Protocol of the Session on August 26, 2020

das Reisen ohne Zoll- und Grenzkontrollen und das Leben und Arbeiten dort, wo man Arbeit findet oder finden will. Diese Freiheit ist nicht selbstverständlich, diese Freiheit musste hart erkämpft und sie muss heute verteidigt werden.

Die Coronakrise zeigt deutlich, wie brüchig diese Freiheit sein kann. Während der Verkehr von Waren und Dienstleistungen noch möglich war, haben wir erlebt, wie die Freizügigkeit von Personen massiv eingeschränkt wurde. Uns allen war und ist aber bewusst, dass dies nur für diese Ausnahmesituation gelten kann.

Wir haben auch erlebt, dass unsere Wirtschaft, zumindest einige Branchen, auf Beschäftigte aus anderen EU-Mitgliedstaaten angewiesen ist. Ohne Migration, europäisch und außereuropäisch, würden wir einen Wohlstandsverlust erleiden und erleben. Diesen Mut zur Wahrheit haben die Antragsteller leider nicht.

(Beifall von der FDP)

Herr Präsident, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, für uns Liberale gehören zur Freiheit auch immer Verantwortung und ein gewisser Ordnungsrahmen, der für ein faires Miteinander sorgt.

Wer diese Verantwortung von sich weist, wer den Ordnungsrahmen verlässt, der muss mit einer Einschränkung seiner Freiheiten rechnen. Dies gilt für uns für jede Art von Missbrauch und Betrug, nicht nur für diejenigen, die unser Sozialsystem ausnutzen, sondern auch für diejenigen, die zum Beispiel das komplizierte Mehrwertsteuerrecht in der EU ausnutzen und sich Steuern erstatten lassen, ohne selbst jemals Umsatzsteuer gezahlt zu haben. Kriminelle, die den Staat und damit letztlich die Bürgerinnen und Bürger um Steuergeld erleichtern, müssen Konsequenzen spüren.

In dieser Hinsicht handelt unsere Landesregierung ebenso wie beim Vorgehen gegen die Clankriminalität und bei der systematischen Bekämpfung des organisierten Missbrauchs von Sozialleistungen. Dabei sind wir so konsequent wie keine andere Regierung zuvor.

So haben wir ein Konzept erarbeitet, nach dem Polizei, kommunale Behörden und Familienkassen bei der Identifizierung von missbräuchlichem Bezug von Kindergeld zusammenarbeiten. Dafür bin ich unserer Landesregierung und unserem Innenminister sehr dankbar.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die Antragsteller zeichnen jedoch lieber das Bild vom grundsätzlich betrügerischen Ausländer, der nur der Sozialleistungen wegen nach Deutschland kommt, der, wenn er arbeitslos wird, schnellstmöglich verschwinden soll, der aber gut genug dafür ist, dass die alternativen Kolleginnen und Kollegen morgens ihre Wurst auf dem Brot haben.

(Andreas Keith [AfD]: Ich esse keine Wurst!)

Herr Präsident, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wir müssen aber nicht nur die Kriminalität bekämpfen, sondern uns auch um die Probleme bei der Integration kümmern. Dazu werden die besonders betroffenen Kommunen vom Integrationsministerium mit unserem Integrationsminister Dr. Joachim Stamp an der Spitze mit 5 Millionen Euro im Jahr gezielt im Hinblick auf Menschen aus Südosteuropa unterstützt. Zudem werden Informationsveranstaltungen, etwa zur Bekämpfung von prekären Wohnverhältnissen und Antidiskriminierung und zur EUFreizügigkeit, angeboten.

Wir müssen einerseits Kriminellen das Handwerk legen und andererseits den Menschen bei der Integration helfen, die auch künftig bei uns arbeiten und leben werden. Für ausländerrechtliche Fragen haben wir eine gut arbeitende Ausländerbehörde. Mehr ist dem nicht hinzuzufügen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Danke schön, Herr Lenzen. – Frau Aymaz spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Was beabsichtigt eigentlich der vorliegende Antrag der AfD? Meine Vorrednerinnen und mein Vorredner haben es dargelegt. Hier sind zusammenhangslos Fakten aufgeführt. Man möchte ein künstliches Bild von Sozialbetrügern erstellen, die hier insbesondere aus Bulgarien und aus Rumänien einreisen. Herr Beckamp hat es noch mal ganz offen dargelegt. Es geht hier auch um offenen Antiziganismus. Ich finde es verdammt unverschämt, dass Sie das hier so offen ausgesprochen haben.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Dass es auch bei diesem Antrag gar nicht um den Missbrauch von Sozialleistungen geht, ergibt sich aus dem vorliegenden Antrag; denn darin wird ausgeführt, dass sowohl auf europäischer Ebene als auch auf nationaler Ebene Schutzmechanismen eingebaut worden sind, um gerade einen Missbrauch von Sozialleistungen zu verhindern.

