Protocol of the Session on February 17, 2006

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Leppla das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir besprechen heute zum zweiten Mal den vorliegenden Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Das erste Mal haben wir ihn am 15. September 2005 im Plenum besprochen. Das war zwei

Tage vor der Bundestagswahl. Heute sind es 37 Tage vor der Landtagswahl. Ich weiß nicht, ob das von Ihnen beabsichtigt war, aber das bietet mir jetzt die Möglichkeit, über die erfolgreiche Arbeit zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu berichten. Vielen Dank dafür.

(Marz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wer hat denn die Tagesordnung gemacht?)

Wir werden Ihren Antrag übrigens wie im Sozialpolitischen Ausschuss heute ablehnen. Er war und ist überflüssig, weil die Realität schon längst viel weiter ist.

Meine Damen und Herren, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine der grundlegenden Bedingungen für eine zukunftsgerichtete Gesellschaft. Viele Studien belegen mittlerweile eindeutig das konsumtive Verhältnis zwischen Erwerbs- und Familienarbeit. Betriebswirtschaftliche Effekte und familienfreundliche Maßnahmen rechnen sich für Unternehmen; denn Überbrückungs-, Fluktuations- und Wiedereingliederungskosten werden vermieden sowie eine höhere Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erreicht.

Meine Damen und Herren, Familienfreundlichkeit kann man aber nicht verordnen. Wir können nur Prozesse zur Verstärkung der Familienfreundlichkeit anstoßen.

In der Arbeitswelt tragen überwiegend Private und Tarifpartner die Verantwortung. Politik kann den Dialog suchen, gute Argumente kommunizieren und dabei mehr für Familien und ihre Bedürfnisse werben sowie ein gesellschaftliches Umdenken in Gang setzen.

In Rheinland-Pfalz gehen wir diesen Weg. Heute sind schon zwei Drittel aller Betriebe davon überzeugt, dass sich Familienfreundlichkeit auszahlt und eine gesteigerte Unternehmensbindung meistens auch eine höhere Produktivität zur Folge hat.

Das von Ihnen geforderte Maßnahmenbündel, das ich aufzählen wollte, ist wegen der Reduzierung der Redezeit jetzt etwas kürzer geworden. Sie alle kennen aber das Programm „Viva Familia“, das mit einer Vielzahl von Projekten, unter anderem mit den Arbeitsfeldern „familienfreundliche Arbeitszeiten“ und „neue Arbeitszeitformen“, zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Familien beiträgt.

(Beifall bei SPD und FDP)

Im Mai 2005 wurde vom Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend eine Informationsstelle „Innovative Arbeitszeitmodelle“ eingerichtet. Auch dies hilft. Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit fördert das Audit „Beruf und Familie“, dessen Ziel es ist, in einem auf das teilnehmende Unternehmen zugeschnittenen Prozess familiengerechte Lösungen zu finden und umzusetzen.

Im engen Zusammenhang damit stehen auch zum Beispiel die Unterstützung der lokalen Bündnisse für Familie und die dazugehörende Servicestelle, arbeitsmarktpolitische Programme zur Wiedereingliederung von

Frauen in das Erwerbsleben, die Beratungsstellen “Frauen und Beruf“ oder das Projekt „Führen in Teilzeit“.

Auch bei der Einführung von Studienkonten für ein gebührenfreies Erststudium ist darauf geachtet worden, dass die Notwendigkeit der Vereinbarkeit von Studium und Familie nicht zu kurz kommt. Es gibt einen Anspruch auf Verwendung des Studienkontorestguthabens unabhängig von Studiengang und Studiendauer für diejenigen, die minderjährige Kinder erziehen.

Meine Damen und Herren, wir wollen Rheinland-Pfalz zu einem besonders familienfreundlichen Land machen. Deshalb ist ein Schwerpunkt unserer Politik, ressortübergreifend Familien Hilfestellungen in allen Lebenslagen zu geben. Wir wollen, dass in Rheinland-Pfalz die Kinder glücklich aufwachsen und sich mehr junge Männer und Frauen für Kinder entscheiden.

Dazu brauchen wir diese guten Rahmenbedingungen.

Dies bieten wir auch mit unserem Landesprogramm „Zukunftschance für Kinder – Bildung von Anfang an“ an. Wir haben über 300 neue Ganztagsschulen im Land und werden wegen der enormen Nachfrage zum Schuljahresbeginn 2006 weitere einrichten.

Der Rechtsanspruch des Kindes auf einen Kindergartenplatz ab drei Jahre ist gesichert. Das wissen wir alle. Die Träger können heute schon jüngere Kinder in ihre Einrichtungen aufnehmen. Wir fördern auch die Tagespflege.

Wir werden als erstes westdeutsches Bundesland ab dem 1. August 2010 auch einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für zweijährige Kinder haben, wenn Eltern dies wollen. Eine finanzielle Entlastung für alle Eltern ist seit 1. Januar 2006 die Kostenübernahme des Beitrags für das letzte Kindergartenjahr vor der Einschulung. Wir, die SPD, planen bis 2010 unter anderem auch die stufenweise Einführung des kostenlosen Kindergartens generell.

Meine Damen und Herren, alle diese Maßnahmen sind solide finanziert.

