Protocol of the Session on August 16, 2000

Herr Kollege Schnabel hat vorhin propagiert, auch noch das Örtlichkeitsprinzip aufzuheben. Dann machen die Stadu'l!erke auch noch Stromhandelsgeschäfte. Dann werden Sie sehen, wie-die Privaten das wahrscheinlich wesentliEh besser können und wie die öffentliche Hand für die dabei entstehenden Verluste geradestehen muss.

Das ist eine Politik, die mit uns nicht zu machen ist. Deshalb lehnen wir diesen Gesetzentvvurf mit aller Entschiedenheit ab, weil er einen Anschlag auf den Mittelstand bedeutet und zu einer Vernichtung von Arbeitsplätzen führen dürfte.

(Zurufe von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber hinaus vertritt die F.D.P.-Fraktion die Äuffassung, dass die geplanten Gesetzesänderungen verfassungswidrig sind, weil sie es den Kommunen ermöglichen würden, jede wirtschaftliche Betätigung ohne Rücksicht darauf durchführen zu können, ob-dies zu einer unzumutbaren Verdrängung Privater oder zu einem gesetzlich nicht verankerten Monopol führen würde.

Im Übrigen ist dies ein klarer Verstoß gegen die Gemeindeordnung. Dies geht klar aus dem Urteil des Verfassungsge

richtshofs Rheinland-Pfalz hervor. Herr Schnabel, ich empfehle Ihnen, das Urteil des Landesverfassungsgerichts RheinlandPfalz genau zu lesen. ln der Gemeindeordnung steht sinngemäß: Will die Gemeinde ein wirtschaftliches Unternehmen errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, muss dieses Unternehmen nicht nur die kommunale Leistungsfähigkeit und den Bedarf berücksichtigen - § 85 Abs. 2 Nr. 1 der Gemeindeordnung -, sondern auch und vor allen Dingen durch einen öff~ntlichen Zweck~ § 85 Abs. 1 Nr. 1 aer Ge

meindeordnung- gerechtfertigt sein; Herr Kollege BiseheL

Ich zitiere weiter:-;,Durch einen öffentlichen Zweck gerecht

fertigt ist ein kommunales Unternehmen deshalb nur dann, wenn es sich zurückführen lässt auf die Verpflichtung der Gemeinde, das gemeinsame Wohl ihrer Einwohnerschaft zu fördern." Weiter heißt es in dem Urteil: "Im Rahmen der so genannten Daseinsfürsorge geht es dabei in erster Linie um Ba

.sisgüter wie Strom, Gas, Wasser und Wärme sowie um Basis

dienstleistungen, zu denen die in § 85 Abs. 3 der Gemeindeordnung besonders angesprochenen Tätigkeitsfelder, zum Beispiel der öffentliche Nahverkehr, gehört."

Herr Schnabel, im L!rteil steht weiter: "Gewinne zu erzielen, ist der Gemeinde nur insofern gestattet, als die vorrangige Erfüllung des öffentlichen Zwecks dies zulässt. Eine erwerbswirtschaftlich geprägte, vorrangig gewinnorientierte Betäti~ gung ist der Gemeinde untersagt." Herr Rieth, Frau Thomas, Herr Bisehel und Herr Schnabel, dies müssen Sie zur Kenntnis nehmen.

(Zuruf aus dem Hause)

-Das nehmen Sie nichtzur Kenntnis, weil es Ihnen nicht passt, aber so hat der Verfassungsgerichtshof des Landes dies in sei

nem Urteil festgeschrieben. Daran müssen Sie sich halten. Diese Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs zeigen eindeutig, dass der Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Hinblick auf die grenzenlose Ausdehnung, wie sie Herr Rieth will, wirtschaftlicher Betätigung von Gemeinden mit der Gemeindeordnung nicht in Einklang steht und damit verfassungswidrig ist. Dies hat Herr Kollege Schweitzer

bereits ausgeführt.

(Zuruf der Abg. Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber hinaus will die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

§ 85 Abs. 4 der Gemeindeordnung \oVie folgt ändern- ich zitiere-: "Die wir!.Schaftliche Betätigung außerhalb des Gerneindegebiets ist nur zulässig, wenn die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sind." Diese Frage hat mit der Verschärfung der Subsidiaritätsklausel oder deren Abschaffung überhaupt nichts zu _tun und berührt ein Thema, dass nach Auffassung des Wis

senschaftlichen Dienstes des- Landtags "unter verfassungs

rechtlichem Blickwinkel nicht unproblematisch ist". Herr Schnabel, dieses Gutachten haben wir uns extra im lnnenaus

schuss geben lassen. Lesen Sie denn nicht, was der Wissenschaftliche Dienstdes Landtags zu dem sagt, was die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN will?

