Protocol of the Session on August 26, 2020

Nordrhein-Westfalen ist schon immer ein Zuwanderungsland gewesen. Als Rheinländerin weiß ich ganz genau, wovon ich spreche. In meiner Heimatstadt Troisdorf wurde Anfang der 70er-Jahre das erste Ausländer-Parlament ins Leben gerufen.

Unser aller Aufgabe ist es, die Menschen, die zu uns kommen, bestmöglich zu integrieren. Dabei spielt die Integration in den Arbeitsmarkt eine wichtige Rolle. Eine schnelle Integration von qualifizierten Zuwanderern ist besonders wichtig. Im Arbeitsalltag erhalten die Menschen einen ganz anderen Zugang zur Sprache, zur Kultur, zu den Sitten und Bräuchen in unserem Land.

Verehrte Damen und Herren, die Integration in unsere Gesellschaft gelingt nicht, wenn Arbeitslosigkeit das Leben der Betroffenen und ihrer Familien bestimmt. Daher muss es unser gemeinsames Ziel sein, unsere Wirtschaft die benötigten Arbeitskräfte zur Verfügung zu stellen, die sie braucht, um auch in Zukunft im Wettbewerb bestehen zu können. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Danke schön, Frau Gebauer. – Es gibt eine Kurzintervention, die von der AfD-Fraktion angemeldet wurde, und es spricht Frau

Walger-Demolsky für die AfD-Fraktion. Sie haben 1 Minute 30 Sekunden. Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Frau Gebauer, ich nehme an, wir beide waren noch nicht dabei, als Ihre Fraktion in der letzten Legislatur einen ziemlich ähnlichen Antrag gestellt hat. Denn auch Ihre älteren Kollegen haben die gleichen Probleme wie wir gesehen. Der Antrag hieß „Freizügigkeit klug gestalten: Schlepperbanden und Missbrauch bekämpfen“. Lesen Sie es einfach einmal nach. Viele Vorschläge ähneln sich sehr, und Ihre Wortwahl ist keineswegs gemäßigter gewesen – ganz im Gegenteil.

Also, ganz so falsch können wir gar nicht liegen. Es sei denn, die älteren Kollegen in Ihrer Fraktion hatten damals völlig unrecht. Uns beide hat das jetzt überrascht – mich fünf Minuten eher als Sie. – Danke schön.

(Beifall von der AfD)

Frau Gebauer, Sie haben 1 Minute 30 Sekunden zur Reaktion. Bitte.

Ich finde, wenn wir eine solche Diskussion führen, können wir nicht über einzelnen Personengruppen wie Bulgaren oder Rumänen sprechen. Wir müssen schauen, dass wir es schaffen, hier eine Integration zu ermöglichen, eine Integration zuzulassen. Ich glaube, im Sinne eines vereinten Europas sollten wir uns gegenseitig unterstützen und zusammenstehen. Hier steht das starke Europa im Hintergrund, und das dürfen wir nicht vergessen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Gebauer. – Nun hat für die SPD-Fraktion Frau Lux das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ob Frühling, Sommer, Herbst oder Winter, ob eine Pandemie die Welt heimsucht oder ob die Linde rauscht – zu jedem Plenum stellen Sie, die Destruktive für Deutschland, Anträge zu einem Thema: Ausländer und Migration.

Heute wendet sich die AfD einmal nicht geflüchteten Menschen zu, sondern nichtdeutschen EU-Bürgern, die – wie unverschämt! – ihr verbrieftes Recht wahrnehmen, auch in Deutschland zu arbeiten und dann auch hier zu leben.

(Markus Wagner [AfD]: Eben nicht! Sie haben es nicht verstanden!)

Infrage gestellt wird die europäische Arbeitnehmerfreizügigkeit – ich rede, Sie können später reden –, dieser Grundpfeiler des europäischen Projektes und des europäischen Arbeitsmarktes.

