität der Gesellschaft bauen zu können.

Neben dem Leitgedanken der Modernisierung und der Sicherheit wird sich die Politik der Landesregierung für die kommenden Jahre am Leitbild eines zusammenwachsenden Europas orientieren. Wir befinden uns seit dem Gipfel von Nizza für die kommenden Jahre in einer entscheidenden Diskussionsphase über die zukünftige verfassungsmäßige Ausgestaltung Europas. Dies ist ein Vorhaben von wahrhaft historischer Dimension, und wir wollen unter anderem im Rahmen des Ausschusses der Regionen zu diesem Vorhaben unseren Beitrag leisten.

Gerade Rheinland-Pfalz mit seiner Lage mitten in Europa und vor dem Hintergrund einer engen, historisch gewachsenen Zusammenarbeit mit unseren europäischen Nachbarn ist besonders aufgerufen, im Reigen der europäischen Regionen an einer friedlichen Zukunft in Europa im Interesse aller mitzuarbeiten.

Die Erfahrung guter Nachbarschaft ist für uns nicht nur eine Erfahrung auf der Ebene staatlicher Kontakte. Unzählige Begegnungen über vormals trennende Grenzen finden jeden Tag mit großer Selbstverständlichkeit statt. Ich sehe darin ein wichtiges europäisches Zukunftspotenzial, das wir sorgfältig pflegen, vermehren und einsetzen wollen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Alle drei Leitgedanken – Modernisierung, Sicherheit und europäische Ausrichtung – sind in der politischen Wirklichkeit unserer Tage aufeinander bezogen. Es ist die Aufgabe einer vorausschauenden Politik, diese Leitgedanken nicht gegeneinander auszuspielen, sondern auf allen Feldern der Landespolitik danach zu streben, diese übergeordneten Ziele gleichzeitig zu verfolgen und daraus zusätzliche Dynamik und Kraft zu gewinnen.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, die Arbeiten der beiden Verhandlungsdelegationen von SPD und FDP haben in den hinter uns liegenden Wochen in vertrauensvoller Atmosphäre ein gemeinsames Arbeitsprogramm für die kommende Legislaturperiode erbracht, das den Herausforderungen, die ich soeben skizziert habe, wie wir sicher sind, in verantwortungsvoller Weise Rechnung trägt.

Die Koalitionsvereinbarung liegt der Öffentlichkeit vor. Sie enthält in insgesamt 24 Abschnitten für alle Bereiche der Landespolitik hunderte von großen und kleinen politischen Vorhaben. Ich kann Ihnen versichern: Schon ein kurzer Blick zeigt, dass die Landesregierung auch in ihrer dritten gemeinsamen Legislaturperiode mit ungebrochenem Arbeitseifer ans Werk gehen wird.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wir sind überzeugt: Wer die Zukunft meistern will, muss fleißig sein. – Ich verspreche Ihnen: Wir werden uns in puncto Fleiß von niemandem übertreffen lassen.

Meine Damen und Herren, wir wollen nicht die Zahl der einzelnen Vorhaben zum Maßstab für eine zukunftsweisende Landespolitik machen, sondern es kommt darauf an, dass die einzelnen politischen Maßnahmen in die richtige Richtung gehen und sie in sich die Orientierung an den von mir soeben umrissenen Zielen erkennen lassen.

Ich möchte Ihnen deshalb nicht alle Einzelvorhaben vortragen, sondern die Grundlinien unserer Politik für die kommenden Jahre auf sechs zentralen Feldern anhand herausragender politischer Vorhaben darstellen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, kein Bereich ist im Hinblick auf die Herausforderungen der Zukunft bedeutsamer als das Feld von Bildung und Wissenschaft. Hier werden sowohl für den Einzelnen als auch für die Entwicklung unseres Landes insgesamt entscheidende Weichen gestellt. In einer Wissensgesellschaft ist die stete Bereitschaft und Fähigkeit, Neues zu lernen und in den Alltag einfließen zu lassen, von zentraler Bedeutung.

Schließlich müssen wir uns auch für das zusammenwachsende Europa im Bildungs- und Wissenschaftsbereich vorbereiten. Die Einheit Europas wurzelt in den Köpfen der Menschen. Sie setzt Vernunft und Wissen voraus. Sie ist ein wahrhaft aufklärerisches Projekt.

