Protocol of the Session on March 13, 2002

Was will die CDU in Bezug auf die Landespolitik tun? Welche Konsequenzen ziehen Sie aus der demographischen Entwicklung? Was machen wir mit der Tatsache, dass 2030 die Zahl der 20-jährigen 17 % und 2050 nur 15 % beträgt? Da muss ich schon sehr alt werden. Der Anteil der 60-järigen wird bereits 2030 von jetzt 24 % auf 37,4 % gestiegen sein. Das geht auf 40 % zu. Wir werden im Teil der Zivilgesellschaft darauf zu sprechen kommen. Wer jetzt nicht den Blick auf fünf und zehn Jahre in der Landespolitik lenkt, der macht sich eigentlich an diesem Land schuldig.

(Beifall bei SPD und FDP – Wiechmann, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Machen Sie das Lenken!)

Machen Sie sich keine Sorgen, das wird kommen.

(Schmitt, CDU: Das sollte eine Drohung sein! – Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

Herr Lelle, wir haben 85 Minuten. Ich habe ein dickes Papier, keine Sorge. War das sozusagen eine Provokation?

Ich will Ihnen damit sagen, das vollkommene Fehlen und das erwartete Fehlen von landespolitischen Zielsetzungen ist das Manko der Rede der CDU. Ich denke, es wird deutlich, ob Sie mit Ihrem Gestaltungswillen vorhaben, wieder eine andere Bank zu besetzen als diejenige, die Sie nun schon im elften Jahr besetzen. Es ist nicht so zu verstehen, dass ich mir das wünschen würde, aber deutlich wird auf jeden Fall, dass Sie sich nicht so dafür einsetzen, wie es sein müsste.

(Schmitt, CDU: Es hat sich so angehört!)

Schauen wir uns an, was PISA bewirkt hat? Es gab lange Zeit eine Debatte, da war Bildung und Schule etwas, was nicht im Vordergrund gestanden hat. Es steht jetzt plötzlich im Mittelpunkt, weil wir uns so sicher gefühlt haben. Aber es ist für Rheinland-Pfalz nicht der ausschlaggebende Punkt gewesen. Wir haben bereits mit der Einrichtung der Regionalen Schule unsere Antwort auf demographische Veränderungen gerade in der Fläche, auf Konzentrationen und auf die Möglichkeit gegeben, innerhalb eines Systems eine Ausbildung zu bekommen.

Ich muss heute sagen, mir ist fast die Banane aus der Hand gefallen. Die „Rheinzeitung“ schreibt in einem Kommentar, der Minister hätte gar nicht Unrecht mit der veränderten Lehrerausbildung. Das wäre der richtige Schritt. Aber der zweite Schritt, der würde fehlen; denn es wäre klar, dass die PISA-Studie sehr deutlich darauf abhebt, integrative Systeme – jetzt wird der Ministerin warm – in der Schule durchaus ihre Vorteile haben. Mit dem „durchaus“ beschreibe ich eine gewisse Zurückhaltung. Ich beschreibe auch, dass es sie gibt. Die Frage ist, ob wir uns im Land ideologiefrei darüber unterhalten können. (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das fragen Sie einmal Ihren Koalitionspartner!)

Das brauchen wir nicht. Als wir noch keinen Koalitionspartner hatten, hatten wir schon die Absicht zu sagen, integrierte Systeme soll es an der Stelle geben, an der es die Eltern wollen und sonst nirgends. Da lacht Herr Wiechmann. Das ist ihm zu viel Demokratie. Da verstehe ich es.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wir können nicht immer von einer Bürgergesellschaft reden. Wenn wir diejenigen fragen, deren Kinder wir beschulen wollen, wie sie die Systeme haben wollen und sie darüber lachen, dann ergibt das ein Demokratieprinzip, bei dem Sie noch viel lernen müssen. Sie sind noch jung. Ich bin sicher, sie werden es, damit sie sich jetzt nicht mehr aufregen müssen.

(Zurufe der Abg. Frau Thomas und Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Frage ist in der „Rheinzeitung“ aufgeworfen worden. Wir wollen sie nicht aufwerfen, weil wir glauben, dass damit die wirklichen Bildungsinhalte und -fragen total ideologisch überlagert würden. Kein Schulkrieg um integrative Systeme.

