Protocol of the Session on February 16, 2006

Das Vorgehen der Polizei orientiert sich ganz klar an der sehr einfachen Maxime: Wer schlägt, muss gehen. – Es gibt eine weitere Maxime: Die Rechte der Opfer stärken, aber auch dem Täter helfen. – In über 70 % der Fälle sind die Männer die Täter.

Vom 1. April 2004 bis zum 31. Dezember 2005 sind insgesamt 2.826 Täter aus den Wohnungen verwiesen worden. In der überwiegenden Zahl der Fälle wurde mit Einverständnis der Opfer eine Interventionsstelle eingeschaltet. Das ist der unverzichtbare Bestandteil der ersten Maxime, dass Gewalt keine Privatsache ist. Das Projekt hat gezeigt, dass wir gemeinsam auf dem richtigen Weg sind.

Wir haben nicht nur die Opferseite im Blick, sondern auch die Auseinandersetzung mit dem Täter. Mit dem Projekt „Täterarbeit“ ist ein völlig neuer Ansatz gewählt worden. Daher sind wir erst am Anfang einer Entwicklung, die wir noch weiter beobachten müssen. Wir wollen die Täter beraten und sie wieder zurückführen auf einen Weg, der nicht nur einen wirksamen Opferschutz gewährleistet, sondern auch eine nachhaltige Repression ausschließt.

Meine Damen und Herren, wir unterhalten uns oft über die Frage der Stärken der Polizistinnen und Polizisten. Ich stelle fest, dass in allen Bereichen, in denen heute ein höherer Beratungsbedarf besteht, wir mehr Menschen benötigen, die diese Beratung durchführen. Bei den nackten Zahlen stehen wir sehr gut da. Wir können sagen, dass wir bei Gewalttaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, bei Vergewaltigungen und bei Mord- und Totschlag eine sehr hohe Aufklärungsquote haben. Wir stellen aber fest, dass wir in all den Fällen, in denen es um das menschliche Miteinander geht, Beratung und Hilfe in Form der eingerichteten Interventionsstellen benötigen. Wir werden sie weiter ausbauen.

Herr Marz, man kann beklagen, dass wir Geld brauchen. Geld brauchen wir immer. Ich bitte aber zu bedenken, dass das Geld nur einmal ausgegeben werden kann. In der Bewertung sind wir uns aber einig: Was wir in diesem Zusammenhang tun, ist sinnvoll und richtig.

(Beifall bei SPD und FDP)

Das Wort hat Frau Staatsministerin Ahnen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Lassen Sie mich nur einige wenige ergänzende Anmerkungen zu dem machen, was Herr Kollege Bruch ausgeführt hat. Ich denke, die veränderte Maxime und die veränderten Prämissen, unter denen wir dieses Projekt angehen, sind ausführlich dargestellt worden. Ich will noch einmal die zentrale Veränderung benennen, nämlich dass die Bekämpfung von Gewalt in engen sozialen Beziehungen nicht mehr als Privatangelegenheit verstanden wird, sondern dass deren Bekämpfung öffentliche Aufgabe ist. Ich denke, wir haben seit dem Auf-den-Weg-bringen des Interventionsprojekts in diesem Haus eine ganze Menge erreichen können. Erfreulicherweise gab es bei diesem Thema eine große Übereinstimmung. Insofern bedanke ich mich ausdrücklich für die Unterstützung für dieses Interventionsprojekt.

Ich bedanke mich ganz besonders auch bei den beiden Ausschüssen. Es ist sehr schön, jetzt von beiden Ausschüssen reden zu können, nämlich sowohl vom Frauenausschuss als auch vom Innenausschuss. Ich halte es für ein tolles Signal, dass heute auch eine Beschlussempfehlung des Innenausschusses vorliegt.

Ich habe auch allen Grund, mich bei Herrn Kollegen Bruch zu bedanken, weil es an dieser Stelle zwischen dem Innenministerium und dem Frauenministerium eine ganz hervorragende Zusammenarbeit gibt.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Das ist meiner Meinung nach ein Signal an die kooperierenden Institutionen, das wir über die Ministerien aussenden und das auch aufgenommen wird.

Ein Kernprojekt dieses Interventionsprojekts ist der Aufbau von Interventionsstellen. Die Interventionsstellen haben eben einen anderen Ansatz. Herr Marz, Sie haben von dem Interdisziplinären gesprochen. Vor allem ist es aber das Proaktive, indem Frauen nicht auf eine Kommstruktur angewiesen sind, sondern dass sie direkt angesprochen werden.

Frau Kohnle-Gros, wenn man sich bei der Frage 13 die Zeitreihe ansieht, wird deutlich, dass mit der Bekanntheit der Interventionsstellen auch die Zustimmung der Betroffenen zur Weiterleitung der Daten von der Polizei an die Interventionsstelle steigt. Die Bekanntheit ist also die eine Bedingung. Zweitens kann man aber auch sagen, je näher das Angebot ist, desto größer ist die Bereitschaft der Frauen, der Datenweitergabe zuzustimmen. Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass wir das Netz noch enger knüpfen müssen.