Ich zitiere aus dem Bericht des Wissenschaftlichen Dienstes des L~mdags:,.Zunächst muss festgehalten wegien, dass sich keine kommunale Tätigkeit der Gebietskörperschaft Gemein

de außerhalb ihres Gemeindegebietes auf die besondere Rechtsposition des Artikels 28 Abs. 2 des Grundgesetzes berufen kann. Ausnahmen können nur insoweit gelten, als die Betätigung einer Gemeinde außerhalb ihres Gemeindegebiets notwendige Voraussetzung oder Folge innerkommunaler Tätigkeit ist, die der Selbstverwaltungsgarantie unterfällt. Ins

besondere bei der wirtschaftlichen Betätigung der Gemeinden im Sinne von § 85 der Gemeindeordnung hat das Regio

nalprinzip zudem mit dem Grundsatz der Subsidiarität eine besondere Ausprägung. Die Bestimmungen des§ 85 Absatz 1 der Gemeindeordnung bezwecken nämlich, dass sich die öffentliche Hand auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentriert und keine" - Herr Schnabel, es handelt sich immer noch um ein Zitat des Wissenschaftlichen Dienstes - ,.mit der Unternehmertätigkeitam Marktverbundene Risiken eingeht."

Mit dem, was Sie fordern, gehen Sie überall das-hinweg. Was der Verfassungsgerichtshof sagt, interessiert die Grünen nicht und offensichtlich die CDU auch nicht. Das Grundgesetz ändern vvir einfach.

(Zuruf des Abg. Schnabel, CDU)

Da stellen wir einfach einen Antrag. Ich komme gleich noch darauf zu sprechen.-Das spielt überhaupt keine Rolle. Das ist zwar nicht möglich, aber der Landtag soll alldas beschließen. Insofern kann die F.D.P.-Landtagsfraktion auch dieser Gesetzesänderung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht zustimmen, und schon gar nicht Ihrem Resolutionsantrag, Herr Schnabel.

Ob darüber hinaus die Aufhebung des Regionalprinzips bei Strom oder Gas als Kerntätigkeiten der Stadtwerke überhaupt zulässig ist, muss nach Auffassung der F.D.P.-Fraktion erst einer gründlichen und soliden Prüfung unterzogen werden. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass eine Auflockerung des Regionalprinzips auch insofern problematisch ist, weil hierdurch in dasseibstven.valtungsrecht der anderen betroffenen Gemeinden eingegriffen werden könnte. Eine Einschränkung der wirtschaftlichEm Betätigung außerhalb des Gemeindegebiets, soweit die berechtigten Interessen der betroffenen kommunalen Gebietskörperschaften gewahrt sind, ist ein Placebogesetz, das völlig an der Wirklichkeit wirtschaftlichen Handeins vorbeigehen würde, Herr Schnabel und Herr Rieth.

(Vereinzelt Beifall bei F.D.P. und SPD)

Hinzu kommt, dass eine Veränderung der Gemeindeordnung nur für das Bundesland Rheinland-Pfalz Bedeutung hätte.

Das, was Sie in der Resolution beantragen, endet an den Grenzen von Rheinland-Pfalz. Bei länderüberschreitender wirtschaftlicher Betätigung stellt sich nach Auffassung des Wissenschaftlichen Dienstes jedoch die grundsätzliche Frage, ob und in welchem Umfang die Interessen konkurrierender privater--

Herr Kollege Schnabel, jetzt hören Sie zu. Diejenigen, die sanntags immer erzählen, sie seien für den Mittelstand, und montags die Resolutionsanträge stellen, müssen jetzt beson

ders zuhören.

(Zuruf des Abg. Schnabel, CDU)

Das ist ein weiterer Aspekt, der gegen den Gesetzentwurf der Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht. Eine wirt

- schaftliehe Betätigung über die Gemeindegrenzen hinaus würde von jedem Dritten

(Glocke des Präsidenten)

auf ihren Bestandsschutz und die Risiken hin beklagt werden können.

(Frau Thomas, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Der Herr Präsident hat geklingelt!)

-Ich höre sofort auf, Frau Thomas.

Das muss man schlicht und einfach wissen. Im Urteil des Verfassungsgerichtshofsvon Rheinland-Pfalzwurde-auch auf die Drittwirkung, die entsteht, hingewiesen. Unabhängig davon, ob es möglich wäre, Ober die Grenzen hinaus etwas zu tun, könnte das auch von Dritten beklagt werden. Ich kann mit schon vorstellen, dass das RWE sofort auf der Matte stehen würde, wenn man Ihrem Gesetzentwurffolgen würde.

Vizepräsiden~ Heinz:

Herr Creutzmann, Ihre Redezeit ist abgelaufen!

Deshalb lehntdie F.D.P.-Fraktion den Gesetzentlllturf ab.

(Beifall der F.D.P. und bei der SPD)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Schnabel das Wort. Herr Kollege, Ihnen steht noch eine Redezeit von bis zu einer Minute zur Verfügung.

Keine Angst, ich steige überhaupt nicht mehr in die Thematik ein.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich will nur auf eines hinweisen, um Legendenbildungen vorzubeugen: _Die

CDU-Fraktion hat sich im Innenausschuss der Stimme enthalten, weil wir noch keine abschließende Meinung in der Fraktion gebildet hatten.