Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Stalking ist eine schlimme Sache. Sie kann nur auf das Schärfste verurteilt werden. Sie gehört auch bestraft. Das Problem ist nur, wie ich eindeutig zu einem Straftatbestand komme, damit der Täter weiß, dass sein Verhalten zu einer Bestrafung führen kann.
Stalking gab und gibt es schon immer. Lange hatte man aber keine Bezeichnung dafür. Seit kurzem hat das Phänomen endlich einen Namen, und die Opfer von Stalkern sagen, genau das ist es, was mir widerfahren ist oder was mir gerade widerfährt.
Die Gründe für Stalking sind ebenso vielfältig wie deren Folgen. Das Scheitern einer Beziehung, verschmähte Liebe oder ein Aufmerksamkeitsdefizit führen immer wieder dazu, dass vorrangig Frauen zu Opfern von Stalking werden. Vereinzelt sind auch Prominente von Stalking betroffen. Männer sind in der Opferrolle eher die Ausnahme.
Meine Damen und Herren, frühzeitige Hilfe bei Stalking ist überaus wichtig, da die Opfer sehr unter dem Psychokrieg leiden. Am häufigsten sind Schlafstörungen und Alpträume. Nicht selten leben die Opfer auch in ständiger Angst. Dies kann bis zur totalen Isolation führen.
Betrachten wir jedoch die Rechtslage, so sind große Defizite in der rechtlichen Bekämpfung von Stalkern auszumachen. So erfasst das geltende Strafrecht bislang nicht das Verhalten eines Stalkers insgesamt, sondern nur bestimmte Einzelhandlungen, wie beispielsweise die Nötigung, Bedrohung, Körperverletzung, Beleidigung und Hausfriedensbruch.
Gegen eine Vielzahl von Erscheinungsformen des Psychokrieges gibt es hingegen derzeit strafrechtlich keine Handhabe. So sind etwa nächtliche Telefonanrufe an sich ebenso wenig strafbar, wie jemanden mit E-Mails oder SMS zu „bombardieren“.
Meine Damen und Herren, offensichtlich sind auch Lücken im Opferschutz vorhanden. Zwar kann dank des Gewaltschutzgesetzes ein Opfer von Stalking zivilrechtlich eine Schutzanordnung erwirken, die es dem Stalker untersagt, bestimmte Handlungsweisen vorzunehmen, in der Praxis nützt eine solche Anordnung jedoch meist wenig.
Ich denke, wir sind uns alle darüber einig, was alle Redebeiträge gezeigt haben, dass die gegenwärtig bestehenden Schutzlücken durch gesetzgeberische Maßnahmen geschlossen werden müssen. Die vom Bundesrat beschlossene Gesetzesinitiative unserer beiden Nachbarländer Hessen und Baden-Württemberg, die einen eigenen Stalking-Straftatbestand zum Ziel hat und der auch bei dem CDU-Antrag favorisiert wird, erachten wir allerdings als nicht so zielführend, um einen umfassenden Schutz des Einzelnen vor Stalking zu gewährleisten.
Der vorgeschlagene neue Straftatbestand enthält eine Fülle unbestimmter und weit auslegungsfähiger Rechtsbegriffe, aufgrund derer es für den Einzelnen nicht mehr vorhersehbar ist, was im Einzelfall strafbar ist und was nicht.
Würde man diesen Weg wählen, so würde man sich in äußerst bedenklicher Weise vom verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot entfernen.
Auch wenn mit dem Gesetzesvorschlag der Bundesregierung für einen neuen Straftatbestand des „Nachstellens“ ein verfassungsrechtlich besserer Weg zur Ahndung von Stalking aufgezeigt wird, so bin ich dennoch weiterhin der Auffassung, auch wenn mir bewusst ist, dass dieser Ansatz für sich allein bisher nicht mehrheitsfähig ist, dass eine praxisgerechte Ergänzung des Gewaltschutzgesetzes den effektivsten Schutz für Opfer von Stalking bieten würde. Der Ansatz über das Gewaltschutzgesetz würde dem Richter die Möglichkeit einräumen, auf Antrag eines Stalkingopfers einzelfallbezogen zu entscheiden, welche konkreten Handlungen dem Stalker untersagt werden.