Sie haben die Einbeziehung der Kinderschutzorganisationen und des Jugendamts angesprochen. Das funktioniert an vielen Stellen inzwischen sehr gut. Ich sage aber auch, da gibt es noch weiteren Bedarf, weil wir

wissen, dass in viele Fälle auch Kinder einbezogen sind. Bei der Weiterentwicklung wird es ein Anliegen sein, das noch stärker zu verankern.

Wenn man sich die Evaluation zu den ersten Interventionsstellen ansieht, stellt man fest, dass wir wirklich sehr positive Ergebnisse und eine sehr positive Einschätzung seitens der Betroffenen haben. Wir haben vor allen Dingen die Erkenntnis, dass die Interventionsstellen eine andere Gruppe von Betroffenen erreichen, als das bei Frauenhäusern und Notrufen der Fall ist. Deshalb auch von meiner Seite das klare Plädoyer: Natürlich brauchen wir die Frauenhäuser und Notrufe weiter. Natürlich brauchen diese auch weiter eine gute Unterstützung, damit sie ihre Arbeit leisten können, die ohnehin zu einem hohen Anteil im Rahmen eines ehrenamtlichen Engagements erbracht wird.

Wir wollen das Interventionsnetz also noch enger knüpfen. Wir haben im Moment die Situation, dass wir fünf Interventionsstellen haben. Wir wollen die Lücken schließen. Bereits in diesem Jahr sollen zwei weitere Interventionsstellen entstehen.

Eine Interventionsstelle soll im Bereich der Polizeidirektion Bad Kreuznach entstehen. Hierzu liegt eine Bewerbung des Trägervereins des Frauenhauses Bad Kreuznach vor, der diese Aufgabe gern übernehmen möchte. Wir wollen als Ministerium in diesem Fall so schnell wie möglich in die Förderung einsteigen.

Die zweite Interventionsstelle soll in Landau gefördert werden. Ich weise darauf hin, dass sie vonseiten des Innenministeriums gefördert wird. Daran wird deutlich, dass wir nicht nur in der Sache, sondern auch im Hinblick auf die Finanzierungsverantwortung gut zusammenarbeiten.

(Beifall der Abg. Frau Elsner, SPD)

Wenn wir diese beiden Einrichtungen haben, werden insgesamt neun von 14 Polizeidirektionen mit Interventionsstellen versehen sein. Es gibt in vier weiteren Polizeidirektionen ein zusätzliches proaktives Unterstützungsangebot, ein beratendes Angebot, sodass wir sehr optimistisch sein können, dass sich die Lücken in absehbarer Zeit schließen lassen.

(Beifall der Abg. Frau Elsner, SPD)

Ich sage klar: Es ist mein und unser gemeinsames Ziel, dass wir in diesem Bereich bundesweit vorbildlich vorgehen. Eine Auszeichnung dafür, dass dies möglich ist, war immer auch die große Übereinstimmung in diesem Landtag, für die ich mich noch einmal herzlich bedanke.

(Beifall der SPD und der FDP)

Ich erteile der Frau Abgeordneten Elsner das Wort. Ihnen steht noch eine Redezeit von sechs Minuten zur Verfügung.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Durch die Frau Ministerin und den Herrn Minister ist schon sehr viel klargestellt worden. Mit dem rheinlandpfälzischen Interventionsprojekt gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen (RIGG) geht das Land RheinlandPfalz seit Oktober 2000 einen neuen und sehr erfolgreichen Weg zur Bekämpfung von Gewalt. Dies geschieht nicht mit der Maßgabe, immer mehr und immer größere Frauenhäuser zu bauen, sondern das Problem wird von einer anderen Seite angegangen. Gewalt in sozialen Beziehungen – das wurde bereits mehrfach gesagt – ist keine Privatsache mehr. Dafür haben wir von der Politik meiner Meinung nach immer wieder gesorgt. Das war ganz wichtig zum Schutz der Betroffenen.

Mit diesem Konzept, das ressortübergreifend und interdisziplinär angelegt ist, ist es vorbildlich gelungen, eine wirkliche Vernetzung zur Lösung von Gewalt herbeizuführen. An der Initiierung und Umsetzung waren alle Fraktionen in diesem Haus beteiligt. Für diese konstruktive Zusammenarbeit bedanke ich mich an dieser Stelle noch einmal sehr herzlich.

Durch die Kooperation von Frauenhäusern, Notrufen, Justiz, Gesundheitswesen und anderen nicht staatlichen Einrichtungen ist es gelungen, Gewalt in sozialen Beziehungen auch auf andere Entscheidungsebenen zu verlagern, um damit den Opfern eine bessere Hilfestellung geben zu können.

Gleichzeitig ist dieses Konzept, das regional von 18 runden Tischen begleitet wird, ein Garant dafür, dass Gewalt in engen sozialen Beziehungen aus der Tabuzone herausgeholt wurde. Das geht auch aus der Antwort auf unsere Große Anfrage von Juli 2005 hervor. Herr Marz, wir werden – die Frau Ministerin hat das schon erwähnt – sicherlich noch einiges tun müssen, aber die Jugendämter sind schon sehr stark involviert.