(Markus Wagner [AfD]: Sie haben es nicht be- griffen!)

Natürlich tun Sie dies nicht grundsätzlich. Nein, das tun Sie nicht. Aber es ist ein behaupteter Missbrauch dieser Freizügigkeit.

Laut Ihrem Antrag grassiert hier nämlich ein Missbrauch im Sinne einer systematischen Einwanderung in die Sozialsysteme, und dieser sei wiederum auf eine viel zu lasche Umsetzung der europäischen Richtlinie über die Freizügigkeit in deutsches Recht zurückzuführen. Dabei fordert die AfD dann den Landtag auf, der Landesregierung aufzutragen, wiederum der Bundesregierung aufzutragen, doch bitte den behaupteten Missbrauch der Freizügigkeit stärker zu unterbinden.

Nur leider beruht Ihr Vorwurf, das deutsche Gesetz würde einem Missbrauch der europäischen Freizügigkeit keinen Riegel vorschieben, auf einem falschen Zitat der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Freizügigkeitsgesetz/EU. Es heißt nämlich nicht, wie der Antrag als direktes Zitat behauptet – ich zitiere –:

„Von einer Glaubhaftmachung der Voraussetzungen des Freizügigkeitsrechts ist abzusehen. Eine Überprüfung der Angaben findet nicht statt.“

Stattdessen lautet der Abschnitt:

„Bei einem Unionsbürger ist grundsätzlich vom Bestehen der Freizügigkeitsvoraussetzungen

auszugehen, wenn er erklärt, dass eine der geforderten Ausübungsvoraussetzungen vorliegt und keine Zweifel an seiner Erklärung bestehen. In diesem Fall ist von der Vorlage entsprechender Dokumente zur Glaubhaftmachung der Voraussetzungen des Freizügigkeitsrechts abzusehen. Eine Überprüfung der Angaben findet nicht statt.“

Frau Kollegin gestatten Sie eine Zwischenfrage der AfD-Fraktion?

Och, nicht unbedingt. Wir haben noch so viel Zeit, um zu diskutieren.

Sie möchten also keine Zwischenfrage zulassen. Gut.

Das liest sich doch schon ganz anders, und das bedeutet auch etwas ganz anderes.

Nur wenn keine Zweifel daran bestehen, dass ein europäischer Bürger hier arbeiten möchte, wird von einer Überprüfung abgesehen, und das entspricht so auch ganz genau der EU-Richtlinie. Ein falsches und sinnentstellendes Zitat, meine Damen und Herren der AfD, beweist vielleicht die Durchsichtigkeit Ihrer Arbeitsweise; einen Regulierungsbedarf zeigt es hingegen nicht an.

Doch wie unterscheidet die AfD den Gebrauch vom Missbrauch der Arbeitnehmerfreizügigkeit? Ganz klar: im Erhalt von Sozialleistungen. In diesem Sinne muss eine höhere Arbeitslosigkeit unter EU-Bürgern in Deutschland für einen Beleg dieses behaupteten Missbrauchs herhalten. Das allerdings, meine Damen und Herren, widerspricht völlig der europäischen Arbeitnehmerfreizügigkeit.

Zu den Grundsätzen der Freizügigkeit gehört, dass sich arbeitssuchende EU-Bürger unabhängig von ihrem Bildungsstand und ihrer Qualifikation und unabhängig von ihrem Geldbeutel in einem anderen EU-Mitgliedsstaat zur Arbeitssuche aufhalten dürfen. Dieses Recht steht allen EU-Bürgern zu. Das ist schließlich auch der Sinn und Zweck der Freizügigkeit.

Und noch etwas anderes möchte ich einmal sachlich darstellen. Wenn, wie Sie sagten, etwa 11 % der EU-Bürger in Deutschland derzeit erwerbslos sind, dann heißt das doch vor allem eines: Fast 90 % von ihnen arbeiten und zahlen Steuern und Abgaben in Deutschland, finanzieren also den Sozialstaat mit.

