Protocol of the Session on January 24, 2002

Noch drastischer konnte man es am 3. November 2001 in der „Rhein-Zeitung“ lesen, in der die Aussage eines Krankenhausarztes wiedergegeben war, dass sich kaum jemand traue, den Mund aufzumachen, da viele, gerade junge Ärzte, nur befristete Arbeitsverträge hätten und die Arbeitgeber damit ein Druckmittel besäßen.

Die CDU hat sich mit dieser Problematik bereits frühzeitig beschäftigt. Zahlreiche parlamentarische Anfragen wurden jedoch unbefriedigend, ausweichend und manchmal nichts sagend beantwortet. Erst jetzt scheint

sich ausweislich der aktuell ergriffenen Maßnahmen des Ministers bei der Landesregierung die Erkenntnis durchzusetzen, dass es Bedarf gibt, der Einhaltung der Arbeitszeiten doch mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Diese Erkenntnis kommt aber recht spät. Bisher hat man das Thema bei der Landesregierung sehr schleifen lassen.

Es wird angeführt, dass staatliche Kontrollen durch die Gewerbeaufsicht durchgeführt wurden. Zu konkreten Ergebnissen enthält die Antwort auf unsere Große Anfrage aber keine Ausführungen. Hinzu kommt, dass die betreffenden Mitarbeiter auch für Überwachungen in anderen Betrieben und Wirtschaftszweigen zuständig waren. Statistische Angaben über Arbeitszeitverstöße liegen der Landesregierung nach der Antwort auf die Große Anfrage auch nicht vor, da entsprechende Aufzeichnungen nicht geführt wurden. Zur Dimension und Verbreitung von Verstößen gegen das geltende Arbeitszeitrecht in der Vergangenheit sind auch keine Aussagen in der Antwort möglich.

Meine Damen und Herren, die Einhaltung der geltenden Arbeitszeitbestimmungen dient dem Gesundheitsschutz des Personals, der Patientensicherheit sowie der Qualität der Medizin. So weit auch die Einsicht der Landesregierung. Vor diesem Hintergrund muss sie aber schon erklären, weshalb sie erst jetzt aktiv geworden ist. Ein Konzept zur Umsetzung der aktuellen Prüfungsaktion liegt offensichtlich auch nicht vor. Vielleicht hören wir dazu etwas.

Zwar erkennt man bei der Landesregierung den Handlungsbedarf bei dem Thema „Arbeitszeitbelastung in Krankenhäusern“ und will auch Gespräche über die künftige Arbeitszeitgestaltung führen, aber auf die Frage nach einem entsprechenden Handlungskonzept für Rheinland-Pfalz entgegnet man mit der Plattitüde, es werde die Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes ergebnisorientiert, aber zeitlich abgestuft mit allen Beteiligten vereinbart. Herr Minister, das kann wohl nicht alles sein.

Als Begründung für das verspätete Vorgehen kann die Landesregierung auch nicht allen Ernstes anführen, dass der § 5 des Gesetzes in Krankenhäusern erst seit 1996 gelte. Seitdem sind fünf Jahre vergangen.

(Beifall bei der CDU)

Gelegenheiten für eine Aufarbeitung bestanden genügend. Die CDU wird die Ergebnisse der bis Ende 2001 abgeschlossenen Prüfungsaktion sehr sorgfältig bewerten. Die Antwort auf die Große Anfrage lässt allerdings Zweifel an der Ernsthaftigkeit und Wirksamkeit des Vorhabens der Regierung zu. Ernsthafter ist da in unseren Augen eine Umfrageaktion der Landesärztekammer mit dem Ziel, ein wirklich repräsentatives Bild der Arbeitszeitbelastung von Klinikärzten zu erhalten. Dazu bittet die Kammer alle Klinikärzte, einen Fragebogen wahrheitsgemäß auszufüllen und zurückzusenden. Diese Angaben werden anonym und vertraulich behandelt und entsprechend anonym statistisch aufbereitet.

Ich komme zum Schluss: Herr Minister, ich würde Ihnen empfehlen – das meine ich jetzt nicht scherzhaft, sondern ich meine das ernst –, einen Klinikarzt bei einem

24-stündigen Dienst zu begleiten. Ich bin mir sicher, Sie würden Spannendes erleben.

(Beifall der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Marz das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen, meine Herren! Wenn ein Mensch 20/24 Stunden am Stück wach ist, hat er eine Einschränkung seiner Konzentrationsfähigkeit, als wenn er einen Blutalkoholgehalt von ungefähr 1,5 Promille hätte. Man könnte auch sagen, es ist so, als ob er betrunken wäre. Wenn dieser Mensch vielleicht eine Nacht durchgefeiert hat und sich am nächsten Tag schön ausruhen kann, ist das Ganze nicht weiter schlimm. Wenn der Mensch aber ein Arzt oder ein Lkw-Fahrer oder ein Busfahrer ist, kann das unter Umständen für die Betroffenen, nämlich für die Patienten oder für andere Verkehrsteilnehmer, ziemlich dramatische Auswirkungen haben. Genau das ist aber Realität in unseren Krankenhäusern, nämlich dass wir es häufig mit Ärzten zu tun haben, die so lange am Stück arbeiten und Patienten behandeln müssen.