(Beifall der SPD und der FDP)

Wir werden Rheinland-Pfalz noch familienfreundlicher gestalten, die Familien stärken und Menschen Lust auf Familie machen. Deshalb setzen wir uns zusammen mit der Landesregierung auch in Zukunft weiterhin für ein Bündnis aller politischen und gesellschaftlichen Kräfte ein, – –

(Glocke des Präsidenten)

Ich bin am letzten Satz. – – und zwar mit den Ländern, den Kommunen, den freien Trägern, den Kirchen, den Gewerkschaften, den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern und nicht zuletzt den Familien selbst und deren vielfältigen Organisationen und Initiativen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der SPD und der FDP)

Es spricht Frau Abgeordnete Schäfer.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Familien müssen im Mittelpunkt unserer Politik stehen. Unser Ziel ist es, Familien zu unterstützen und stark zu machen, damit die Eltern die Erziehungsverantwortung für ihre Kinder übernehmen können.

Es gibt Eltern, die ihre kleinen Kinder zunächst selbst zu Hause aufziehen wollen, und andere, die Familie und Erwerbstätigkeit vereinbaren wollen oder müssen. Bei beiden Erziehungsformen darf es keine Benachteiligungen geben.

Unser zentrales Anliegen ist, die Betreuungssituation zu verbessern. Die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit hat viele Facetten, die in der Kürze der Zeit nicht umfassend angesprochen werden können.

Wir haben viel gehört. Für die betroffenen Eltern ist eines ganz entscheidend: Es sind keine Worte, sondern Taten gefragt.

Meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, es reicht nicht, Meister im Erfinden schöner Begriffe und im Verkünden wohlklingender Botschaften zu sein. Auch reicht es nicht, den Eindruck zu vermitteln, als ob durch hübsche Aktionen Rheinland-Pfalz kinderfreundlich wäre.

(Beifall bei der CDU – Pörksen, SPD: Das müssen Sie gerade sagen!)

Bitte verlassen Sie Ihren theoretischen Familienalleinvertretungsanspruch. Wir erinnern daran, dass die großen familienpolitischen Leistungen von der CDU eingebracht wurden, wie zum Beispiel die Lernmittelfreiheit oder der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. Damit war Rheinland-Pfalz Vorreiter.

(Ministerpräsident Beck: Wie? Wo? Was? Wer? – Zurufe von der SPD)

Das von uns eingerichtete Landesfamiliengeld für kinderreiche und einkommensschwache Familien wurde von der SPD gestrichen. Ich habe es selbst gehört, wie der Ministerpräsident des Landes über das Radio einer mehrfachen Mutter, die sagte, dass sie das Geld dringend brauchte, erklärte: Wir müssen alle Opfer bringen.– Soll ich noch mehr aufzählen?

Meine Damen und Herren, es reicht nicht, auf Hochglanzbroschüren Familienfreundlichkeit zu versprechen und sie dann nicht zu halten. Wir erleben einen Unterschied zwischen der Theorie und der Praxis.

(Beifall der CDU)

Frau Kollegin Leppla, insofern wundere ich mich schon über ihre Aussage, einen Antrag nur deshalb abzulehnen, weil er angeblich überflüssig sei.

Es gibt viel Handlungsbedarf. Insofern kommt der Antrag der GRÜNEN kurz vor den Wahlen leider zu spät. Sie sprechen darin viele unterschiedliche Aspekte an, die wir im Einzelnen näher beleuchten müssten und von denen ich einen herausgreifen werde.

Die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit ist ein berechtigtes Anliegen der Eltern. Hier brauchen wir endlich Taten statt Worte und vor allem konsequentes Handeln. Im Antrag ist die Bildung angesprochen. Ich möchte Ihnen – hören Sie bitte einmal zu – nur ein Beispiel von vielen geben, das zeigt, wie Anspruch und Wirklichkeit auseinander klaffen.

Derzeit steht für viele Eltern die Wahl der weiterführenden Schule für ihr Kind an. Ich möchte Ihnen ein Beispiel aus dem Landkreis Mainz-Bingen geben. Hier gibt es derzeit die besondere Situation, dass sich aufgrund von Kapazitätsproblemen das Angebot für Eltern drastisch eingeschränkt hat und Kinder in einzelnen Schulen ihrer Wahl abgelehnt und einer anderen Schule zugewiesen werden. Das will ich nicht im Einzelnen thematisieren. Es geht mir nur um eines. Die Eltern haben sich in ihrer Not an das Bildungsministerium gewandt und um Unterstützung gebeten.

Frau Ministerin Ahnen, Sie haben aus Ihrem Ministerium die Antwort bekommen, es gebe lediglich ein Recht auf die Wahl einer Schulart, aber kein Recht auf die Auswahl einer Schule. Sie mögen formal Recht haben. Es ist aber erstens ein bildungspolitisches Armutszeugnis zu sagen, dass die Auswahl der geeigneten Schule entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Kinder ganz und gar unerheblich ist. Zweitens ist es ein Schlag für die Eltern, die Familie und Erwerbstätigkeit vereinbaren wollen oder müssen und die dafür zu Recht Hilfestellung in der Praxis und nicht in Hochglanzbroschüren erwarten dürfen.

(Beifall der CDU)

Es sind Eltern, die die Wahl ihrer Schule auch unter Gesichtspunkten der passenden Infrastruktur wählen, das heißt, die eine Schule aussuchen, die verkehrstechnisch so günstig liegt, dass sich dadurch die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit vereinbaren lässt.

(Glocke des Präsidenten)

Es gäbe noch viel zu sagen. Ich will es kurz machen. Es geht um die Umsetzung einer kind- und bedarfsgerechten Betreuung für die Kinder. Eines ist uns wichtig: Die Familien haben ein Recht darauf, dass mit diesem Thema ernsthaft umgegangen wird.

Frau Leppla, Sie haben insofern Recht, dass das Land zu einem kinderfreundlichen Land gemacht werden muss.

Vielen Dank.