Protocol of the Session on December 1, 2005

Auch das in anderen Ländern viel zitierte Problem, dass die Schülerinnen und Schüler der so genannten ersten Generation noch schlechter als diejenigen abschneiden, die später nach Deutschland zugezogen sind, haben wir in Rheinland-Pfalz nicht. Das ist alles kein Grund, sich auszuruhen, aber eine gute Grundlage, auf der wir weiterarbeiten können.

Gestatten Sie mir, auch auf die Seite 163 in jener Studie zu verweisen, weil dort auch das Land Rheinland-Pfalz ausdrücklich genannt wird. Rheinland-Pfalz wird dort als eines der wenigen Länder bezeichnet, in denen Schülerinnen und Schüler mit einem guten häuslichen Zugang zum Computer und Schülerinnen und Schüler ohne diesen häuslichen Zugang gleichermaßen vom schulischen Computereinsatz Nutzen ziehen. Auch bei der Frage des Computerunterrichts und der Mediennutzung gilt für uns, dass der Kompetenzerwerb nicht von der sozialen Herkunft abhängen darf. Darauf richten wir unsere schulischen Maßnahmen aus.

(Beifall der SPD und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist alles kein Grund, dass man sagt, wir haben keine Probleme. Wir haben Probleme in diesem Bereich. Deswegen werden wir mit allem Nachdruck an diesen Problemen weiterarbeiten. Bei realistischer Betrachtung tun wir das in Rheinland-Pfalz auf einem guten Fundament.

(Beifall der SPD und der FDP)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Wiechmann.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Nervosität ist mehr als deutlich. Anders sind die Argumentationen von Frau Brede-Hoffmann, Frau Morsblech und der Ministerin nicht zu erklären. Das sind abenteuerliche Interpretationen der PISA-Studie gewesen, die sie uns hier dargelegt haben.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wollen Sie allen Ernstes bestreiten, dass bei uns in Rheinland-Pfalz die Abhängigkeit zwischen der sozialen Herkunft und den Chancen auf einen hohen Bildungsabschluss fundamental höher als im Bundesdurchschnitt ist?

Wollen Sie denn allen Ernstes bestreiten, dass leider bei uns seit langer Zeit jedes Jahr Kinder mit Migrationshintergrund die Schule ohne einen Abschluss verlassen? Das können Sie doch nicht bestreiten, weil das Fakt ist und weil Sie mit Ihrer Bildungspolitik dafür die Verantwortung tragen.

(Zurufe von SPD und FDP)

Ich will Ihnen ganz deutlich sagen: Sie haben die Computernutzung angesprochen. 17 % – das steht in der PISA-Studie – der rheinland-pfälzischen Schülerinnen und Schüler benutzen mehrmals wöchentlich den Computer an der Schule. Soll ich Ihnen einmal sagen, wie viel es in Bayern sind? Mehr als doppelt so viel. Das ist der Unterschied. In Bayern zum Beispiel wird investiert.

(Zurufe von SPD und FDP)

Hören Sie doch auf, zu sagen, wir investieren in die Computernutzung. – Es gibt viele, viele Bundesländer, die uns, was Investition in die Bildungspolitik angeht, voraus sind. Dann ist es auch das CSU-geführte Bayern. Deswegen ist es das Zentrale, dass wir die Investitionen in den Bildungsbereich stärken, wir nicht nur bildungspolitische Sonntagsreden im Parlament halten, sondern wir endlich mit dieser konzeptionslosen Defizitbekämpfung und dem hilflosen Aktionismus, den diese Landesregierung in der Bildungspolitik jeden Tag wieder aufs Neue praktiziert, aufhören. Deshalb sage ich Ihnen ganz deutlich, meine Damen und Herren, es ist gut und es freut mich, dass in Rheinland-Pfalz am 26. März endlich klare, gerechte und faire Chancengleichheit und eine bessere Bildungspolitik zur Wahl stehen. Diese Bildungspolitik machen nämlich nicht Sie in der Landesregierung, sondern sie ist von uns, von den GRÜNEN. Deswegen weiß ich auch, Frau Kollegin Brede-Hoffmann, dass Sie natürlich nervös sind, weil Sie wissen, dass wir konzeptionell in der Bildungspolitik durchaus Antworten auf die zentralen Fragen geben.