Es gibt Bestimmungen, dass das nicht so ist. Der Grund für eine Einhaltung ist einfach der, die Patienten zu schützen. Natürlich hat das auch arbeitsschutzrechtliche Gründe, aber im Vordergrund steht der Schutz der Patienten. Deshalb gibt es diese Bestimmungen. Natürlich gibt es Behörden, die darauf achten müssen, dass diese Bestimmungen zum Nutzen der Patienten auch eingehalten werden.

Ich weise auf diese Umstände deshalb am Anfang der Begründung zu unserem Antrag hin, weil ich deutlich machen will, dass wir nichts Neues erfunden haben.

(Zuruf des Abg. Pörksen, SPD)

Ach, Herr Pörksen. Ich will einmal ein Wort an die Kollegen von der SPD-Fraktion richten: Vielleicht können Sie Herrn Pörksen häufiger hier reden lassen, damit er sein Mitteilungsbedürfnis nicht immer von dort hinten zufriedenstellen muss. Herr Pörksen, das ist unerträglich.

(Beifall des Abg. Wiechmann, BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser Antrag zielt nicht darauf ab, die Bestimmungen zu ändern, sondern unser Antrag zielt darauf ab, dass die Bestimmungen eingehalten werden und die Einhaltung der Bestimmungen überwacht wird.

Wir haben es mit zwei Komplexen zu tun. Zum einen mit dem Punkt, dass in Krankenhäusern regelmäßig Überstunden geleistet werden, die zu einer Überbelastung des dortigen Personals führen. Dieser Punkt ist rechtlich und auch in der Sache völlig unumstritten.

Der zweite Punkt – da ist es ein bisschen schwieriger – betrifft ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Oktober 2000 zu einem Fall, der in Spanien vorgefallen ist. Da das weit weg liegt, haben sich viele Verantwortliche in Deutschland lange gesagt: Das geht uns reichlich wenig an. – Dieser Fall bezieht sich auf die Anrechnung der Bereitschaftsdienste von Ärzten auf ihre normale Arbeitszeit. Dieses Urteil besagt, dass diese Bereitschaftsdienste in vollem Umfang auf die Arbeitszeiten der Ärzte anzurechnen sind.

Glücklicherweise hat sich inzwischen bestätigt, dass sehr viele deutsche Gerichte in dem Maß, in dem sie angerufen werden, diese Rechtsprechung übernehmen. Jeder, der sich nun darauf zurückzieht und meint, er könne diesem Urteil ausweichen, wird eine kräftige Bauchlandung erleiden.

Sowohl in Bezug auf die bestehenden Bestimmungen als auch auf die laufende Rechtsprechung ist der IstZustand zu rügen, weil die Interessen der Patienten zu kurz kommen. Deshalb haben wir den Antrag gestellt, dass die Landesregierung alles im Rahmen ihrer Möglichkeiten liegende tun soll und muss, um endlich die Einhaltung der Arbeitszeiten für Ärzte sicherzustellen.

(Beifall der Abg. Dr. Braun und Wiechmannn, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wissen auch, dass das einiges bedeutet. Es sind viele tausend Ärzte in den Krankenhäusern der Bundesrepublik Deutschland und auch im Land Rheinland-Pfalz einzustellen. Wir wissen auch, dass das einiges kostet.

(Frau Klamm, SPD: Die Ärzte haben wir doch gar nicht!)

Ach, die haben wir nicht. Sie versteigen sich mittlerweile zu Aussagen. Was wollen Sie denn noch alles tun, um diesem Problem auszuweichen? Die haben wir nicht. Das werden wir dann sehen. Versuchen Sie einmal die gesetzlichen Bestimmungen umzusetzen. Dann werden wir sehen, ob wir sie haben.

(Frau Klamm, SPD: Ich kann nur etwas umsetzen, wenn ich etwas habe! – Frau Spurzem, SPD: Wir können die Leute nicht zwingen, Medizin zu studieren!)

Was Sie draufhaben, sehen wir an Ihrem Antrag. Die Koalitionsfraktionen denken mittlerweile, sie müssten zu jedem Anliegen, das von der Opposition kommt, auch einen Alternativantrag stellen.

(Frau Spurzem, SPD: Was haben Sie für ein parlamentarisches Verständnis? – Unruhe bei der SPD)

Das Problem bei Ihnen ist nicht, dass wir uns dann im fairen Wettstreit zwischen den besten Lösungen befinden, sondern Sie leugnen sogar die Probleme.

Der Antrag fängt schon damit an, dass er das Problem leugnet. Er führt zur Einhaltung der gesetzlichen Arbeitszeit des Krankenhauspersonals – dieses müsse natürlich sichergestellt werden – aus: Durch eine Nichteinhaltung bestünde die Gefahr der Überforderung. – Das ist der Konjunktiv. Dieser sagt aus, wenn es so wäre, müsse man etwas tun. Genauso ist Ihr Antrag gestrickt.

