Protocol of the Session on August 27, 2020

So ist das mit Zwischenfragen, die man ans Ende einer Rede stellt. Die meisten Rednerinnen und Redner vergessen das dann. Und anschließend sind es auch keine Zwischenfragen mehr.

(Zuruf von Arne Moritz [CDU])

Zwischenfrage ist Zwischenfrage. Am Schluss kann man viel fragen. Dann beim nächsten Mal! – Jetzt hat Herr Kollege Witzel das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der SPD hat leider eine unvollständige Überschrift. Sie fordern einen „Haushalt für die Vielen“ und haben danach das Substantiv „Schulden“ vergessen.

Die Beschreibung der Coronakrise und ihrer Folgen ist im Antrag nicht ganz verkehrt. Aber das reicht eben nicht aus.

Die FDP-Landtagsfraktion sieht ihre Aufgabe darin, Menschen und Betrieben zunächst überbrückende Hilfen befristet zukommen zu lassen. Danach muss es aber schnellstmöglich wieder nach vorne gehen. Wir wollen und müssen Menschen Mut machen und Optimismus verbreiten statt Depression.

Ihre Entscheidung zum Dauerkurzarbeitergeld XXL sorgt eben nicht für eine schnelle Aktivierung aller Potenziale, für Aufbruch, für Wachstum und für Produktivität, sondern schönt die Statistik und erhält auch dauerhaft unwirtschaftliche Betriebe auf Kosten der Allgemeinheit.

(Zuruf von der SPD)

Daran, Herr Kollege, dürfen wir uns nicht automatisch gewöhnen.

Die Forderungen im Antrag der SPD sind kein Gesamtkonzept, sondern ein Steinbruch. Sie bedienen verschiedene Zielgruppen, die querbeet Geschenke in Aussicht gestellt bekommen. Das ist ein typischer

Oppositionsantrag nach Ihrem beliebten Motto „Gute Schulden 2020“, den niemand, der in Verantwortung steht, ernsthaft so beschließen würde.

Ich will das an ausgewählten Beispielen deutlich machen. Sie haben es gerade angesprochen, Herr Kollege: Da kommt zum Ersten Ihr Ladenhüter „Altschuldenübernahme“. Sie werben erneut für eine Stunde null, in der die Schulden von den Kommunen über Nacht zum Land gedrückt werden – als ob NRW mit über 140 Milliarden Euro Schulden nicht bereits selbst eine erdrückende Schuldenlast zu tragen hätte.

(Beifall von der FDP)

Deshalb sagen wir: Nur Maßnahmen zum Schuldenabbau sind eine Problemlösung, aber doch keine reine Schuldenverlagerung.

(Beifall von der FDP)

Auch die Fehlanreize eines solchen Schuldenschnitts ignorieren Sie völlig. Solide wirtschaftende Kommunen werden bestraft, andere für ihre jahrzehntelangen Sünden noch belohnt.

Ich gebe Ihnen ein zweites Beispiel. Jetzt in der Coronakrise fordern Sie höhere Lehrergehälter, mindestens A13 für alle. Das bedeutet jährliche Mehrkosten von dauerhaft 750 Millionen Euro.

Man kann in der Sache aus guten Gründen dafür oder dagegen sein. Diese Diskussion führen wir fachlich an anderer Stelle. Aber für Corona ist das doch kein Lösungsbeitrag. Es hilft ja nicht einmal gegen den Lehrermangel; denn das Problem des Engpasses ist, wie Sie wissen, ein völlig anderes.

Wir schreiben genügend Stellen aus. Es gibt auch genügend Studenten, die studieninteressiert sind, aber seit Jahren deutlich zu wenig Studienplätze. Deshalb weiten wir diese in den Bereichen aus, in denen Sie sie in Ihrer Regierungszeit so knapp bemessen hinterlassen haben. Da haben wir viel an ausbildungsbereiten jungen Menschen versäumt, die einfach nicht den Zugang bekommen haben. Dann sähe heute die Lehrerversorgung ganz anders aus.

(Beifall von der FDP)

Zum Dritten schreiben Sie: „Ausbau der Schulsozialarbeit“. Ja, was ist denn der reale Sachverhalt? Die Bundesregierung mit SPD-Beteiligung zieht sich daraus zum Jahresende zurück!

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Wir haben von Beginn an – das ist nichts Neues, Herr Kollege – in den Koalitionsvertrag geschrieben:

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Wir sorgen dafür, dass das in Nordrhein-Westfalen fortgeführt wird. Das ist doch nichts, was Sie jetzt an uns adressieren können, um das hier zu kritisieren.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])

Sie machen mit der SPD den Rückzug, und wir erhalten hier die Strukturen. Das ist doch die Realität.

(Beifall von der FDP)

Ansonsten darf ich mich meinem Vorredner in wichtigen Punkten anschließen. Von Schwarz-Gelb sind Coronahilfen auf den Weg gebracht worden, die über Bundesprogramme hinausgehen – im Bereich von Solo-Selbstständigen, Ausweitungen von Soforthilfen für Betriebe mit 10 bis 50 Arbeitnehmern, flankiert mit großzügigen Landesbürgschaften.

Coronaunterstützung für Kommunen hat es von der NRW-Koalition bereits umfangreich gegeben. Es wird sicherlich auch nicht dauerhaft nur bei dem heute Beschlossenen bleiben.

Die Steuereinnahmenausfälle haben wir aufgefangen.

Wir haben die ÖPNV-Mindereinnahmen leistungslos kompensiert und den Kommunen über das Haushaltsrecht durch Isolierung der Coronakomponente im Kommunalhaushalt uneingeschränkte Handlungsfreiheit ermöglicht.

