Protocol of the Session on August 16, 2000

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen? - Herr Dr. Braun, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, ·meine Damen und Herren! Ich freue mich natürlich sehr, dass •Nir gemeinsam über das diskutieren können, was der Rechtsextremismus für uns, für unsere Gesellschaft, aber auch für das Land Rheinland-Pfalz bedeutet.

Es ist wichtig und unabdingbar, dass der Landtag von Rheinland-Pfalz eine klare Linie fährt und klar sagt, mit Rechtsextremen, egal- welcher Couleur, hat dieser Landtag, hat dieses Land nichts zu tun, und wir werden den Rechtsex

tremismus bekämpfen, wo immer wir ihn antreffen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN- Wirz,CDU: Den Linksextremismus auch!)

Sie wissen, ich komme aus der Stadt- Ludwigshafen. Dort gab es nicht nur den Brandanschlag vor einem Monat, der drei kleine Kinder verletzt hat, sondern dort gab es auch am 1. Mai die Demonstration, besser gesagt den Aufmarsch der NPD in Rheinland-Pfalz. 300 NPD-Ier zogen durch die Straßen, und wer es gehört hat - ich habe es lange genug gehört -, wird es nie vergessen, wie gegrölt wurde: ,.Hier marschiert der nationale Widerstand."

Meine Damen und Herren, dieses Treiben hat eine neue Dimension. Das ist nicht so-wie vor zehn oder zwanzig Jahren. Die NPD ist eine Organisation, in der sich Gewali;:täter in einer jetzt noch legalen Organisation sammeln. Diese neue Qualität muss auch neu, muss auch entschlossen bekämpft werden. Deswegen sagen auch wir, man muss alles mit dem Ziel prüfen, dass man die NPD verbieten kann.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das allein wird aber nicht genügen. Man muss im Vorfeld die gesamte Stimmung in der Bevölkerung und in diesem Land in eine andere Richtung bringen. Ich möchte hierzu ein Zitat vorlesen. Es heißt: "Ich will unser liberales Asylrecht so, wie es im Grundgesetz steht, erhalten. Daneben soll ein zweiter Weg eröffnet werden. Im Übrigen bin ich ei!l ausgesprochener Befürworter einer Gesellschaft der Vielfalt. Ich glaube, dass wir davon nur profitieren können. Wenn man sich ein

mal die Entllliic_klung der Vereinigten Staaten ansieht: Deren Leistungsfähigkeit auf allen Gebieten wäre ohne eine geregelte Zuwanderung überhaupt nicht vorstellbar gewesen."

Das ist kein Grüner, das ist Hanns-Eberhard Schleyer. Ich wünsche mir, dass hinter diese Position kein einziger mehr zu

rückfällt, dass es eine tolerante Atmosphäre und die Aufnahme einer Diskussion gibt, wie wir gegenseitig Toleranz üben können, und zwar unter Bedingungen, die im Moment verbessert werden müssen, die aber beim Asylrecht bleiben müs~

sen. Jede andere Diskussion um Ausländerfeindlichkeit schadet diesem Land, dieser Gesellschaft und auch der Zukunft dieses Landes.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir benötigen· Courage. Das haben Sie gesagt, Herr il!iertes.

Herr 4uber hat gesagt, er habe durchgesetzt, dass die Republikaner weiter beobachtet werden. Das halte ich für einen richtigen Schritt; denn auch die Republikaner sind im Umfeld der Rechten aktiv.

Ich möchte das Thema nicht weiter aufbauschen, aber ich weise darauf hin, dass Sie, Herr Creutzmann, zum Beispiel in Ludwigshafen mit der CDU und den Republikanern eine Zählgemeinschaft gebildet haben. Dadurch wurden die Sitze anders verteilt, sodass sie beispielsweise einen Sitz mehr im Ver~ waltungsrat der Kreissparkasse erhalten haben.

Wenn keine klare Trennlinie zwischen rechtsradikalen Grup

pierungen und anderen gezogen wird, ist man auf dem falschen Weg, Herr Creutzmann. Ich fordere Sie auf, diesen Sitz wieder zurückzugeben. Das wäre ein klares Zeichen, um zu sagen: Nein, mit den Republikanern und den Parteien vom rechten Rand haben wir als Demokraten in Rheinland-Pfalz nichts zu tun.

Vielen Dank.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Redmer das Wort.

.. Herr Präsident, meine Damen und Herren! Mitte der 90er

Jahre fand in Athen eine Demonstration gegen Rechtsextre

mismus statt. Die Teilnehmer -dieser Demonstration zeigten ein Transparent mit der Aufschrift: "Wqllt ihr deutsche Verhältnisse?" - Unter "deutschen Zuständen" verstand man dort Ausländerhass, Rassismus, Neofaschismus und vor allem Gewalt.

Wir selbst haben das, was sich Anfang der 90er-Jahre in Deutsch land abgespielt hat und Anlass fur dieses Transparent

· war, offenbar in der _?:weiten Hälfte der 90er-Jahre allzu stark

verdrängt. Dabei schließe ich niemanden - auch mich nichtaus. Wir haben uns anderen Themen mit der Annahme gewidmet, dass sie wichtig seien, und haben uns nicht so mit dem Thema beschäftigt, wie wir uns damit beschäftigen müssten.

