Protocol of the Session on May 28, 2020

Bleiben wir beim Beispiel Gelsenkirchen: Die benachbarte Schalker Meile profitiert bei aktuellem Ausbaustand schon nicht mehr davon, geschweige denn die rund 3 km weit entfernte Zoom-Erlebniswelt, die dicht besiedelte Gelsenkirchener Mitte oder gar der von 5G.NRW geförderte Forschungsstandort, der bisher noch ohne 5G-Versorgung ist.

Ob die Definition „5G-Kommune“ gerechtfertigt ist, wenn irgendwo im Stadtgebiet ein einzelner Funkmast 5G-fähig ist, halte ich persönlich für weit hergeholt. Natürlich ist es erfreulich, dass NRW nach Ihrer Definition das Bundesland mit den meisten 5G-Kommunen ist. Aber was wäre die Alternative? Alleine die massiven Unterschiede bei der Zahl der Wohnbevölkerung in den Kommunen machen doch diese Ländervergleiche zu einem arg strapazierten Instrument.

Wir vermissen weiterhin eine grundsätzliche Planung eines flächendeckenden Ausbaus mit absehbaren, in der näheren Zukunft liegenden Ausbauschritten, die diesen Namen „flächendeckend“ auch verdienen.

Was haben Sie zum Beispiel konkret unternommen, um bei der Deutschen Telekom darauf hinzuwirken, endlich auch im Ruhrgebiet den 5G-Ausbau voran

zubringen und um für tatsächliche 5G-Kommunen im Sinne flächendeckender Versorgung zu sorgen? Wie erreichen wir das schnelle Netz an Hochschulstandorten und sehr zeitnah an den im Rahmen von 5G.NRW geförderten Projektstandorten? Und wie können wir dafür sorgen, dass beim Pendeln vom Ruhrgebiet ins Rheinland und umgekehrt nicht ein Zweitvertrag mit einem weiteren Anbieter herhalten muss, um 5G nutzen zu können?

Sie haben vorhin auf das Roaming verwiesen. Das kann eine Lösung sein, das kommt aber von der Bundesebene und nicht aus NRW.

Das ist es doch, was die Menschen erwarten. Es ist ein bisschen so, wie bei „Des Kaisers neuen Kleidern“, sicherlich das Märchen, das im politischen Bereich am meisten bemüht wird. Während alle anderen sehen, dass der Digitalminister völlig nackt dasteht, stellen Sie sich mit Ihrem Antrag hier hin und sagen: Stimmt nicht, er hat noch die Socken an. – Aber zumindest sind die nicht rot. Das gestehe ich Ihnen zu.

(Beifall von Regina Kopp-Herr [SPD] – Heiter- keit von Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie)

Wir stimmen der Überweisung in den Ausschuss natürlich zu – die Überraschung habe ich damit vorweggenommen – und freuen uns auf die Debatte, hoffnungsvoll, dass nach der Fleißarbeit Ihrer Fraktionsmitarbeiter, die uns das alles noch einmal sehr detailliert aufgeschrieben haben, auch vonseiten der Landesregierung diesmal die Dialog- und Umsetzungsoffensive Fahrt aufnimmt. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Watermeier. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Bolte-Richter.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Bei den vielen freundlichen Worten des Kollegen Braun war ich etwas versucht, unser Votum zu diesem Antrag zu ändern. Wir haben ja noch ein bisschen Zeit, uns darüber auseinanderzusetzen.

Als ich den Antrag gelesen habe, habe ich mich an die letzte Wahlperiode erinnert. Damals wurde von der CDU-Fraktion in jeder Plenarsitzung – bestimmt zwei Jahre lang – irgendein Breitbandantrag thematisiert: zwei Seiten immer der gleiche Text, dann ein Abschnitt relativ substanzloses Zeug, dann ein Beschlussvorschlag, wo dieses substanzlose Zeug noch mal kurz wiedergegeben wurde. Ich habe bei diesem Antrag das Gefühl gehabt, da war jemand in der CDU-Fraktion sehr lange im Urlaub, und der hat jetzt einfach weitergeschrieben.

So richtig viel steht hier nicht drin. Es ist die übliche Regierungs-PR. Es ist ganz schön, dass Sie das können, aber es bringt uns in der Debatte nicht weiter, denn mit dem, was hier auf dem Papier steht, wird nur das wiederholt, was schon längst hätte passiert sein sollen, weil sie es alles schon einmal beschlossen oder mit viel Brimborium beim Mobilfunkpakt geschrieben und mit vielen Leuten auf schönen Bildern verkündet haben. Aber so richtig weitergekommen sind wir ja nicht.

Man muss sich einmal realistisch angucken, was passiert ist. Es ist eben gesagt worden, bei LTE sei irre was dazugekommen. Ja, von den versprochenen Ausbauten aus dem Mobilfunkpakt 2018 sind inzwischen immerhin 42 % realisiert, beim Umbau sogar noch etwas mehr.

