Protocol of the Session on August 27, 2020

Hierzu arbeiten wir strategisch nicht nur mit den Bundesländern und dem Bund zusammen, sondern auch mit Mitgliedern der Europäischen Kommission – vor allem mit unseren geschätzten Nachbarn in den Niederlanden und Belgien, mit denen wir die Gespräche zu dem Thema schon seit Jahren führen.

Wir werden über Infrastruktur sowie über Wasserstoffpipelines reden müssen. Dies braucht auch thyssenkrupp, wenn am Hochofen in Zukunft der Kohlereduktionsprozess tatsächlich durch Wasserstoff in der Menge abgebildet werden soll, wie sie bei thyssenkrupp benötigt wird.

Noch mal zu der strategischen Einbindung, Herr Hübner: Wir haben das im Industriepolitischen Leitbild mit verankert. Das waren wir; Sie – auch nicht mein geschätzter Amtsvorgänger – haben das nicht mit aufgenommen.

Wir haben gesagt: „für Klimaschutz als Innovationstreiber“. Das haben wir uns im Industriepolitischen Leitbild gemeinsam mit der Industrie und den Gewerkschaften erarbeitet. Dort haben wir IN4climate.NRW und all die Initiativen benannt, auf deren Grundlage wir jetzt arbeiten, um das umzusetzen.

Lieber Herr Bolte-Richter, wir treten also nicht nur gerne in den Wettbewerb ein, sondern sind schon mitten in diesem Wettbewerb und gehen voran.

Sie müssen sich entscheiden, ob Sie bei allen 14 Handlungsfeldern unseres Industriepolitischen Leitbildes und nicht nur beim Kapitel Klima eine Orientierung finden; denn letztendlich gehört alles zusammen. Man muss die Rahmenbedingungen schaffen, damit die Industrie diesen Transformationsprozess stemmen kann.

Das gilt auch für eine gesicherte und bezahlbare Energieversorgung, den Netzausbau und die Verkehrsinfrastruktur. All diese Themen sind Teil des Industriepolitischen Leitbildes. Dann kann sich eine grüne im Sinne von klimaneutrale Industrie am Standort Nordrhein-Westfalen wettbewerbsfähig entwickeln.

Wir freuen uns sehr auf Ihre Reflexion der anderen 13 Handlungsfelder. Wenn Sie das abgearbeitet haben, dann können wir uns in dem Wettbewerb sicherlich auf Augenhöhe wiederfinden. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Jetzt liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit kann ich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 1, also die Debatte in der Aktuellen Stunde, schließen.

Ich rufe auf:

2 Lieber späte Einsicht als keine – Straßenaus

baubeiträge abschaffen

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/10636

Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 17/10747

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die antragstellende Fraktion Herr Kollege Kämmerling das Wort.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Straßenausbaubeiträge, wie wir sie kennen, gibt es außerhalb von Nordrhein-Westfalen noch in einem einzigen Bundesland, nämlich im Stadtstaat Bremen.

Daran hat die größte Volksinitiative in der Geschichte unseres Bundeslandes mit weit über 400.000 Unterschriften nichts ändern können. Mit 100 zu 97 Stimmen hat die Koalition diese Volksinitiative denkbar knapp weggestimmt.

(Bodo Löttgen [CDU]: Das nennt man Demo- kratie!)

Daran haben Dutzende Bürgerinitiativen nichts ändern können.

Rund 140 Stadt- und Gemeinderäte, die Resolutionen beschlossen haben, haben daran ebenfalls nichts ändern können.

Die zahlreichen örtlichen CDU- und FDP-Gliederungen, die heute noch versuchen, auf ihre Landtagsfraktion einzuwirken, haben nichts ändern können.

Dass sich im Laufe der Beratungen der vergangenen Monate gezeigt hat, dass irgendetwas zwischen 40 % und 80 % der erhobenen Beiträge gleich wieder

vom Verwaltungsaufwand für die Erhebung selber aufgefressen wird, konnte ebenfalls nichts ändern.

Ich führe es Ihnen noch mal vor Augen: Zwischen 40 Cent und 80 Cent von jedem eingenommenen Euro werden sofort bei der Erhebung vor Ort verbrannt. – Das kann es nicht sein.

(Beifall von der SPD)

Demonstrationen und Kundgebungen vor Ort konnten nichts ändern.

Auch Herr Grochtdreis, der heute vor dem Landtag seine sage und schreibe 16. Mahnwache gegen Straßenausbaubeiträge abhält, konnte nichts ändern.