Verstößt ein Stalker gegen die richterliche Untersagungsanordnung, kann er auf verfassungsrechtlich sauberer Grundlage bestraft werden, da er durch den richterlichen Beschluss genau wusste, wie er sich aufgrund welchen Verhaltens strafbar macht.
sungsansatz für die Opfer etwas umständlich. Mit der Beantragung einer entsprechenden richterlichen Anordnung müssen sie aktiv werden.
Aus meiner Sicht können wir nur so den Stalkern das Handwerk legen. Alle Versuche, dem Phänomen „Stalking“ allein über das Strafgesetzbuch entgegenzutreten, bergen die große Gefahr, dass gut gemeinte Ansätze wirkungslos verpuffen, da möglicherweise eine bestimmte Handlung im konkreten Fall doch nicht strafbewehrt ist. Für die Betroffenen wäre das verheerend.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Auch wenn verschiedene Tathandlungen, die wir unter dem Begriff „Stalking“ heute verstehen, nach dem geltenden Strafrecht bereits strafbar sind, sind wir uns einig, dass es sinnvoll ist, in diesem Bereich gesetzgeberisch tätig zu werden. Das zeigt die heutige Debatte. Es gibt unterschiedliche Auffassungen, auf welche Art und Weise dies zu geschehen hat.
Es gibt einen Gesetzentwurf, der im Bundesrat keine Mehrheit gefunden hat, den die Landesregierung so nicht unterstützt. Dieser dürfte im Bundestag keine Mehrheit finden und hat es auch bisher nicht gefunden. Dieses hat zwei Gründe. Der hessische Gesetzentwurf zählt nicht nur einzelne Tathandlungen auf, sondern verwendet auch eine Generalklausel. Das ist unter verfassungsrechtlichen Gründen äußerst problematisch, weil nach dem Bestimmtheitsgrundsatz unserer Verfassung jemand sich nur dann strafbar macht, wenn im Gesetz klar vorher geregelt worden ist, welche Tathandlung dazu führt, dass man sich strafbar macht. Wenn Sie Generalklauseln verwenden, wird gerade diese Tathandlung nicht umschrieben, sodass sie im Vorhinein nicht wissen, welches Verhalten letztlich zur Strafbarkeit führt. Deshalb ist an dieser Stelle der Gesetzentwurf verfassungsrechtlich äußert problematisch und kann deshalb von uns nicht unterstützt werden.
Die Deeskalationshaft, die dort vorgeschlagen wird, begegnet ebenfalls erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken, weil diese nur im Rahmen einer Untersuchungshaft vollzogen werden könnte und damit die strengen Voraussetzungen des Bundesverfassungsgerichts an die Ermöglichung einer Untersuchungshaft erfüllt sein müssen. Das heißt, die Tathandlung muss im Vorhinein generell abstrakt so erheblich in die Rechtsordnung eingreifen, dass die Untersuchungshaft als solche zulässig wäre. Das kann man bei dem Phänomen „Stalking“ so nicht feststellen. Deshalb ist dieser Gesetzentwurf aus unserer Sicht nicht unterstützenswert.
Deutlich anders verfährt in diesem Fall der Gesetzentwurf der Bundesregierung. Er verzichtet auf diese Generalklausel. Er hat auch nicht die Deeskalationshaft mit aufgenommen, sodass insoweit die erheblichen verfassungsrechtlichen Risiken des anderen Gesetzentwurfs vermieden werden und deshalb die Landesregierung bereit ist, dies im Bundesrat zu unterstützen.
Frau Kohnle-Gros, auch wenn Sie eben darstellten, dass der Gesetzentwurf im Bundestag von Ihrer Fraktion unterstützt worden ist, kann ich sagen, im Bundesrat haben Ihre Kollegen es nicht getan, sodass eine Gesetzgebung nicht zu Ende geführt werden konnte. Er ist aus verfassungsrechtlichen Gründen aus meiner Sicht aber deutlich vorzuziehen.
Er kann aber natürlich nicht alle Tathandlungen erfassen, die man unter Stalking versteht, weil er sich nur darauf beschränkt, die vier gängigen Stalkinghandlungen in auslegungsfähiger und auslegungswürdiger Weise zu umschreiben. Frau Kollegin Grützmacher, insoweit würden wir gern unsere Initiative an dieser Stelle vorantreiben wollen, um dem Opfer zu ermöglichen, die Tathandlungen, die der Gesetzentwurf der Bundesregierung nicht unter Strafe stellen konnte, weil es gesetzestechnisch nicht machbar ist, über ein zivilrechtliches Verfahren eine genaue Beschreibung der Tathandlung durch den Richter zu erreichen und einen Verstoß dagegen strafbar zu machen. Es versteht sich insoweit als Ergänzung zu dem, was die Bundesregierung vorgeschlagen hat. Natürlich sehe ich auch die Schwierigkeit des Opfers, gegebenenfalls die notwendigen Beweismittel im Zivilrechtsstreit zu erbringen. Hier müsste man darüber nachdenken, ob nicht über Beweiserleichterungen, Beweislastumkehr und ähnliche Rechtsinstitute, die wir kennen, dem Opfer in dieser Art des Verfahrens geholfen werden kann.
Ich meine, wenn beide Initiativen, die der Bundesregierung und die der Landesregierung Rheinland-Pfalz, kombiniert würden, würde insgesamt eine ausgewogene verfassungsfeste Regelung dieses Komplexes erzielt werden, und den Opfern könnte auf diese Art und Weise am besten gedient werden. Ich denke, wir werden im Ausschuss gebührend Zeit haben, über diese Frage zu beraten.
Meine Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass alle drei Anträge – Drucksachen 14/4315/4462/4493 – im Rechtsausschuss beraten werden sollen. Ist das von den Fraktionen vorgesehen? Wer der Überweisung der drei Anträge zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Das ist einstimmig so beschlossen.
Kriminalität an Schulen in Rheinland-Pfalz Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU und der Antwort der Landesregierung auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksachen 14/4079/4216/4291 –
Die Fraktionen haben eine Redezeit von zehn Minuten beantragt. Ich erteile Frau Kollegin Kohnle-Gros das Wort.
Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will am Beginn meiner Ausführungen noch einmal auf die Behandlung dieser Großen Anfrage, die wir vor einigen Monaten gestellt haben, durch die Landesregierung eingehen.
Sie haben es in der Presse verfolgen können. Diese Anfrage und ihre Behandlung durch die Landesregierung hat ziemliche Wellen geschlagen. Die Zeitungen haben intensiv darüber berichtet. Aufgrund der Anfrage mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass wir in RheinlandPfalz einen exorbitanten Zuwachs bei Kriminalität an Schulen haben. Ich will gleich dazu sagen, dass das natürlich eine ganze Spannbreite von Delikten ist, die vom einfachen Diebstahl bis zum Verstoß gegen das Waffengesetz, Gewaltkriminalität gegen Mitschüler, gegen Lehrerinnen und Lehrer, gegen Sachen in der Schule und um Straftaten auf dem Schulweg geht.
Ich will auf den eigentlichen Punkt an dieser Stelle eingehen. Die Landesregierung hat in ihrer Pressemeldung als Überschrift kundgetan, dass sie die Steigerung der Zahlen auf eine gestiegene Anzeigenbereitschaft bei Straftaten rund um die Schulen zurückführt. Ich denke, darüber muss man noch einmal kurz nachdenken. Diese Probleme gibt es nicht nur in Rheinland-Pfalz, sondern in ganz Deutschland. Eigentlich ist das an allen Schulen in der Welt ein Thema. In Rheinland-Pfalz wird das damit abgetan, dass mehr Anzeigen stattgefunden haben und die Polizei öfter in die Schule gerufen worden ist. Das würde belegen, warum die Zahlen zugenommen haben.
In Bayern zum Beispiel hat der dortige Schulminister vor einem knappen Jahr in der gleichen Situation völlig anders reagiert. Das würde ich mir auch für RheinlandPfalz wünschen. Er hat gesagt, dass er sich wünscht, dass noch mehr Anzeigen aus diesem Deliktsumfeld kommen, sich die Polizei noch mehr mit diesem Thema beschäftigt, Lehrerinnen und Lehrer, Schulleiterinnen und Schulleiter, aber auch Eltern und Schüler Zivilcourage als Opfer beweisen – das muss man sich auf der Zunge hergehen lassen –, sie Kriminalität, in welcher Form auch immer sie an Schulen stattfindet, zur Anzeige bringen. (Beifall bei der CDU)
Er hat es unter dem griffigen Begriff gefasst „Wehret den Anfängen“; denn wo, wenn nicht in den Schulen, wollen wir den Kindern beibringen, wie sie mit dem Eigentum anderer, mit der körperlichen Integrität anderer, wie sie mit Sitte und Moral insgesamt umzugehen haben? Wo wollen wir sie vor Drogendelikten schützen, und wo wollen wir ihnen beibringen, dass Kriminalität auch in kleiner Form nicht zu akzeptieren ist?