Außerdem hat es in diesem Land – das haben wir hier alles schon beraten – ein Konjunkturpaket gegeben, das jetzt mit der ersten Tranche auf den Weg gebracht wurde: öffentliche Investitionen auf einem aktuellen Rekordhoch mit einem Fokus auf Investitionen in Bildung, Digitalisierung, Verkehrswegebau und zukünftige Gesundheitsvorsorge.

Deshalb sage ich abschließend: Zur Wahrheit gehört bei all dem, was wir gemacht haben, aber auch, dass sich das Land in den letzten Wochen und Monaten in Rekordhöhe neu verschuldet hat, um mit der Coronakrise umzugehen. Jetzt kann man nicht ständig noch eine Schippe drauflegen. Mit jeder Neuverschuldung geht auch eine gewaltige Verantwortung für die kommende Generation einher, die diese Schulden irgendwann einmal zurückzahlen muss.

Angesichts dieses historischen Schuldenstandes im letzten Jahr haben viele junge Menschen auf der Straße für die Perspektiven der jungen Generation demonstriert. Sie haben das leider freitags während der Schulzeit gemacht.

Jetzt wäre es an der Zeit, den Fokus auf die Frage der Generationengerechtigkeit im Bereich der Finanzen zu richten. Das Notwendige muss getan werden. Aber hier alles mit dem Füllhorn auszugießen, wie Sie das in Ihrem Antrag fordern, ist keine seriöse Politik, bei der wir mitgehen könnten. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Danke schön, Herr Witzel. – Nun spricht Frau Düker für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ein Haushalt, der solidarisch, zukunftsorientiert und gerecht werden soll: Lieber Kollege Zimkeit, wer kann dagegen sein? Das hört sich klasse an. Ihr habt euch ja auch bemüht, umfassend aufzuführen, was alles notwendig ist.

Die Konjunktur muss gestützt werden. Der Investitionsstau muss abgebaut werden. Die Infrastruktur muss gestärkt werden. Die Kommunen brauchen Unterstützung. Bildung muss gestärkt werden. Digitalisierung ist vonnöten. Die soziale Schieflage ist auch ein wichtiger Punkt. In Bezug auf die Arbeitsbedingungen gilt, dass Klatschen nicht ausreicht. Die soziale Infrastruktur dürfen wir auch nicht vergessen.

Alles richtig; alles schön; hört sich klasse an. Trotzdem …

(Zuruf von der SPD)

Jetzt kommt das Aber. Es bleibt ein Störgefühl. Das will ich auch begründen. Wir kennen nämlich die Steuerschätzung nicht. Zwar wissen wir alle, dass die Steuerschätzung im September – ich frage einmal den Finanzminister – sehr wahrscheinlich – zumindest nehme ich das an – sehr stark von der Steuerschätzung davor abweichen wird. Bisher war es üblich, im Mai und im Herbst eine Steuerschätzung zu machen und dann das Verfahren entsprechend durchzuziehen. Das wird jetzt ja nicht so sein.

Das heißt: Ich habe auch in der Opposition einen Anspruch auf Seriosität. Bevor ich nicht den Rahmen kenne, in dem wir uns bewegen werden, kann ich keine Vorfestlegungen treffen. Da bleibt bei mir ein Störgefühl. Sorry! Deswegen werden wir dem Antrag grundsätzlich vom Verfahren her nicht zustimmen können und uns enthalten, auch wenn er viel Richtiges enthält.

Für unsere Enthaltung gibt es noch einen zweiten Grund. Der Antrag enthält mir zu viel Vermischung von Vorfestlegungen in Bezug auf das, was alles aus dem Haushalt finanziert werden muss, und das, was wir in das 25-Milliarden-Euro-Paket gepackt haben, um zweckgebunden über ein Sondervermögen, das ja anderen Kriterien unterliegt als die Haushaltsbewirtschaftung, Pandemiefolgen abzufedern. Das vermischt sich alles. Es wird gar nicht erkennbar, was jetzt der Haushalt leisten soll und was aus dem Sondervermögen kommen soll.

Für das Sondervermögen haben wir ja ein klares Verfahren. Wir haben festgelegt, dass wir diese Dinge im HFA abarbeiten. Dafür brauchen wir jetzt keine Vorfestlegungen. Das können wir im nächsten Haushalts- und Finanzausschuss diskutieren, wenn

es Vorschläge gibt. Auch aus unserer Sicht existieren jede Menge Vorschläge, was wir daraus finanzieren können, weil dort Defizite bestehen.

Mein Fazit ist: Der Antrag enthält viele richtige Forderungen. Zu diesem Zeitpunkt möchte ich aber erst einmal auf die Steuerschätzung warten und dann schauen, was uns der Finanzminister vorlegt.

An dieser Stelle besteht allerdings, liebe Kollegen Moritz und Witzel, ein ganz krasser Widerspruch zu euch. Wenn das Verfahren wegen der SeptemberSteuerschätzung verspätet stattfindet – was ich einsehe; das geht nicht anders – und wir erst im Oktober die erste Lesung durchführen, werden wir ein verkürztes Haushaltsverfahren haben. Aber dieser Haushalt wird sehr wichtig sein. Wir brauchen ein gründliches und substanziiertes Verfahren. Wir dürfen nicht im Hopplahopp durchgaloppieren, sondern müssen eine fachliche Beratung sicherstellen.

Auch was die Fristen angeht, brauchen wir ein gründliches Verfahren. Es gibt ja auch die schönen Überlegungen – wir haben ja noch immer kein Verfahren festgelegt –, dann beispielsweise zweite und dritte Lesung zusammenlegen. Diese Möglichkeit sehe ich nicht.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP])