Ich prophezeie Ihnen eins: Dieses Totschlagargument „Zwangseinschulung mit fünf“: Schauen Sie in die Niederlande, PISA-mäßig erheblich besser als bei uns, dort ist es mit fünf. Die meisten werden mit vier eingeschult. Ich prophezeie, in einigen Jahren ist es hier auch. Sie sind „so was von Kapee“. Sie kapieren die Sachen nicht so schnell. Das ist nicht schlimm, wenn Sie sich aber nicht immer wieder mit diesem Nachteil brüsten würden.
Ein ähnliches Beispiel haben wir mit dem Abitur nach zwölf Jahren. Jahrelang dagegen, und jetzt versuchen Sie klammheimlich, eine Öffnung zu machen.
Noch einmal zu den Kindertagesstätten: Es ist schon dreist, wenn Sie sagen, wir würden die Kompetenz der Kindertagesstätten infrage stellen. Es ist gerade umgekehrt. Die Kindertagesstätten bekommen mit den Zweijährigen zusätzliche Belastungen.
Die zusätzliche Personalzuweisung wird nicht ausreichen, um die zusätzliche Belastung zu kompensieren. Deswegen ist es eigentlich auch nur logisch und gerecht, dass man dann auch den letzten Kindergartenjahrgang in die flexible Fördernde Grundschule bringt. Dort werden sie besser gefördert; denn wenn das so bleibt, wie Sie es vorhaben, wird diese Gruppe diejenige sein, die unter die Räder kommt,
weil sie nicht genügend gefördert werden kann, da die Erzieherinnen erheblich mehr Zeit für die Zweijährigen brauchen.
Meine Damen und Herren! Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass die CDU-Fraktion unseren Kindertagesstätten und den Erzieherinnen und Erziehern nichts zutraut: Ich hoffe, das eben war mehr als deutlich und klar. Nichts, aber auch gar nichts trauen sie ihnen zu.
Herr Kollege Keller, wenn Sie meinen, sie waren der schnelle Brüter: mit einer sehr geringen Halbwertszeit. – Tut mir leid.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! In Familien investieren, Familien entlasten und unterstützen und die Qualität von frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung ausbauen – das sind die Leitlinien, und zwar die Leitlinien unseres GRÜNEN-Änderungs- und Entschließungsantrags zum vorliegenden Gesetzentwurf zum Ausbau der frühen Förderung.
Meine Damen und Herren, wir wollen erstens Familien durch den Ausbau und die Flexibilisierung der Angebote entlasten. Wir wollen zweitens Familien durch eine spürbare finanzielle Entlastung und durch die Erweiterung der Zugänge zu frühkindlicher Bildung unterstützen. Wir wollen drittens die Kinder individuell fördern und die Qualität der Förderung weiterentwickeln.
Es ist an der Zeit, Kinder und ihre Familien mit ihren Bedürfnissen, mit dem, woran sie sich orientieren, tatsächlich in den Mittelpunkt der Gestaltung der Kinderbetreuung zu stellen.
Längst ist wissenschaftlich bewiesen, dass Kinder von Geburt an bis zum Alter von ungefähr sechs Jahren am intensivsten lernen. Schon sehr früh werden die Grundlagen dafür gelegt, dass Kinder sich entwickeln und sich eine erfolgreiche Bildungsbiographie erschließen können.
Auch unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft profitieren im wahrsten Sinn des Wortes von einer Verbesserung der frühkindlichen Bildung. In einer globalisierten Welt und in einer Gesellschaft, die immer älter wird, ist eine gelungene und kindgerechte frühkindliche Bildung eine notwendige Voraussetzung, um unsere Gesell
schaft lebendig und entwicklungsfähig zu erhalten und unseren gesellschaftlichen Wohlstand zu sichern.
Deshalb wollen wir als GRÜNE in Familien und Kinder investieren. Deshalb haben wir zahlreiche Änderungsanträge zum vorliegenden Gesetzentwurf eingebracht.
Der Ausbau der frühkindlichen Bildung muss zukunftsfähig gestaltet werden. Eine bloße Erweiterung des bisherigen Kindergartenangebots um Plätze für Kinder ab zwei Jahren – denn das sieht der Gesetzentwurf der Landesregierung vor – ist bloße Augenwischerei.
Frau Kollegin Brede-Hoffmann, wenn Sie in Ihrer Pressemitteilung meinen, wir hätten Ihre großartige Reform verschlafen, dann müssen Sie feststellen, dass Sie und wahrscheinlich auch große Teile Ihrer Fraktion ihre Augen vor der Wirklichkeit verschließen.
Wir sind diejenigen gewesen, die schon viel früher als Sie immer wieder Initiativen für eine Stärkung der frühkindlichen Bildung und eine Stärkung des Bildungsauftrags des Kindergartens in dieses Parlament eingebracht haben.
Meine Damen und Herren, es ist an der Zeit, die frühe Förderung auf neue Beine zu stellen. Wir wollen das Angebot kinder- und elterngerechter gestalten. Wir wollen Familien entlasten, wir wollen sie durch ein bedarfsdeckendes Betreuungsangebot unterstützen, und wir wollen die Qualität der frühkindlichen Bildung ausbauen.
Die Halbierung der Elternbeiträge für alle Kindertagesstätten ist ein zentrales Anliegen unserer Reformvorschläge. Wir wollen, dass alle Kinder gute Bildungschancen haben. Wir wollen die Zugänge zu den Bildungsangeboten in allen Kindertagesstätten erweitern, und wir wollen Familien wirklich und spürbar entlasten, nämlich um durchschnittlich 300 Euro pro Jahr und Kind.