Es mussten präventiv andere Schritte unternommen werden, um den Gordischen Knoten der Gewalt zu durchbrechen. Das ist uns mit RIGG gelungen, indem vor Ort mit den jeweiligen Gremien Maßnahmen zum Schutz der Frauen besprochen werden.

Wichtig scheint mir in diesem Zusammenhang zu sein zu betonen, dass seit In-Kraft-Treten des neuen POG die Täter erfahren, wie es ist, einen Lebensraum verlassen zu müssen, den sie bis dahin immer als ihren absoluten Freiraum betrachtet haben inklusive Gewalt.

In diesem Zusammenhang ist sicherlich auch zu betonen, dass die Polizeibeamten ebenso wie die anderen Institutionen diese Maßnahmenkompetenz außerordentlich begrüßen – wir haben hierzu sehr viele Gespräche geführt – und als hilfreich betrachten. Die Praxis zeigt zudem, dass diese Maßnahme gleich greift.

Das Gleiche gilt für den Bericht der wissenschaftlichen Begleitung der Interventionsstellen, der uns in der zurückliegenden Ausschusssitzung vorgelegt wurde. Dessen Ergebnis ist auch Ihnen bekannt.

Mein Kollege Herr Pörksen hat bereits erwähnt, dass die derzeitigen fünf Interventionsstellen nicht ausreichen, um proaktiv landesweit entsprechend tätig werden zu können. Daher haben die Fraktionen der SPD und FDP den heute zu behandelnden Sachantrag gestellt, der den Ausbau unter anderem von RIGG vorsieht. Ich freue mich sehr, dass die Ministerin und der Minister darauf hingewiesen haben, dass zwei weitere Interventionsstellen in Bad Kreuznach und Landau eingerichtet werden.

An dieser Stelle möchte ich auch – vorhin ist das schon gesagt worden – im Namen meiner Fraktion ausdrücklich die gute Zusammenarbeit zwischen Ministerin Ahnen und Innenminister Karl Peter Bruch hervorheben. Wir bedanken uns, weil das vorzüglich geklappt hat. Es war wichtig, dass das auf eine andere Ebene gehoben wurde. Das ist vorbildlich gelungen. Das ist nicht immer selbstverständlich.

(Beifall der SPD und der FDP)

Das Gleiche gilt für die Täterarbeit. Wir werden keine Erfolge verbuchen, wenn nicht gleichzeitig die Täterarbeit vorangetrieben wird. Eine sehr erfolgreiche Einrichtung arbeitet in Mainz. Das ist die Täterarbeitseinrichtung. Wir haben sie besucht. Ich kann nur empfehlen, sich dort einmal Informationen zu holen. Wichtig ist hierbei für uns, dass Täterarbeit Opferhilfe ist. Ich hebe ganz besonders hervor, Täterarbeit ist Opferhilfe. Finanziell wird diese Einrichtung vom Innenministerium gefördert. Von der Frau Ministerin wurde das vorhin schon erwähnt. Auch in diesem Fall freue ich mich, dass alle Fraktionen diese Konzeption mittragen.

Festzuhalten ist, dass wir zur Bekämpfung von Gewalt in sozialen Beziehungen sehr viele unterschiedliche Schritte tun und weiterhin an einem Strang ziehen müssen. Ich bitte Sie um Ihre Mitarbeit; denn das wird uns noch einige Zeit verfolgen.

Vielen Dank.

(Beifall der SPD und der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin.

Wir kommen zur Abstimmung über die in der Drucksache 14/4700 enthaltene Beschlussempfehlung des Innenausschusses. Wer dieser Empfehlung zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen.

Ich rufe Punkt 18 der Tagesordnung auf:

Islamistischen Extremismus und Terrorismus bekämpfen Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 14/4899 –

dazu: Wachsamkeit im Kampf gegen islamistischen Terrorimus und Extremismus Antrag (Alternativantrag) der Fraktionen der SPD und FDP – Drucksache 14/4975 –

Die Fraktionen haben eine Redezeit von zehn Minuten vereinbart.

Das Wort hat Herr Abgeordneter Baldauf.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch in Rheinland-Pfalz leben wir auf keiner Insel der Glückseligen. Uns geht es heute mit dem Antrag vor allem um den Opferschutz, der vor dem Täterschutz kommen muss. Für uns ist ganz wichtig, dass diejenigen, die Gefährder sein können, herausgefiltert werden. Wir sind der Meinung, dass man dafür alle Möglichkeiten nutzen muss, die es gibt.

(Zuruf der Abg. Frau Grützmacher, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt hierzu einen Ist-Zustand, den der Verfassungsschutzbericht wie folgt beschreibt – ich zitiere –: „Die Terroranschläge in New York, in Madrid oder auch in London zeigen, wie dringend ein wirksames Vorgehen gegen Extremismus und Gewalt ist. Dabei ist Entschlossenheit ebenso wichtig wie konzeptionelles Vorgehen. Extremisten, egal welcher Art, dürfen keine Entfaltungschancen in unserem Land haben.“