Protocol of the Session on June 14, 2000

Für die F.D.P. ist es insofern völlig unverständlich, weshalb vonseiten der Stadt Bad Kreuznach, aber auch seitens des in den Rechsstreit involvierten Städtetags Rhe[nland-Pfalz das Urteil des Verfassungsgerichtshofs geradezu als ein salomoni

sches Urteil abgefeiert wird. Entgegen deren Ansicht kann weder· die Stadt ~ad Kreuznach noch der Städtetag Rheinland-Pfalz das Urteil als einen Erfolg feiern. Aus dem Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof sind, obwohl dieser Eindruck durch Pressemeldungen der involvierten Partei

en so vermittelt wurde, nicht nur Gewinner hervorgegangen. Die in den Urteilsgründen vom Verfassungsgerichtshof herausgearbeiteten Grundsätze bringen im Wesentlichen keine neuen Erkenntnisse.

(Schnabel, CDU: Bitte?)

-Natürlich, Herr Schnabel.

Dass vorhandene Kommunalwirtschaft Bestandsschutz genießt, bed.urfte· nicht eines höchstrichterlichen Richter

spruchs, sondern ist ganz klar dem Wortlaut des § 85 Abs. 1 der Gemeindeordnung Rheinland-Pfalz zu entnehmen.

(Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Für die F.D.P.-Fraktion drängt sich in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob die Stadt Bad Kreuznach und mit ihr der Städtetag Rheinland-Pfalzerst einen Gesetzestext lesen können, wenn dies von einem Gericht aufgezeigt wird.

Die verschärfte Subsidiaritä~sklausel greift schließlich auch dann nicht ein, solange die Erweiterung eines bestehenden Unternehmens nicht wesentlich ist.

Meine Damen und Herren, der Bestandsschutz, den der§ 85 Abs. 1 der Gemeindeordnung den Kommunen gewährt, ist deswegen keineswegs gleichbedeutend mit Stagnation. Dem Bedürfnis, angestammte Tätigkeitsfelder marktgerecht zu er

gänzen, lässt auch das Gesetz mit der verschärften Subsidiaritätsklausel durchaus Raum. Auch die im Urteil getroffene. Feststellung, dass sich die komiT]unalen Unternehmen auf ih

re Kernbereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge, wie etwa die Wasser- und Stromversorgung, und den Nahverkehr, besinne.n müssen, bringt keine neuen Erkenntniss~.

Einer Klarstellung durch das Urteil dahin gehend, dass zum Beispiel die Stadtwerke Neuwied den Reparaturbetrieb für den städtischen Fuhrpark nicht für private Autobesitzer öff

nen dürfen, bedurfte es gerade nicht. Nach § 85 der Gemei_!l

deordnung muss der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigen. Bei dem Versuch, den unbestimmten Rechtsbe

griff des öffentlichen Zwecks zu definieren, müssen streng die Vorgaben, die das Bundesverwaltungsgericht beständig

in seinem Urteil auf den öffentlichen Zweck anwendet, beachtet werden.

Nach diesen verfassungsgerichtlichen Vorgaben ist zum Bei

spiel·das Vorhaben der Stadt Neuwied, ihre Reparaturwerkstatt auch für Private zu öffnen, gerade nicht unter dem Begriff des öffentlichen Zwecks zu subsumieren, da das beabsichtigte Ziel einzig eine reine Gewinnerwirtschaftung war. Gewinne zu erzielen, ist einer Kommune aber nur insoweit gestattet, als die vorrangige Erfüllung des öffentlichen Zwecks dies zulässt.

Eine Klarstellung kann aus der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalzjedoch getroffen werden,

(Glocke des Präsidenten)

über die sich manche Stadtwerke noch wundern werden.

Dazu möchte ich anschließend noch ein paar Ausführungen machen. (Beifall bei der F.D.P.)

Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten. Schnabel das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren.! Beim Urteil des Verfassungsgerichtshofs Rheinland-Pfalzvom 28. März dieses Jahres über die Zulässigkeit kommunalwirtschaftlicher Betätigungen gibt es eigentlich keine Gewinner und keine Verlierer.