(Beifall der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Lelle, CDU)

Wir wollen alles, was dazu führt, Schule im Inneren besser zu machen. „Im Inneren“ heißt auch die Frage nach der Qualität in der Schule. Diese Frage ist obligatorisch zu stellen und nicht nur jenen, die es so wollen. Wir müssen das Produkt „Schule“, die Profession „Lehrer“ so ernst nehmen, wie wir es vielleicht in den letzten Jahren vorher nicht immer getan haben.

Ich sage noch einmal einen Satz, den ich schon oft gesagt habe. Insofern ist es keine Überraschung. Wir gehen mit Lehrerinnen und Lehrern nicht fair um, wenn wir nur eine Debatte danach führen, wer wie lang in der Schule arbeitet. Ich wünsche uns allen nicht eine schwierige Aufgabe wie die einer Lehrerin oder eines Lehrers in der achten oder neunten Klasse in der heutigen Zeit. In PISA stand auch eine Menge darüber, welche Tugenden vielleicht fehlen, die wir in der Gesellschaft nicht mehr ausreichend fördern, damit man in der Schule besser arbeiten kann.

Meine Damen und Herren, was uns eigentlich ins Herz hineinschneiden müsste, ist die Benachteiligung von Kindern aus schwierigen sozialen Verhältnissen und aus Zuwandererfamilien. Ich kann Herrn Kollegen Böhr verstehen, wenn er sagt, das Wichtigste ist eigentlich bei Zuwandererfamilien, dass das Deutsch von Anfang an gelernt wird. Wir müssen sogar ohne Vorurteile darüber reden, ob der muttersprachliche Unterricht zweckmäßig parallel sein kann. Die Frage der deutschen Sprache ist die Frage der künftigen Entwicklung dieses jungen Menschen. Das ist gar keine Frage.

Meine Damen und Herren, wer ansonsten die Botschaften der CDU in der Zuwandererfrage liest, der kann sich wirklich nur fragen: Ist das nur für Mainz gesagt oder gilt das für die gesamte CDU? Das ist die Frage, die dahinter steht, wenn Sie solche Dinge ansprechen.

(Beifall der SPD)

Das ist auch nicht besonders logisch. Ich sage es ganz zurückhaltend. Wir reden über Zuzugsalter. Wir, die wir angeblich die Familie mögen und stärken wollen, sagen jemandem, der zu uns kommt, es darf nur der 6-jährige sein, weil dann die sprachliche Integration noch möglich ist. Es darf nicht das 12-jährige oder 16-jährige Kind eines Einwanderers sein. Ich denke, man muss in Ruhe darüber nachdenken, was das bedeutet. In welchen anderen europäischen Nachbarstaaten wird so verfahren? Ist das mit dem großen Anspruch, den wir sonst immer haben, ein christliches Abendland zu sein, einigermaßen in Einklang zu bringen?

(Beifall bei der SPD)

Vor PISA haben wir die Ganztagsschule den Bürgern angeboten. Sie haben sich vor einem Jahr für eine sol

che Politiklösung entschieden. Wir werden bis zu 60 Millionen Euro ausgeben müssen, um die neuen 300 Ganztagsschulen zu organisieren. 81 sind es in diesem Jahr.