Aber wir wissen doch alle, die wir uns inzwischen mit der Materie ein bisschen beschäftigt haben oder beschäftigt haben sollten, dass die wirkliche Herausforderung am Ende und nicht auf den ersten Metern kommt, denn am Anfang ist ein Ausbau noch relativ gut zu machen, aber irgendwann wird es schwieriger. Je höher ich in der Ausbauzahl komme, desto komplizierter wird dieses Vorhaben.

Da sollte man mit etwas mehr Realismus und etwas weniger Superlativ an die Sache herangehen, als die Koalition das hier tut. Und ein bisschen mehr tun, wäre auch nicht verkehrt.

Es gibt genug Baustellen im System. Florian Braun hat eben die Förderungssummen angesprochen. Es ist inzwischen in der Fachwelt relativ breiter Konsens, dass es nicht mehr unbedingt nur darum geht, wie viel Geld ins System fließt, sondern es vorrangig ist, dass endlich Geld ankommt.

Heute kam wieder die Meldung, dass die Fördermittel aus dem Glasfaserprogramm des Bundes nicht richtig abgerufen werden, dass Kommunen inzwischen über 160 Millionen Fördermittel zurückgegeben haben, die ihnen eigentlich zugestanden hätten, weil sie die Bürokratie in diesem Förderdschungel als für sie zu kompliziert empfunden haben. Da haben Sie das Geld lieber zurückgegeben.

Das ist doch kein Zustand, um beim Ausbau der digitalen Infrastruktur voranzukommen. Eigentlich haben wir doch eine Koalition, die sich immer Bürokratieabbau, Wettbewerb und diese ganzen Stanzen auf die Fahnen schreibt. Machen Sie das doch einfach mal. Bauen Sie da die Bürokratie ab und sorgen Sie auch im Telekommunikationsmarkt für mehr Wettbewerb, denn es ist doch auch da erkennbar, dass wir da nicht vorankommen, weil die Telekom ihre marktbeherrschende Stellung immer wieder ausnutzt.

Nachdem wir es 25 Jahre lang mit schönen bunten freiwilligen Selbstverpflichtungen immer wieder probiert haben, müssen wir doch erkennen, dass dieses Vorgehen bisher nicht so richtig erfolgreich war. Ich

finde es gut, dass Sie sich, wie Sie schreiben, im Zuge der TKG-Novelle mit der Frage auseinandersetzen wollen, wie wir einen robusten Rahmen schaffen, in dem es mit dem Ausbau vorangeht.

Was aber steht tatsächlich in dem Antrag? Es steht dort wirklich, Sie wollten sich bei der TKG-Novelle für Maßnahmen einsetzen, die das Schließen von Funklöchern beschleunigen. – Krasses Ziel! Das Schließen von Funklöchern zu beschleunigen, finde ich nicht verkehrt, aber es hat etwas lange gedauert, wenn man dies jetzt als großes politisches Ziel der Koalition oder der Regierung ausgeben muss.

Solche Instrumente wie Roaming, Florian Braun, sind wunderbar – völlig in Ordnung –,

(Zuruf von Florian Braun [CDU])

aber das hätten wir schon vor zwei Jahren haben können, als wir nämlich beantragt haben, dass sich die Regierung dafür einsetzen soll. – Also auch da ein bisschen mehr Realismus, den ich schon eben angemahnt habe.

Das Gleiche gilt dafür, dass wir jetzt mal wieder einen Mobilfunkgipfel erleben werden. Dieser soll sich diesmal mit der Anschlussqualität im ländlichen Raum beschäftigen. – Ja, auch schön, aber da muss man sich schon fragen, was eigentlich bisher passiert ist.

Also, wir haben – das ist eben dankenswerterweise lobend erwähnt worden – aus der Opposition heraus schon ein paar konkrete Vorschläge gemacht, wie wir weiterkommen. Ich glaube, wir brauchen mehr Beteiligung und mehr Akzeptanz beim Ausbau. Wir brauchen einen konkreten Plan, wie wir weiterkommen.

Die Redezeit.

Wir brauchen auch einen robusten rechtlichen Rahmen.

Dieser Antrag ist, wie es offensichtlich manchmal regierungstragende Fraktionen machen müssen, nach dem Motto: Nützt nix, schad’t nix! Die Opposition muss dann darüber diskutieren. Machen wir das Beste draus!- Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Bolte-Richter. – Für die AfD-Fraktion hat erneut Herr Kollege Tritschler das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! CDU und FDP erfreuen uns wieder einmal mit einem gewohnt wortreichen und inhaltsarmen Antrag zum Thema „Digitalisierung“, genau genommen zum Thema „5G“

und, Herr Braun, auch ein bisschen 4G. Schöne Sätze wie – Zitat –

„Viele Menschen in unserem Land nutzen digitale Endgeräte und Services im Privaten wie auch Beruflichen.“

sollen uns wohl erhellen und von den Großtaten der Landesregierung künden.