Die neue gesetzliche Regelung, wonach die Gemeinden wirt

schaftliche Unternehmen nur errichten, übernehmen und

· wesentlich erweitern dürfen, wenn der öffentliche Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Dritten erfüllt werden kann, ist nach dem Urteil mit der Lan

desverfassung vereinbar. Übermäßige Eingriffe in das Selbstverwaltungsrecht sind damit nicht verbunden, heißt es weiterhin. Aber es gibt den Hinweis, dass Eingriffe durch eine zweckentsprechende Auslegung und Handhabung des neuen Gesetzes vermieden werden müssen. Außerdem gibt es den kommunalen Unternehmen Bestandsschutz.

(Zuruf von der SPD)

-Das war aber bisher so nicht festgeschrieben.

Die Geme.inden konnten eine wichtige Klarstellung zu ihren Gunsten- Herr Creutzmann, hören Sie bitte zu- erreichen. So

haben Sie bei der Frage, ob ein Dritter den öffentlichen Zweck ebenso gut erfüllen kann, einen Spielraum eigener Beurteilungen, im Gegensatz zu dem, was wir derzeit haben. Dieser Beurteilungsspielraum bezieht sich auch und gerade auf die Güte der betreffenden Leistung. Damit ist vor allem deren Nachhaltigkelt bzw. Dauerhaftigkeit und Zuverlässigkeit angesprochen.

(Schweitzer, SPD: Das steht alles im Gesetz!)

-Das war aber alles nicht enthalten.

Je wichtiger eine durch den öffentlichen Zweck gerechtfertigte Leistung für die Bürger ist, desto Wößer ist das Bedürfnis nach einem krisen_festen, stetigen und möglichst ungestörten Angebot, und zwar zu sozial gerechtfertigten Bedingungen.

Weiterhin hat der Verfassungsgerichtshof erläutert: Diese Kontinuität der Aufgabenerfüllung kann.von Fall zu Fall den Ausschlag dafür geben,. dass ein Privater den öffentlich~n Zweck nach der rechtlich vertretbaren Einschätzung der Gemeinde.nicht ebenso gut verwirklichen wird wie die Kommune. - Auch die kommunalen Verbundunternehmen werden nach dem Urteil nicht gefährdet. Maßstab ist die zu erfüllende Gesamtaufgabe. Geschützt werden hierdurch insbesonde

re diejenigen Stadtwerke, die defizitäre Bereiche unterhalten

Rosinenpickerei, wie das vielleicht gedacht war, wird dadurch konkret und massiv verhindert und ausgeschlossen. Nicht zu verkennen ist die Problematik bei der Vergabe von Teillei

stungen der kommunalen Betriebe. Konfliktsituationen werden häufiger von den Gerichten zu klären sein. Das werd,en wir in absehbarer Zeitfestzustellen haben.

Meine Damen und Herren, insgesamt lässt das neue Recht nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs den Kommunen einen beachtlichen Handlungsspielraum, in dem sie auch weiterhin in angem,essene[Tl Umfang ihren angestammten wirtschaftlichen Betätigungsfeldern nachgehen können.

Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, dies

wollten Sie eigentlich alle nicht, insbesondere Sie von der F.D.P. nicht.

(Ministerpräsident Beck: Was?) · Ihr Ziel, die Selbstverwaltung in Rheinland-Pfalz mit dem neuen § 85 der Gemeindeordnung einzuschränken und die Kommunen in ihrer Eigenständigkeit zu beschneiden, haben Sie nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs nicht erreicht. (Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, die Übernahme neuer Aufgaben durch die Kommunen in Rheinland-Pfalz, die immer wieder

an die Wand gemalt wurden, steht nicht an. Auch die VerJac gerung von Zweigbetrieben nach Indien, Pakistan oder das Betreiben der U-Bahn in Montevideo, der Wasserversorgung in Ankara, eines Fingernagelstudios i.n Mühlheim an derRuhr.gibt es alles in Rheinland-Pfalz nicht. Darauf hat auch gerade

Professor Dr. Günter Hennecke in seiner Kommentierung zu diesem Urteil des Verfassungsgerichts hingewiesen.

Meine Damen und Herren, auf den ersten Blick wurde durch das Urteil die verstärkte Subsidiarität bestätigt, doch die Kommunen in Rheinland-Pfalz werden in der Praxis nur am Rand dadurch tangiert sei'n. Die kommunale Position ist gestärkt, ohne das die Privatisierungsmöglichkeit, die wir wollen, eingeschränkt wird.

Meine Damen und Herren, ich d,enke, damit können die Kommunen leben, damit können wir leben, aber damit können Sie von SPD und F.D.P. am Ende in Rheinland-Pfalznicht leben.