Alle Kinder – ich wiederhole alle Kinder – unter drei Jahren müssen einen Anspruch auf Bildung, Betreuung und Förderung haben, wenn ihre Eltern dies wollen. Das Tagesbetreuungsausbaugesetz, auf das Sie sich immer wieder beziehen, hat den Ländern und den Kommunen aufgegeben, mehr Plätze zur Betreuung und Bildung für alle Kinder unter drei Jahren zu schaffen. Die tägliche Betreuungszeit soll sich am Bedarf der Eltern und der Kinder orientieren. Auch in den Kita-Ferien soll eine Betreuung dann sichergestellt werden, wenn Eltern ihre Kinder in dieser Zeit nicht betreuen können.
So wollen wir Eltern und Familien unterstützen. Deswegen haben wir diesen Änderungsantrag eingebracht.
Zu den Anforderungen, die ich vorhin erwähnt habe, äußert sich der Regierungsentwurf nur bruchstückhaft. Die Entlastung von Familien umfasst aber auch die Ermittlung des Bedarfs sowie die Planung des Angebots an frühkindlicher Bildung und Betreuung. Eltern – das wissen Sie alle – bleiben bei der Bedarfsermittlung viel zu häufig noch außen vor. Sie werden, wenn überhaupt,
dann erst viel zu spät nach ihren Bedürfnissen gefragt. Eltern müssen aber als Partner bei der Angebotsgestaltung mitwirken können. Dafür schaffen wir mit unserem Änderungsantrag einen guten Rahmen.
Um die Qualität der pädagogischen Arbeit in den Kindertagesstätten zu stärken, wollen wir, dass alle Kindertagesstätten eine pädagogische Konzeption entwickeln. Dabei sollen sie mit den Eltern zusammenarbeiten.
Eine pädagogische Konzeption ist das pädagogische Profil einer Kindertagesstätte. Eine Konzeption zeigt darüber hinaus auf, wie der Auftrag zur Förderung der Kinder jeweils umgesetzt werden soll.
(Mertes, SPD: Sie haben einen Kindergarten doch nur von außen gesehen – in den letzten zehn Jahren!)
Herr Kollege Mertes, schauen Sie in den Gesetzentwurf zur Änderung des Kindertagesstättengesetzes. Das steht dort eben nicht darin. Das TAG hat auf Bundesebene Vorgaben gemacht. Aber gerade in den Bereichen, in denen es um die pädagogische Weiterentwicklung geht, kneifen Sie. Das ist das Problem.
(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Mertes, SPD: Sie stehen wahrscheinlich immer nur vor dem Kindergarten! – Schwarz, SPD: Mama nimmt ihn mit!)
Meine Damen und Herren, wir wollen, dass alle Kinder in der deutschen Sprache so gefördert werden, dass sie, wenn sie in die Schule kommen, dem Unterricht folgen können. Wir wollen die Sprachförderung nicht erst im letzten Kindergartenjahr intensivieren. Das ist nämlich Ihre Vorstellung. Wir wollen von Anfang an eine intensive Sprachförderung.
Wir wollen – das unterscheidet uns wahrscheinlich von Ihnen –, dass Mehrsprachigkeit Bildungsziel in den Kindertagesstätten wird. Wir wollen auch, dass Kinder mit anderer Herkunft auch in ihrer Herkunftssprache gefördert werden können. Wir wollen außerdem, dass die interkulturelle Bildung intensiviert wird.
Meine Damen und Herren, Häuser für Kinder, der Begriff, den wir immer wieder in die Debatte einbringen, sollen Schule machen. Die große Altersmischung eröffnet Kindern breite Bildungs- und Erfahrungsräume. Insbesondere im ländlichen Raum und in kleinen Gemeinden bieten Häuser für Kinder oder andere altersgemischte Gruppen die nötige Beweglichkeit und Flexibilität im Angebot zur bedarfsgerechten Angebotsstruktur für die Eltern. So können auch in kleinen Einrichtungen
Kinder jeden Alters aufgenommen werden. Auch darin sehen wir eine Unterstützung von Eltern und Familien. Deshalb haben wir das in unserem Änderungsantrag so formuliert.
Wir schlagen vor – damit sind wir sehr nah an dem dran, was Herr Kollege Lelle gesagt hat –, die Schuleingangsphase flexibel zu gestalten. Schülerinnen und Schülern wollen wir die Möglichkeit geben, die ersten beiden Klassenstufen in der Grundschule in einem bis zu drei Schuljahren absolvieren zu können. Die Kinder sollen so auch in der Grundschule gut Fuß fassen können. Ihre individuelle Förderung soll gleich zu Beginn der Schullaufbahn möglich sein. Ich bin der Auffassung, dass damit den Eltern die Entscheidung leichter fallen wird, wann sie ihr Kind einschulen lassen. Es kann aber nicht sein – insofern haben wir ein großes Problem mit dem Antrag der Fraktion der CDU –, dass wir jetzt Kinder mit fünf Jahren zwangseinschulen wollen. In NordrheinWestfalen gab es unter Rotgrün eine flexible Schuleingangsphase. Die neue nordrhein-westfälische Landesregierung unter CDU-Führung hat die flexible Schuleingangsphase abgeschafft. Deshalb müssen Sie erst einmal für sich überlegen, was Sie eigentlich wollen. Sie fordern hier etwas, was Sie in anderen Ländern abschaffen. Das ist das Problem mit Ihren Vorschlägen.