Bei genauem Hinsehen fällt allerdings schnell auf, dass Sie hier im Wesentlichen nur einen Bericht der Landesregierung aus dem Digitalausschuss vom Frühjahr recyceln, vermutlich um irgendeine Statistik zu erfüllen. Dabei erzählen Sie uns ja immer, die bloße Fülle von Anträgen sei noch kein Maßstab für die Güte politischer Arbeit. Ich finde, diesen Antrag könnte man wirklich als Musterbeispiel dafür heranziehen.

Am 5G-Ausbau kann man das Versagen – damit meine ich nicht nur unsere Landesregierung, sondern alle Regierungen auf Bundes- und Landesebene der letzten Jahre – ziemlich gut ablesen.

Anstatt, wie wir das mehrfach angemahnt und auch beantragt haben, bei der Vergabe von Frequenzen auf hohe Ausbauziele Wert zu legen, hat man bei der Bundesnetzagentur die alten Fehler zum dritten Mal wiederholt und den Netzbetreibern möglichst viel Geld abgeknöpft. Das freut den Finanzminister, fehlt den Betreibern dann aber beim Ausbau ihrer Netze. Nein, das Geld fällt natürlich nicht vom Himmel, sondern wird am Ende vom Mobilfunkkunden bezahlt.

Sie haben also quasi eine Steuer auf Luft eingeführt, und die ist hier höher als irgendwo sonst auf der Welt.

Zum Vergleich: In Deutschland zahlten die Anbieter pro Bürger 78 Euro für die 5G-Lizenzen. In der Schweiz waren es 41 Euro. Österreichische Anbieter zahlten sogar nur 21 Euro pro Bürger.

Das bleibt natürlich nicht ohne Folgen. Schon bevor 5G richtig durchstartet, sind wir damit bereits im Hintertreffen. In puncto Ausbau und Geschwindigkeit – das zeigen erste Studien – ziehen Länder wie die Schweiz, Finnland und die USA an uns vorbei.

Derweil feiern sich CDU und FDP im Bundesland mit den meisten Städten und Einwohnern dafür, dass es hier besonders viele Kommunen mit 5G gibt. Herzlichen Glückwunsch dafür! So kann man sich die Welt natürlich auch schönrechnen. Den Bürgern, die schnelles Internet brauchen, hilft das freilich nicht.

Herr Kollege Watermeier, Sie haben das gerade schon kritisiert. Ich muss aber anmerken: Die SPD macht das in ihren Anträgen auch gerne einmal, wenn sie sich für ihre Regierungszeit feiert und sagt, NRW sei das Land mit den vielen Masten. Ja, NRW ist eben ein großes Land.

Auf den zweiten Aspekt bei 5G gehen Sie dann überhaupt nicht ein, außer mit dem Alibisatz – Zitat –:

„Risiken in puncto Cybersicherheit müssen im Rahmen des Netzausbaus vermieden werden.“ Das ist schön. Aber wie wollen Sie das vermeiden? Dazu schweigen Sie.

Wir mussten gerade im Zuge der Coronakrise feststellen, wie wichtig technologische Souveränität ist. Wir mussten auch leidvoll erfahren, wie wenig man sich auf China verlassen kann. Andere Länder haben längst den Einbau chinesischer Hardware in ihre Datennetze untersagt. Großbritannien und die USA zum Beispiel setzen auf westliche Hersteller wie Nokia und Ericsson.

Was machen hingegen CDU und FDP? – Sie feiern sich in ihrem Antrag noch dafür, dass chinesische Hersteller wie ZTE und Huawei in NRW eine Niederlassung unterhalten – freilich nichts herstellen, das passiert zu Hause. So liefern Sie aus Blauäugigkeit oder vielleicht auch aus Bequemlichkeit einem Land, das – vorsichtig ausgedrückt – nicht unser Freund ist, die Daten unserer Bürger, unserer Wirtschaft und unseres Staates auf dem Silbertablett.

Sie sind dafür verantwortlich, dass wir in ein paar Jahren vermutlich eben nicht mehr sind als eine digitale Kolonie, abgehängt und abhängig. So steht dieser Antrag sinnbildlich für die Digitalisierungspolitik der letzten Jahre – zaghaft, spät, fahrlässig und auch nachlässig. Dann versuchen Sie auch noch, den Bürgern diesen Bummelzug mit schönen Worten als Jet zu verkaufen.

Wir machen da nicht mit. Einer Überweisung des Antrags stimmen wir aber gerne zu.