Aus all diesen Gründen macht die Landesregierung – wie schon in den zurückliegenden Jahren – den Bildungs- und Wissenschaftsbereich zu einem Schwerpunkt ihres Handelns.

Gute Schule machen heißt vor allem, guten Unterricht anbieten. Deshalb ist und bleibt die Sicherung der Unterrichtsversorgung auf hohem Niveau eine der Hauptaufgaben der Schulpolitik, die wir mit mehreren Maßnahmen angehen und der wir entsprechend nachkommen wollen.

Um den im nächsten Schuljahr noch zu erwartenden Anstieg der Schülerzahlen zu bewältigen, stehen hundert zusätzliche Lehrerstellen zur Verfügung. In den Grundschulen sollen zusätzliche so genannte „Feuerwehr-Lehrer“ eingesetzt werden, um Unterrichtsausfall zu vermeiden.

(Keller, CDU: Das war aber Zeit)

Wir werden in Zukunft neue, flexible Instrumente einführen, wie zum Beispiel ein eigenes Budget der Schulen für die Einstellung von Vertretungskräften. Dafür sind pro Jahr 30 Millionen DM eingeplant.

(Beifall der SPD und der FDP)

Auf diese Weise wollen wir den Schulen vor Ort die Möglichkeit geben, schnell auf Unterrichtsausfall zu reagieren. Auch sollen die Schulen in Zukunft bei der Einstellung von Lehrern mehr beteiligt werden.

Insgesamt werden wir den Lehrerberuf attraktiver machen. Eine höhere Besoldung von Lehramtsanwärtern und Studienreferendaren, ein Quereinsteigerprogramm, die Anhebung der Dreiviertel-Angestelltenstellen auf volle Beamtenstellen sowie eine Modernisierung der Lehrerausbildung werden Zug um Zug die Situation unserer Lehrerinnen und Lehrer und damit auch die Qualität des Unterrichts insgesamt verbessern.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ein besonderes Augenmerk werden wir, wie auch in der Vergangenheit, auf die Weiterentwicklung von Multimedia in den Schulen und in der Lehrerfortbildung legen.

Mit dem Aufbau eines Ganztagsschulangebots für alle Schularten werden wir in Rheinland-Pfalz ein bundesweit einmaliges bildungs- und familienpolitisches Zeichen setzen.

(Beifall der SPD und der FDP)

Schon jetzt – darüber sind wir froh – beeinflusst diese Diskussion die Orientierung in unserem Land, aber auch die Diskussion in anderen Bundesländern, maßgeblich. Dieses Ganztagsangebot soll regional ausgewogen und bedarfsgerecht zunächst an rund 300 Schulen realisiert werden. Dafür werden wir rund 1.000 zusätzliche Lehrer und pädagogische Fachkräfte einstellen. Die neuen Ganztagsschulen sind ein Angebot an die Eltern und Kinder. Es wird ihr freier Entschluss sein, dieses Angebot zu nutzen.

In der mittelfristigen Finanzplanung sind dafür 30 Millionen DM im Jahr 2002, 70 Millionen DM im Jahr 2003, 100 Millionen DM im Jahr 2004 und jeweils 120 Millionen DM ab dem Jahr 2005 vorgesehen. Mit anderen Worten: Wir werden diesen Quantensprung in der Schulpolitik solide finanzieren.

(Beifall der SPD und der FDP)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das Beispiel der Ganztagsschule zeigt, dass wir mit unserer Politik die bisherigen Schablonen im Denken überwinden und neue Wege gehen. Die Schule der Zukunft ist nicht nur eine bildungspolitische, sondern zugleich auch eine frauen-, familien-, kultur- und arbeitsmarktpolitische Größe.

Neben der Ausbildung der Kinder schafft sie zugleich Entfaltungs- und Berufschancen für die Familien, für Frauen und Männer, die Kinder und Beruf haben wollen, und sie eröffnet auch neue pädagogische Möglichkeiten.

Das neue Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend eröffnet die Chance, diese zentrale gesellschaftspolitische Forderung unter dem Dach eines Ressorts zu gestalten.

Ich möchte deshalb alle – Eltern, Lehrer und Schüler – aufrufen: Helfen Sie mit, dass dieses Modell ein Erfolg wird, und nutzen Sie die Chancen, die es allen Beteiligten bietet!