Der Antrag will also eigentlich ins Mark der europäischen Freizügigkeit treffen und fordert daher auch die Überarbeitung der Verwaltungsvorschrift zum Freizügigkeitsgesetz. Das heißt, eine der wichtigsten Errungenschaften der europäischen Integration soll infrage gestellt werden.

(Christian Loose [AfD]: Nein, sie soll umge- setzt werden, Frau Aymaz!)

Sie wollen hier Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erster und zweiter Klasse.

Das lässt die europäische Freizügigkeit einfach nicht zu. Das widerspricht dem Charakter der europäischen Integration. Deshalb steht das nicht zur Diskussion und darf auch nicht zur Diskussion stehen.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vor dem Hintergrund, dass es die AfD war, die noch im April hier gestanden und nach Hilfe gerufen hat und Erntehelferinnen und Erntehelfer aus Bulgarien hier haben wollte, um den deutschen Spargel zu „retten“,

(Christian Loose [AfD]: Sie verstehen den Un- terschied zwischen Arbeiten und Sozialbetrug nicht, Frau Aymaz!)

verdeutlicht sich noch mal Ihre Doppelmoral, Ihre Kurzsichtigkeit, Ihr Populismus und Ihr Verständnis von Solidarität: Wenn wir sie brauchen, dann sollen sie kommen; wenn wir sie nicht brauchen, dann halten wir sie fern. – So geht das nicht. Bulgarien und Rumänien sind nicht Ihre Kolonien, meine Herren und meine Damen.

(Zuruf von Christian Loose [AfD])

Mit diesen Ländern und mit diesen Menschen können Sie nicht so umgehen, wie Sie sich das wünschen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Übrigens haben Sie noch im April von den Geflüchteten gesprochen, die angeblich in unser Sozialsystem einwandern wollten. Da haben Sie gegen Geflüchtete gehetzt. Jetzt, wo die Erntesaison nicht mehr so auf der Tagesordnung steht und Sie die Erntehelferinnen nicht mehr brauchen, sprechen Sie plötzlich von einer Einwanderung aus Bulgarien in unser Sozialsystem. Das ist das typische Bild, dass Sie hier immer wieder zu zeichnen versuchen. Aber ich sage Ihnen, die Menschen draußen glauben Ihnen das gar nicht mehr. Mehr als 90 % der deutschen Bevölkerung stehen zu der europäischen Freizügigkeit, und das ist auch gut so.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der CDU, der SPD und der FDP)

Vielen Dank, Frau Aymaz. – Jetzt spricht Herr Minister Dr. Stamp für die Landesregierung.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die schon bestehenden Kontroll- und Sanktionsmechanismen des Freizügigkeitsgesetzes sind grundsätzlich bereits

ausreichend. Eine Verschärfung auf nationaler Ebene wäre vor dem Hintergrund der geltenden Freizügigkeitsrichtlinie und der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH nicht angezeigt.

Wenn überhaupt, dann sind nicht die Kontroll- und Sanktionsmechanismen im Zusammenhang mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu hinterfragen, sondern der Begriff des Arbeitnehmers. Es handelt sich hier aber um einen europarechtlich zu bestimmenden Begriff. Allein deswegen läuft der Antrag auf Änderung nationaler Gesetze komplett ins Leere. – Danke schön.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Stamp. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/10645 an den Integrationsausschuss – federführend –, an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales, an den Ausschuss für Europa und Internationales sowie an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen. Die abschließende Beratung und Abstimmung sollen im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung stattfinden. Wer stimmt dem zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Nein. Enthaltungen? – Sehen wir auch nicht. Damit ist einstimmig so überwiesen.

Ich rufe auf:

17 Siebtes Gesetz zur Änderung des Gesetzes

zur Ausführung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch für das Land Nordrhein-Westfalen

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 17/9300

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales Drucksache 17/9924

zweite Lesung

Die Aussprache ist eröffnet. Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Kollege Preuß das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf ist gegenüber dem Gesetzentwurf, der in der ersten Lesung vorgelegen hat, nicht verändert. Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales hat in seiner Sitzung am 17.06.2020 die vorliegende Drucksache,

den Gesetzentwurf der Landesregierung, einstimmig zur Annahme empfohlen.

Es geht um die Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung für anerkannte Asyl- und Schutzberechtigte. Darauf haben sich Bund und Länder verständigt – zuletzt im Jahr 2019 für die Jahre 2020 und 2021. Es kommt jetzt darauf an, dass diese Regelung in Landesrecht umgesetzt wird. Wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Danke schön, Herr Preuß. – Herr Yüskel hat nun für die SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf liegt in der zweiten Lesung unverändert vor. Ich verweise auf meine Rede in der ersten Lesung. Auch daran hat sich nichts geändert. Wir stimmen dem Gesetzentwurf in der zweiten Lesung zu. – Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.