Wir sagen – das ist gerichtsnotorisch und allgemein festgestellt –: Wir haben krasse Defizite, die auf Kosten der Patienten, der Ärzte und des Pflegepersonals gehen. Dem muss abgeholfen werden. Unser Antrag ist eindeutig.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Brinkmann das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Überstunden von Krankenhausärzten sind derzeit ein aktuelles Thema und beschäftigen seit Wochen die Medien, insbesondere die schreibende Presse. Die Schlagzeilen werden von Ärztevertretern hervorgerufen. Der Hartmannbund engagiert sich in besonderer Weise. Es stehen Streikdrohungen im Raum. Es steht im Raum, dass Ärzte künftig verhindern wollen, dass die Krankenhäuser Abrechnungen mit den Kassen vornehmen können.

Das ist nicht nur wortgewaltig, sondern es handelt sich um ganz massive Drohungen, die wir gerade aus diesem Bereich nicht gewohnt sind. Aus den gleichen Mündern der Ärztefunktionäre kommt auch der Hinweis, vorsichtig vorzugehen, denn es gebe sehr viele junge Ärzte, die für ihre Lebens- und Familienplanung durchaus allmonatlich die Überstundenentgelte in ihre Überlegungen einbezogen haben.

Es kommt von anderer Seite der Hinweis, wenn man die Überstunden abschaffen wolle, bräuchte man zusätzlich 15.000 Ärzte, die es überhaupt nicht gibt. Wir haben dieser Tage in Gesprächen mit Vorstandsmitgliedern einer Ärztekammer von einer Dame den Hinweis erhalten, dass viele junge Ärzte nicht mehr in die Krankenhäuser wollten bzw. in Krankenhäuser des Auslands gingen, weil sie die verkrusteten, hierarchischen Strukturen in unseren Krankenhäusern nicht mehr ertragen könnten und es – das ist nahezu wörtlich, wie ich das wiedergebe – einfach satt hätten, wie Kinder behandelt zu werden.

Ich möchte noch einen weiteren Punkt nennen, nämlich den Kostenfaktor. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten die Problematik der Krankenkassenbeiträge in vielfältiger Weise diskutiert. Es ist ein Faktor, der nicht wegzureden ist. Mehr Ärzte kosten natürlich auch Geld.

Meine Damen und Herren, ich habe eine Seite dargestellt. Die andere Seite – diese ist noch wichtiger – sind die Patienten; denn um die geht es in unserer Gesund

heitsversorgung. Diese gehen mit großem Vertrauen in die Krankenhäuser, um sich dort helfen zu lassen, weil sie die Hilfe notwendig haben. Sie sind dabei in aller Regel von den Therapien abhängig, die die Ärzte anwenden.

Meine Damen und Herren, diese Patienten haben ein Anrecht darauf, dass sie einen fitten Arzt zu ihrer Behandlung im Krankenhaus vorfinden.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es kann nicht hingenommen werden, dass sie einen Arzt zur Behandlung haben, der weder physisch noch ps ychisch im Vollbesitz seiner Kräfte ist, weil er einfach überarbeitet ist. Es ist auch nicht zumutbar, dass sie einen Arzt zur Behandlung vor sich haben, der kaum etwas anderes im Kopf hat, als endlich nach Hause zu kommen, um den verdienten Schlaf zu bekommen und deshalb unwirsch und unfreundlich reagiert, was die Patienten auch nicht verdient haben.

Meine Damen und Herren, dieses Problem ist gravierend. Es bedarf einer Lösung. Hieran besteht kein Zweifel. Es ist allerdings auch kein Problem, das es erst seit heute gibt.

Herr Kollege Dr. Enders, es ist vor allen Dingen kein Problem, für das allein diese Landesregierung zuständig ist.

(Vereinzelt Beifall bei SPD und FDP – Frau Spurzem, SPD: Das kann man so sagen!)

Wenn Sie aufmerksam die lokale Presse gelesen hätten, hätten Sie lesen können, dass vor etwa 14 Tagen im hessischen Landesparlament exakt die Debatte gelaufen ist, die wir heute führen. Die hessische Gesundheitsministerin hat vorgeschlagen – ich bin Hellseher; ich denke, das wird unser Gesundheitsminister nachher auch tun –, zuerst einmal an intelligente Arbeitszeitregelungen für Ärzte in Krankenhäusern heranzugehen.

Meine Damen und Herren, daran wird niemand vorbeikommen. Ich unterstelle, dass alle der Auffassung sind, dass dies ein Lösungsvorschlag ist, der unter dem Strich nicht ausreicht. Das ist ein Punkt, den man angehen kann. Dieser wird jedoch nicht ausreichen.

Wir haben das Problem nicht nur landes-, bundes-, sondern europaweit. Dies wird – Herr Kollege, Sie haben es angesprochen – durch das EU-Gerichtsurteil betreffend Valencia deutlich. Valencia ist nicht RheinlandPfalz. Valencia liegt auch nicht in der Bundesrepublik Deutschland, sondern im fernen Südeuropa. Diese Problematik geht quer durch Europa.