(Beifall der SPD und der FDP)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, eine gute Schulpolitik muss darauf bedacht sein, die Kinder gemäß ihren Begabungen zu fördern und ihnen für ihren späteren Lebensweg eine solide Grundlage zu schaffen. Hier werden wir wie bisher die schon eingeleiteten Schritte weiterentwickeln und ausbauen. Dazu gehört der Ausbau des Fremdsprachenunterrichts an allen Schularten sowie die Stärkung der Naturwissenschaften.

Damit kommen wir den Anforderungen der weltweit vernetzten Wirtschaft nach. Zugleich bereiten wir unsere Jugendlichen auf eine immer intensiver werdende Zusammenarbeit im vereinten Europa vor.

Besonderes Augenmerk gilt unseren Hochbegabten. Neben den bisherigen bewährten Förderungen werden wir ein System zur Hochbegabtenförderung an den drei Hochschulstandorten Mainz, Kaiserslautern und Trier aufbauen, das wir mit den drei an diesen Standorten vorgesehenen Internationalen Schulen verbinden werden. Auf diese Weise wird schon im Ansatz die Öffnung und Hinwendung zum internationalen Wissens- und Kulturaustausch deutlich, den eine zeitgemäße Bildungspolitik haben muss.

(Beifall der SPD und der FDP)

Unser erfolgreiches Schulwesen setzt sich in einer vielfältigen und attraktiven Hochschullandschaft fort. Die Entwicklung der staatlichen Universitäten Mainz, Kaiserslautern, Trier und Koblenz-Landau sowie die Fachhochschulen auf allen entscheidenden Feldern voranzubringen, wird auch in den kommenden Jahren ein zentrales Anliegen der Landesregierung bleiben.

Hier sind viele einzelne Schritte geplant, die in ihrer Summe zur Verbesserung der Forschungsleistungen, des internationalen Austauschs und Wissenstransfers und zu einer fortlaufend hochwertigen Ausbildung uns erer Studenten führen.

Ich nenne nur die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit der Hochschulen, ein Feld, auf dem Rheinland-Pfalz bereits bundesweit führend ist.

(Beifall der SPD und der FDP)

Zu diesen Anstrengungen gehören auch die Anpassung von Studienangeboten und Studienabschlüssen an die internationalen Standards, die Stärkung des Praxisbezugs durch berufsintegrierende Studiengänge und die Förderung von Frauen im wissenschaftlichen, vor allem naturwissenschaftlichen Bereich.

Des Weiteren wird die Landesregierung ein gebührenfreies Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und bei konsekutiven Studiengängen bis zum zweiten berufsqualifizierenden Abschluss sichern.

(Frau Kohnle-Gros, CDU: Hört! Hört!)

Wir werden die Wettbewerbsfähigkeit der Forschung unseres Landes steigern. Zur Profilierung der Forschungslandschaft in Rheinland-Pfalz wollen wir deshalb die Kompetenzzentren der Hochschulen weiter ausbauen und die außeruniversitären Forschungseinrichtungen noch besser mit den Hochschulen vernetzen.

Um die Forschungsleistungen der Hochschulen möglichst schnell und umfassend für die Gesellschaft nutzbar zu machen, werden wir die „Stiftung Innovation“ dem Wissenschaftsministerium zuordnen, damit wichtige Steuerungsimpulse unmittelbar erfolgen können.

Verehrte Damen und Herren, eine moderne Gesellschaft muss stetig eine lernende Gesellschaft sein. Einmal erworbenes Wissen reicht nicht mehr für ein ganzes Arbeits- und Berufsleben. Deshalb werden wir systematisch unsere Weiterbildungsanstrengungen auf allen Ebenen ausbauen. Ein neu errichteter „Sachverständigenrat Weiterbildung in Rheinland-Pfalz“ wird diese Aufgabe begleiten und Initiativen zur zukünftigen Ausgestaltung des Weiterbildungsangebots einbringen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung finden nicht im luftleeren Raum statt, sondern sie sind in ein geistiges Umfeld aus Geschichtsbewusstsein, gesellschaftlicher Verantwortung und Kulturleben eingelagert. Auf allen drei Gebieten werden wir die erfolgreichen Initiativen der letzten Jahre fortsetzen und systematisch ausbauen.