Nun greift der Antrag auch tatsächlich bestehende, örtlich teilweise virulente Probleme auf. Da leben Menschen, die von kriminellen Elendsgewinnlern, darunter einige echte Deutsche, mit falschen Versprechungen hierhin gelockt werden, mit gefälschten Arbeitsangeboten, mit gezinkten Zukunftsperspektiven, menschenunwürdig in den elendsten Verhältnissen, hier mitten unter uns, eingepfercht in heruntergekommenen, überbelegten Mietshäusern. Jeder Hund erhält bei uns sogar per Gesetz eine bessere Behausung. Und von der ach so begehrten Sozialhilfe sehen diese Menschen oft auch nur eine müde Mark.

Dagegen vorzugehen, meine Damen und Herren, ist richtig, und zwar nicht mit den Organen des Ausländerrechts, sondern mit den Organen der Strafverfolgung, denn damit verfolgen wir die Täter und nicht die Opfer.

Höflichkeitshalber stimmen wir der Überweisung dieses Antrags in die Ausschüsse zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Danke schön, Frau Lux. Sie haben es schon gesehen: Es gibt eine

Kurzintervention, angemeldet von der AfD-Fraktion. Zu Wort meldet sich Herr Beckamp. Bitte schön.

Das ist sehr freundlich. Ich hatte gar nicht damit gerechnet. – Ich bin selten fassungslos, aber heute Abend bin ich zumindest sachte. Waren Sie einmal in der Dortmunder Nordstadt? Kennen Sie sich in Duisburg aus? Waren Sie einmal in Horn-Bad Meinberg? Wir sprechen hier über konkrete Fälle. Das denken wir uns doch nicht aus.

(Zuruf: Oh doch!)

Wenn Sie von der SPD sind, dann haben Sie vielleicht auch einmal mit Ihrem eigenen Bürgermeister in Duisburg gesprochen, der sich als einer der wenigen in der SPD traut, solche Dinge zu benennen. Sie sehen das nicht einmal, er benennt es sogar. Wir tun das für Sie. Wundern Sie sich doch nicht, wenn Ihnen die Leute weglaufen, weil Sie konkrete Probleme nicht mehr sehen wollen. Darum muss es doch gehen. Lösungen kann man gemeinsam besprechen, aber die Probleme müssen Sie sehen. Natürlich sind Sinti und Roma andere Personengruppen als zugewanderte Polen oder Norweger aus EU-Staaten. Das ist doch völlig klar. Was ist daran nicht zu erkennen?

(Beifall von der AfD)

Frau Lux, Sie haben 1 Minute 30 Sekunden Zeit für eine Reaktion. Bitte schön.

Sehr schön. – Herr Beckamp, ich weiß nicht, ob Sie mich nicht verstehen wollen. Ich möchte mich auch gewiss nicht von Ihnen belehren lassen. Wir von der SPD gehen gegen die Täter vor, nicht gegen die Opfer. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Tätern

(Roger Beckamp [AfD]: Weiter so! Weiter so, Genossin!)

einen wunderschönen guten Abend. – Danke.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Lux. – Nun spricht für die FDP-Fraktion Herr Kollege Lenzen.

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die europäische Integration ist eine Erfolgsgeschichte. Aus einst verfeindeten Staaten wurden Partner, Freunde und Verbündete. Die europäische Idee steht unverändert für die Sehnsucht nach Freiheit, Demokratie und Wohlstand. Die größten Errungenschaften sind der freie Verkehr von Waren, Dienstleistungen und Personen,

das Reisen ohne Zoll- und Grenzkontrollen und das Leben und Arbeiten dort, wo man Arbeit findet oder finden will. Diese Freiheit ist nicht selbstverständlich, diese Freiheit musste hart erkämpft und sie muss heute verteidigt werden.