(Widerspruch bei SPD und FDP)

Das ist die mit der individuellen Förderung von allen Kindern, sowohl denen, die mit Migrationshintergrund hierher kommen, als auch den Benachteiligten, aber natürlich auch den Hochbegabten. Wir sind diejenigen,

die für soziale Chancengerechtigkeit in der Bildungspolitik stehen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die SPD-Fraktion hat Frau Abgeordnete BredeHoffmann das Wort.

Herr Kollege Wiechmann, die 5 % machen Sie wahrscheinlich nervös. Uns macht das nicht nervös.

(Beifall bei SPD und FDP)

Weil Sie offensichtlich Erinnerungslücken haben, will ich doch noch einmal versuchen, Ihnen so ein bisschen in Erinnerung zu rufen, was in diesem Bundesland an bildungspolitischen Reformen in den letzten Jahren stattgefunden hat mit dem einen großen Ziel, soziale Gerechtigkeit ins Bildungssystem zu bringen bei gleichzeitiger Leistungsverbesserung unserer Schülerinnen und Schüler bei der Verbindung beider Ziele.

Wir haben die Volle Halbtagsschule, wir haben die Ganztagsschulen eingeführt. Wir haben mehr Lernzeit gegeben. Wir haben mehr Fördermöglichkeiten für benachteiligte Schülerinnen und Schüler. Wir haben mehr Fördermöglichkeiten für Schülerinnen und Schüler mit schlechten oder nicht ausreichenden Deutschkenntnissen in unseren Schulen, auch schon in unseren Kindertagesstätten eingeführt. Wir haben durch das System der Qualitätsentwicklung unseren Schulen die Chance gegeben, ihre eigenen Förderprofile zu entwickeln. Wir haben sie gleichzeitig aufgefordert, mit vielfältigsten Methoden diese erreichten Ziele zu evaluieren und sich selbst Rechenschaft abzulegen, ob sie in ihrem eigenen Schulprofil weiterarbeiten.

Wir haben durch die Umsetzung der Bildungsstandards und durch die Sicherung von Durchlässigkeit in unserem Schulsystem – Frau Ministerin Ahnen hat ausführlich darauf hingewiesen – Schülerinnen und Schüler aller Schularten ermöglicht, einen Schulweg bis zum höchsten Schulabschluss bei uns in Rheinland-Pfalz zu erreichen. Das findet auch jedes Schuljahr statt. Wir haben in diesem Land, und wir werden es gleich beim nächsten Tagesordnungspunkt beschließen, ein großes Programm aufgelegt, das bei unseren Kindern im Elementarbereich anfängt, Bildungschancen zu eröffnen, Sprachfördermöglichkeiten vom ersten Tag in der Kindertagesstätte an anzubieten, die es Kindern sichern wird, dass sie die Schule erreichen und eine deutsche Sprache beherrschen, die sie brauchen, um erfolgreich in der Schule zu sein.

Ich möchte daran erinnern und das besonders den Kolleginnen und Kollegen der CDU-Fraktion sagen, dass nahezu alle dieser Maßnahmen, die ich jetzt aufgezählt habe, nahezu alle, jedes Mal dann, wenn wir sie vorge

stellt haben, von Ihnen abgelehnt worden sind. Ich will es mir jetzt ersparen, all die schönen Zitate, die ich von Herrn Lelle habe, zum Beispiel, als wir die Lehrerbildungsreform hier diskutiert und durchgeführt haben, vorzulesen, was alles falsch sei, was überhaupt nicht realisierbar sei. Frau Kohnle-Gros hat festgestellt, dass wir einen Alleingang vollziehen und niemand hinter uns steht.