„Hanna Granata“, so nannte man sie liebevoll und ehrfurchtsvoll, hat dazu im „Pfälzischen Merkur“ Folgendes gesagt. Man muss nicht nur die Bauernzeitung lesen, sondern auch den „Pfälzischen Merkur“. Es war Renate Laurin. Sie ist eine streitbare, aber beeindruckende Dame. Sie hat gesagt: „Ich habe mein Leben lang für die Ganztagsschule gestritten und bin in meiner Partei, der CDU, leider auf wenig Verständnis gestoßen.“ Jetzt kommt Berlin. „Ich habe in Berlin versucht, Ganztagsschulen einzuführen und hatte einen hinreißenden Erfolg. Ganze drei. Es ist Quatsch, wenn gesagt wird, durch Ganztagsschulen würden Familien geschwächt. Sie haben im Gegenteil mehr Zeit füreinander, wenn sie zusammen sind. Hier gibt es viel ideologischen Widerstand. Das falsche Denken muss jetzt weg.“ Jetzt ist die Chance dazu, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wir haben gesagt, die Bildungschancen ist das eine. Wir werden dazu auch 1.000 Lehreräquivalente schaffen müssen. Es ist nicht so, wir könnten einfach im Personal herumfuhrwerken. Es war schon bei der letzten Debatte bemerkenswert, dass gesagt wird, es solle Personal abgebaut werden. Heute sind auch die 262 zu nennen, die außerhalb der Lehrer innerhalb von elf Jahren mehr sind. Wir stellen mehr Personal ein. Wissen Sie, wir müssen es auch. Es bleibt uns keine andere Wahl, wenn wir die Frage von Qualität in der Schule ernst nehmen. Pauschale Wünsche nach Abbau von Personal des Landes sind unrealistisch, unredlich oder beides.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wir wollten über die Infrastruktur reden. Bemerkenswerterweise ist im Raumordnungsbericht beschrieben, dass die Region Bitburg als ein ganz besonderes Beispiel der Entwicklung im ländlichen Raum vom Sorgenkind zum wirtschaftlich aufstrebenden Raum werden wird. Die Gründe dafür sind diejenigen, die wir hier vorgehalten bekommen.

In der Wirtschaftspolitik wird uns gesagt, es sind unsere Nachbarn. In Bitburg ist es so, dass das dynamische Wachstum von Luxemburg und die positive Entwicklung ortsansässiger Betriebe eine große Rolle spielen. Was mich jetzt einmal innehalten lässt, ist, auf der einen Seite machen wir, die Politik – wenn Sie da ausgelassen werden wollen, nehme ich Sie heraus –, so, als ob wir in der Lage wären, die Wirtschaft von hü nach hott zu lenken, und wir brauchten nur auf diesen oder jenen Knopf zu drücken, dann wäre das zu machen. Das ist eine Vorstellung, die schon vor 30 Jahren irrig gewesen ist. Ich gebe zu, vor 30 Jahren habe ich ihr angefangen. Es sind die positiven Entwicklungen ortsansässiger Betriebe. Es sind die Rahmenbedingungen, die ein Land durch Straßen, durch Infrastruktur, durch Ausbildung leisten kann.

Herr Wirtschaftsminister, es ist auch die Initialzündung bei denen, die in den ersten zwei Jahren sicherlich erst

einmal das Laufen lernen müssen, aber es ist am Ende immer die innovative Kraft von Betriebseigentümern und Mitarbeitern. Das ist die Wirtschaft. Die Lenkbarkeit von Wirtschaft über den Staat ist eine Illusion, der wir nicht mehr anhängen sollten.

(Beifall der SPD, der FDP und des Abg. Dr. Gölter, CDU)

Meine Damen und Herren, das heißt nicht, dass wir nicht die Voraussetzungen dafür schaffen müssen, dass jemand starten kann. Im Übrigen wird das am Flugplatz Hahn deutlich. Frau Thomas, da möchte ich Sie einmal bitten, etwas gemäßigter und gegebenenfalls sachkundiger aufzutreten. Hier wird dauernd die Ryanair als eine Airline beschrieben, die subventioniert wird. Das ist entweder falsch, oder Sie lügen. Sie wissen es besser. Gehen Sie in den Finanzhilfebericht und suchen Sie mir die Stelle, wo es steht. Ich bin bereit, alles abzuschwören. Ich weiß, ich sehe es an Ihrem Lächeln. Ich sehe es doch. Wissen Sie, Sie werden sagen, ja aber die Bedingungen, dass die bei Ihnen auf dem Flugplatz Hahn landen können, sind so günstig wie in Frankfurt nicht. Das will ich Ihnen auch gern erklären. Da will ich Ihnen sagen, was es heißt, Unternehmen zu sein, was es heißt, Landesregierung zu sein, was es heißt, Gewerkschaften zu sein, und was es heißt, Regierung zu sein.