Alle Rufe, alle Argumente und auch alle Einzelschicksale finden bei dieser Landesregierung nach wie vor kein Gehör. Das frustriert Zehntausende Menschen in diesem Land.

(Beifall von der SPD)

Statt die Straßenausbaubeiträge abzuschaffen, haben CDU und FDP dem § 8 KAG einen § 8a hinzugefügt. Dieser sieht wie folgt aus: Die Kommunen sollen jetzt ein Straßen- und Wegekonzept für fünf Jahre erstellen und transparent machen.

Damit wissen die Bürgerinnen und Bürger jetzt schon fünf Jahre vorher, wann ihre Existenz bedroht wird.

Außerdem müssen die Kommunen dafür externe Büros beauftragen und sehen für diese Beauftragung und deren Auswirkungen keinen Cent vom Land.

Es müssen jetzt verpflichtend frühzeitige Anliegerversammlungen stattfinden, aber keine Anliegerversammlung verhindert den anschließenden Beitragsbescheid. Daran ändert sich nichts.

Ratenzahlungen werden jetzt vereinfacht. Die betroffenen Anwohner sind dann also nicht mehr auf einen Schlag pleite, sondern haben Monat für Monat weniger im Portemonnaie.

Dann gibt es da noch ein neues Förderprogramm. Dessen Verfahren sieht wie folgt aus: Der komplette Abrechnungsaufwand der Kommune bleibt wie bisher bestehen. Die Kommune muss aber zusätzlich einen Förderantrag bei der NRW.BANK stellen. Die NRW.BANK prüft und erlässt vorbehaltlich ausreichender Mittel im Haushalt den Förderbescheid. Die Kommune erlässt anschließend den Beitragsbescheid. Dann legt die Kommune der NRW.BANK einen Verwendungsnachweis vor. Der wird dann natürlich wieder geprüft usw., usw., usw.

Dieses Konstrukt ist ein solches Bürokratiemonster, dass sich die kommunalen Spitzenverbände genötigt sahen, ihren Mitgliedskommunen das Verfahren in einem dreizehnseitigen DIN-A4-FAQ-Papier zu erklären.

(Beifall von der SPD)

Zu dem Gesetz gibt es jetzt schon 400 eng beschriebene Seiten Kommentierungen, und jetzt kommen wahrscheinlich, meine Damen und Herren, 400 weitere Kommentarseiten hinzu. Das kann doch im Jahr 2020 nicht Ihr Ernst sein!

(Beifall von der SPD und Mehrdad Mostofiza- deh [GRÜNE])

Diese Reform macht ein nicht reformierbares System nur noch undurchschaubarer. Diese Reform macht das System noch teurer. Diese Reform verunsichert zahlreiche Bürgermeister in unserem Land derart, dass sie Straßen nicht mehr abrechnen, geschweige denn neue Maßnahmen planen. Diese Reform hat den Protest der Bürgerinitiativen nicht verstummen lassen. Diese Reform, meine Damen und Herren, hat keinen Frieden geschaffen, und ich sage Ihnen heute: Sie wird keinen Frieden schaffen.

(Beifall von der SPD)

Was übrigens auch keinen Frieden schaffen wird, ist der gestern noch vorgelegte Initiativantrag, ein Rechtfertigungspapier. Trockener könnte es nicht sein. Ich sage Ihnen: Deutlicher, meine Damen und Herren, können Sie den Bürgerinnen und Bürgern da draußen nicht zeigen, dass Sie kurz davor sind, an Ihrer eigenen Eitelkeit zu scheitern.

(Henning Rehbaum [CDU]: Damit kennen Sie sich ja aus!)

Jemand, der zuvor hätte 80.000 Euro zahlen müssen, muss jetzt vielleicht noch 40.000 zahlen.

Die Redezeit.

Das ist selbstverständlich die Hälfte. Aber es gibt in diesem Land Menschen, die keine 40.000 Euro haben. An der Stelle bitte ich darum, dass Sie auch denen Gehör verschaffen. – Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Kämmerling. – Für die CDU-Fraktion hat Herr Kollege Déus jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ende 2019 hat die NRW-Koalition die Straßenausbaubeiträge nach dem Kommunalabgabengesetz, kurz KAG, nach intensiver Debatte zum 1. Januar diesen Jahres grundlegend reformiert. Die in den zuständigen Fachausschüssen sowie im Plenum geführten Diskussionen sind kaum verklungen. Nur wenige Monate nach Inkrafttreten der Reform kommt die SPD nun mit ihren

altbekannten Forderungen und Argumenten um die Ecke. Das hat etwas von „Und täglich grüßt das Murmeltier“.