(Glocke der Präsidentin)

Ausgerechnet in Rheinland-Pfalz hätten wir angeblich den goldenen Weg gefunden, da könne sie nur lachen,

(Lelle, CDU: Ich wusste gar nicht, dass wir heute die Lehrerbildung diskutieren!)

dass wir keinerlei Mitstreiter hätten. Alle diese Programme sind erfolgreiche Programme für unsere Schülerinnen und Schüler in diesem Bundesland.

(Glocke der Präsidentin)

Danke schön.

(Beifall bei SPD und FDP)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Keller das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Es gibt niemanden, der so gekonnt am Thema vorbei redet und Nebelkerzen wirft wie Frau Kollegin BredeHoffmann.

(Beifall bei der CDU)

Zur Sache hat sie nichts gesagt. Was mich jetzt wirklich stört – jetzt schließe ich alle Vertreter der Landesregierung, der Regierungsfraktionen und auch Ministerien mit ein –, dieser Anflug von Arroganz und Ignoranz im Hinblick auf die großen Probleme im Bildungsbereich ist nicht mehr tolerabel.

(Beifall bei der CDU)

Sie weichen systematisch aus. Frau Ministerin redet zu dem Thema, das nachher kommt, zur Frühförderung, aber zu der dramatischen Situation an den Hauptschulen kein Wort, zu der dramatischen Situation an den berufsbildenden Schulen kein Wort. Es wird einfach darüber hinweggegangen. Das interessiert sie nicht. Sie zitierten lieber das, was sie schon fünf Mal hier gesagt hat.

(Zuruf der Abg. Frau Brede-Hoffmann, SPD)

Aber Sie können ausweichen, wie Sie wollen, Tatsache ist, (Mertes, SPD: Keller holt alle ein!)

Bildungsverlierer in Rheinland-Pfalz sind in erster Linie die Hauptschüler und die Schüler in den berufsbildenden Schulen, darunter besonders viele Migranten-Kinder. Das können Sie bei PISA nachlesen. Das ist Tatsache.

Es kommen einem bald die Tränen, Frau Ministerin Ahnen sagt, mit dem Ranking, das ist gar nicht so wichtig. Wir erleben es doch hier bei dem Wirtschaftsminister, wenn in einer Studie ein Ranking vorgetragen wird. Es gibt zwei Arten von Studien, seriöse, das sind die, bei denen die Landesregierung immer gut abschneidet, und unseriöse, bei denen die Landesregierung schlecht abschneidet – dann kommt es nicht aufs Ranking an. Also so blöd ist die Öffentlichkeit nicht.

(Beifall bei der CDU)

Tatsache ist, in Rheinland-Pfalz bestimmt viel mehr als in anderen Bundesländern die soziale Herkunft den späteren Bildungserfolg und damit die Zukunft der Kinder. Das steht alles in der Studie. Sie müssen sie nur lesen.

Dann stellt sich noch folgende Frage: Frau Ministerin, warum haben Sie bis zuletzt versucht zu verhindern, den Ländervergleich im Hinblick auf die Hauptschulen, die Gesamtschulen und Regionalen Schulen, zu veröffentlichen? Jetzt wissen wir es, nachdem das Ganze veröffentlicht worden ist. Sie haben gewusst, wie RheinlandPfalz abschneidet.

(Zuruf des Abg. Hartloff, SPD)

Ich möchte es noch einmal sagen: Das ist weder die Schuld der Schüler noch der Lehrer. Schuld daran sind die schlechten Rahmenbedingungen, die diese Landesregierung für diesen Bereich gesetzt hat.

(Glocke der Präsidentin)

Wenn Sie mit der Ganztagsschule anfangen, die Ganztagsschule – das ist fast schon eine Ganztagsschullüge – hat mit PISA überhaupt nichts zu tun. Die Ganztagsschulen sind notwendige Betreuungsmaßnahmen. Der Betreuungsaspekt steht im Vordergrund.