Meine Damen und Herren, es gibt drei Sorten Tarifverträge für Angestellte auf Flughäfen. Es gibt die vom Flughafen Frankfurt. Es gibt die in Deutschland, und es gibt die auf dem Flugplatz Hahn. Dort verzichten die Mitarbeiter in der Startphase des Flughafens auf viele Vergünstigungen, die sie in Frankfurt haben können. Wissen Sie was? Das gibt es in schlecht entwickelten Gebieten des Öfteren. Dies nenne ich Verantwortung und Teilhabe, und sonst gar nichts; erster Punkt.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wir haben also einen kostengünstigeren Flughafen. Wir wissen vor Ort, warum wir ihn haben wollen, dass nämlich die zu uns kommen, die selber Starter und Pioniere sind wie Ryanair. Es gibt keine Subvention für Ryanair. Es gibt ein ganz normales Abkommen der Flughafen AG mit einer Airline, die versucht, gemeinsam die Interessen eines neu startenden Projekts, nämlich Ryanair, aber auch eines neu startenden Projekts wie Hahn zu verbinden. Deshalb finde ich es diffamierend, zu sagen, die kriegen Staatsknete, damit sie billig fliegen können. Dies ist schlicht unwahr, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und bei der FDP)

Wenn wir über Infrastrukturen reden, dann reden wir natürlich auch über die Fachhochschulen, die wir in der letzten Periode schon weit ins Land hineingebracht haben. Es haben uns alle ein bisschen merkwürdig angeschaut. Heute sind es die Wachstumskerne. Was Bernhard Vogel als Idee für Kaiserslautern und Trier gehabt hat – heute zwei prosperierende Universitäten mit wichtigen Wachstumschancen in der Region –, das sind die Fachhochschulen von Jürgen Zöllner in den

nächsten Jahren. Genauso wird es werden, meine Damen und Herren.

(Beifall der SPD und vereinzelt bei der FDP)

Die Idee ist meines Erachtens wirklich durchschlagend. Wir müssen in einem Raum durch staatliche Investitionen dafür sorgen, dass wir Bildung anbieten. Wenn es läuft und wir den Start geschafft haben, werden sich darum herum verbindende Industrien und Nutzer ansiedeln. Dann entsteht eine neue Struktur. Ich denke, deshalb ist die Schaffung der neuen Fachhochschulen einer der Punkte. Bitburg, Zweibrücken und Hahn beweisen das.

Es geht auch um die Frage, ob wir bei dem pfälzischen Regionalentwicklungspark die Holtzendorffkaserne anzustoßen haben. Wenn Sie da heute von der Autobahn abfahren, dann sehen Sie, was man gemeinsam machen kann. Dies ist die Wirtschaftspolitik. Aber es braucht noch einen, der bereit ist, auch sein eigenes Geld einzusetzen und zu sagen, da sind Schwierigkeiten, die ich überstehen muss. Da haben wir nicht die Möglichkeiten.

Da gehen wir jetzt einmal auf das Argument des Kollegen Böhr mit dem ABM-Markt ein. Ein bisschen stolz ist der Landrat des Rhein-Hunsrück-Kreises, Bertram Fleck, Mitglied der CDU, schon, dass er von der SGK, der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik, einen Preis für besonders innovative Arbeitsmarktpolitik bekommen hat. Herr Fleck, herzlichen Glückwunsch, wenn Sie zuschauen.

(Vereinzelt Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Wissen Sie, warum er den bekommen hat? Er hat gemeinsam mit dem Arbeitsamt, den Sozialämtern, der Kreisverwaltung, den Verbandsgemeinden, der Handwerkskammer und der Industrie- und Handelskammer einen runden Tisch gemacht und gesagt: Wer braucht wen und wo, und wie können wir jemand, der eine bestimmte Fähigkeit hat, so anlernen, dass du ihn morgen, übermorgen oder in drei Wochen oder in zwei Monaten nehmen kannst? – Wer das kaputt machen will, der nimmt den Leuten Entwicklungs- und Lebenschancen.

(Dr. Gölter, CDU: Das ist doch nicht ABM! – Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

So fängt es an. Es fängt mit ABM erst einmal an und mit der Ausbildung. Sehen Sie sich doch einmal Ihre Papiere an. Dann sagen Sie deutlicher, was Sie meinen. Es stimmt, was ich Ihnen sage. Sie schneiden pauschal ein, und wir können dann nachher am konkreten Fall durchochsen, wie wir da zurechtkommen. Genau das werden wir nicht tun.

(Beifall der SPD und der FDP – Zuruf des Abg. Bracht, CDU)

Glauben Sie, wir wüssten nicht, dass es dort natürlich auch Durchhänger gibt? Glauben Sie, wir wüssten nicht,