Meine Damen und Herren, ich weiß, dass auch Sie aus den anderen Fraktionen natürlich immer wieder über Fälle an Schulen Kenntnis erlangen. Wir tun das. Zu uns kommen Eltern, und uns schreiben Eltern und weisen auf ihre Verzweiflung hin, wenn sie nicht mehr wissen, an wen sie sich wenden sollen, wenn Gewalt zum Beispiel an Schulen stattfindet.
Wenn Sie nicht glauben, dass das Problem der Gewalt an Schulen in Rheinland-Pfalz ein Thema in der Gesellschaft ist, wo es auch hingehört, dann schauen Sie sich bitte die Tagesordnungen der Kriminalpräventiven Räte an.
Ich habe mir gerade einmal ein paar aus dem Internet herausgeholt: zwei, vier, sechs, acht, zehn, zwölf, vierzehn – auf den ersten Zugriff – Kriminalpräventive Räte, die Gewalt an den Schulen zum Thema gemacht haben. Also haben wir dieses Problem.
Ich hätte mir von der Landesregierung gewünscht – das ist meine Forderung, die ich ganz energisch unterstreichen möchte –, dass sie sich dem Problem offensiv stellt und nicht nur indirekt, sondern auch direkt zugibt, dass wir dieses Problem haben und wir versuchen, Lösungswege zu gehen.
Meine Damen und Herren, ich denke, es ist nicht hinnehmbar, dass Frau Ahnen und Herr Bruch zwischen den Zeilen diese Form oder diese Lokalität von Kriminalität zugeben. Wir erleben es oft – heute Morgen oder gestern war es der Fall –, dass sie im Grund genommen nur indirekt zu ihrer Verantwortung stehen und die Fakten nur indirekt zugeben.
Natürlich stellen wir fest, dass der Gemeindeversicherungsverband sagt, die Zahlen sind etwas zurückgegangen, vor allem was die Gewalt anbelangt. Aber in Rheinland-Pfalz sind in den letzten zehn Jahren tatsächlich mehr solcher Delikte bekannt geworden, und es gibt ein riesiges Dunkelfeld. Da darf ich auf die Stellungnahmen von Gewerkschaftsvertretern der Polizei zum Beispiel auf einer Veranstaltung in Trier verweisen, wo man sagte, wir müssen genau an dieser Stelle, nämlich bei der Dunkelziffer, anfangen, wir müssen darüber reden.
Ich habe es am Anfang gesagt – ich will es noch einmal wiederholen –, wir müssen tatsächlich daran arbeiten, dass es nicht der Zivilcourage bedarf, um eine Straftat in der Schule oder um die Schule herum anzuzeigen, sondern dass es eine Pflicht und auch eine Selbstverständlichkeit von Lehrerinnen und Lehrern wird. Ich glaube, das muss noch einmal so gesagt werden.
Frau Morsblech, wenn ich dann Ihren kleinen Artikel vom 18. Juni 2005 in der „Mainzer Rheinzeitung“ lese, wo Sie sich den Trend damit erklären, dass die Toleranz gegenüber jugendlichen Straftätern gesunken sei und deswegen wäre die Kriminalität angestiegen, müssen Sie sich das bitte noch einmal genau auf der Zunge zergehen lassen: Die Toleranz gegen jugendliche Straftäter ist gesunken, und deswegen ist die Kriminalität gestiegen. Entschuldigung. Wenn das Ihre Art ist, junge Menschen und die Erziehung von jungen Menschen in
der Schule zu betrachten, dann kann uns angst und bange werden. (Beifall der CDU – Zuruf des Abg. Mertes, SPD)
Meine Damen und Herren, wenn Sie mir nicht glauben – ich kann gut nachvollziehen, dass Sie mir nicht alles glauben –, dann schauen Sie doch bitte einmal beim Weißen Ring in ein Heftchen hinein und lesen Sie, was dort über dieses Thema seit Jahren – – –