Im Sommer des letzten Jahres haben wir über den Laden

schluss diskutiert, als wäre das die wichtigste Frage, die die Gesellschaft bewegt. ln diesem Sommer ist das Gott sei Dank anders. Wir kommen auf das zurück, was ein Krebsgeschwur der Gesellschaft ist und das nicht mit einmaliger Chemothera

pie beseitigt und geheilt werden kann.

Wir müssen daran denken, dass wir nicht mit vorschnellen Lösungsmöglichkeiten, die in die Weltgesetzt werden, das The

ma wieder zu den Akten legen können. Vorschnelle Verbots

forderungen und viele andere Dinge müssen nicht unbedingt eine mittel- oder langfristige Lösung sein.

ln der vergangenen Woche veröffentlichten zwei Sozialwis

senschaftler der Freien Universität Berlin eine Studie über rechtsextremistische Einstellungen in der Berliner und Brandenburger· Bevölkerung. Das Fazit der Studie: Binnen zwei Jahren ist der Anteil rechtsextremistischer Einstellungen in der Bevölkerung um 10% angestiegen. Bemerkenswert ist, dass wir immer wahrnehmen, dass jugendliche ·Gewalttäter in Ersch_einun~ treten. Das ist so, und es ist auch in die~er Stu-. die belegt worden, dass unter Jugendlichen die Gewaltbereitschaft sehr groß ist. Die Alten ab 55 Jahren aber liefern das notwendige Gedankengutfürdiese Gewalt. Die Alten reden, die Jungen handeln. Dieses Zusammenspiel bringt uns in die Lage, ·in der wir uns befinden.

Die Autoren der Studie kommen zu dem Ergebnis, dass Rechtsextremismus mit Demokratieverdrossenheit, die bei

30 % der Befragten festgestellt wurde, und Politikverdrossenheit, die bei 40 _% der Befragten festgestellt wurde, ein

hergeht. Sie stellen fest, dass häufig drei Faktoren zusammenkommen: erstens ein geringes Einkommen,.,zweitens politische Unzufriedenheit und drittens wirtschaftliche Unzu

friedenheit. - Je_tzt folgt etwas, das gleichermaßen positiv wie negativ gewertet werden kann: Ändert sich auch nur einer dieser Fakt(Jren, besteht Hoffnung auf Änderung der Einstellung des Betroffenen. - Das heißt,. wir können durchaus, wenn wir gezielte Maßnahmen durchführen, darauf vertrau~ en, dass sich etwas ändern lässt.

Auf ein besonderes Dilemma bei der Bekämpfung des Rechtsexi:remismus weisen Andrea Schneider und Micha Hitgers in der Ausgabe der "Frankfurter Rundschau" vom 12. August dieses Jahres hin. Sie schreiben: "Treten Polizei und Justiz konsequent auf, erleben sich rechte Gewalttäter als Opfer einer ungerecht verfolgenden Staatsmacht, was als Rechtfertigung für Straftaten dient. Mangelt es jedoch an konsequen

ter Verfolgung, wird dies als lächerliche und letztlich auch enttäuschende Schwäche der Autorität empfunden, was ebenfalls Hass auf den Plan ruft."

Wenn man diese Feststellung zugrunde legt, folgt daraus, dass Rechtsextremismus bzw. rechtsextremistische Gewalt auf drei Ebenen bekämpft werden müssen: Erstens durch Prävention hinsichtlich der Entstehungsbedingungen für Gewalt, das heißt, im Bereich von Familien-, Wohnungs- und Bildungspolitik. Zweitens muss Gewalttätern konsequent begegnet werden. Drittens muss dem akzeptierenden und unterstützenden Umfeld begegnet werden. Ich habe vorhin be

reits auf das Zusammenspiel von Jung und Alt hingewiesen.

Vor diesem Hintergrund bin ich der Meinung, dass das, was die Landesregierung in den letzten Tagen wiederholt hat und was der Herr Innenminister vorhin vorgetragen hat, genau der richtige Ansatz ist, nicht nur repressiv und präventiv, sondern im Zusammenspiel mit verschiedenen Faktoren zu versuchen, dem Rechtsex'tremismus Einhalt zu gebieten.

Herr lnnenminister, Sie haben vorhin einen Vorgang aus meiner Heimatstadt, aus ldar-Oberstein; geschildert. Ich schäme mich dafür, dass so etwas in meiner Heimatstadt geschehen konnte. Ich will aber das, was Sie geschildert haben, ergänze.n, weil ich der Meinung bin, dass- so schlimm der Vorfall auch war- noch ein Funke Hoffnung vorhanden ist, der uns zeigt, dass wir bei der Bewältigung des Themas nicht ganz allein stehen.

(Glocke des Präsidenten)

Dass die drei jugendlichen Täter, nach meiner Kenntnis waren es drei Täter, heute Nacht so rasch gefunden werden konnten, lag daran, dass Zeugen sehr präzise Beschreibungen der Täter abgegeben haben. Daraufhin konnte die Polizei sehr schn!'!ll zugreifen. Das sollte uns Hoffnung geben, dass die Zivilcourage in unserer Gesellschaft wächst und dass wir dem Problem des Rechtsextremismus doch noch Herr werden.

(Beifall der SPD und der F.[).P.)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Böhr das Wort.