Protocol of the Session on April 29, 2020

(Beifall von Jochen Ott [SPD])

die sich dann auch noch unwürdig vom Ministerpräsidenten per Talkshow beschimpfen lassen müssen.

(Beifall von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Aber damit wurde gleichwohl zugegeben, dass die Schulen eine nicht ausreichende Unterstützung und

Vorbereitung erhalten haben und bei der Umsetzung erst einmal auf sich gestellt waren.

Individueller Bildungserfolg und – eng damit verbunden – Bildungsgerechtigkeit leiden nicht nur in NRW massiv. Aber CDU und FDP verstärken die Effekte, und das ist längst nicht mehr fahrlässig, das passiert mit Vorsatz. Sie machen den Eltern etwas vor. Wenn Sie jetzt erzählen, Ihr Ziel sei es, alle Kinder noch vor den Ferien wieder in die Schulen zu holen, sind das doch Potemkinsche Schulen, von denen Sie sprechen, denn Sie blockieren in der Realität die weiterführenden Schulen durch die Prüfungsjahrgänge.

Die Räume, die Zeit, das Personal – alles wird durch Prüfung, Vorbereitung und Durchführung überproportional gebunden. Auf Gesamtschulen mit zwei Prüfungsjahrgängen trifft das noch mehr zu als auf andere Schulformen. Gesamtschulkinder haben also noch weniger Chancen als andere, ihre Schule vor den Ferien wieder besuchen zu dürfen.

Die Zahl der nicht im Präsenzunterricht einsetzbaren Lehrkräfte ist von Schule zu Schule höchst unterschiedlich. An den einen sind es 10 %, an anderen 50 %. Es muss vielfach auf fachfremden Unterricht zurückgegriffen werden. Schulen mit nicht besetzten Stellen sind gegebenenfalls mehrfach betroffen. – Und Sie erzählen, alles sei gleich in der Vorbereitung.

Es gibt Schulen, die eine gute Begleitung im Lernen auf Distanz bieten können. Vieles ist kurzfristig gelungen. Auch da sage ich: Danke für das Engagement und die enorme Kreativität. Aber auch hier gilt: Die Situation an den einzelnen Schulen ist höchst unterschiedlich und dementsprechend auch das, was bei den Schülerinnen angekommen ist.

Wir haben hier im Landtag engagiert über G8 debattiert. Im Fokus standen immer auch die psychische Belastung und die mentale Gesundheit von Schülerinnen und Schülern.

Die Frage von Bildung und Gesundheit schieben Sie jetzt auch zur Seite. Was macht das mit dem Lernen, dass das bisher so sicher Geglaubte gerade auch bei jüngeren Menschen erschüttert ist? Sie erleben die Existenznöte von Eltern, sorgen sich um Großeltern, vorerkrankte Eltern, Geschwister oder um ihre eigene Gesundheit. Sie zwingen sie in den Konflikt, sich zu entscheiden zwischen Prüfungsvorbereitung und Risiko für die Menschen, die ihnen nahestehen. Das belastet viele junge Menschen. Diese psychischen Belastungen blockieren Lernen und Wirken bis in Prüfungssituationen hinein.

Die von Ihnen verordneten Prüfungen sind in der jetzigen Situation nicht fair und nicht gerecht. Das gilt übrigens besonders für Schülerinnen aus dem Kreis Heinsberg.

Wir sollten diese Prüfungen jetzt aussetzen und im Gesetzentwurf die Vorkehrungen dafür treffen.

(Frank Rock [CDU]: Wie kann man ihnen das zumuten?)

Die Anerkennung der Abschlüsse ist nicht gefährdet. Ich verweise auf die Ausführungen des Staatssekretärs am 16.04. im Schulausschuss.

Welche Prüfungen noch zu absolvieren sind, ist von der KMK übrigens auch nicht festgeschrieben. Wir Grüne sprechen uns ausdrücklich für das Absolvieren der Vorabiturklausuren aus und für freiwillige Prüfungen für Schülerinnen, damit sie sich verbessern können, wenn sie das auch wollen. Das sogenannte Durchschnittsabitur ist möglich, ebenso der Verzicht auf die Prüfungen der 10. Klasse.

Wir wollen, dass möglichst viele Kinder, und zwar auch die mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf, die Schule besuchen dürfen. Sie brauchen die Beziehung zu Lehrkräften. Die wären froh, ihre Kinder wiederzusehen.

Die Redezeit.

Wir haben ausführliche Überlegungen dazu im Antrag vorgelegt. Wir brauchen jetzt Pädagogik, nicht Prüfung. Das wäre auch eine Chance, die Bildungspolitik wieder anders aufzustellen; nicht gegen den Widerstand der Betroffenen, sondern in dem gemeinsamen Entwickeln. – Danke schön.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Rock.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Frau Beer hört nicht auf, die immer wieder gleichen Phrasen in den Raum zu werfen. Sie werden nicht besser, wenn man sie häufiger sagt. Ich bedauere sehr, dass Sie nicht aufhören, Ängste zu schüren. Dort, wo Ängste bei den Menschen vorhanden sind, muss man sie beheben. Man muss mit ihnen sprechen, statt Öl ins Feuer zu gießen.

Ich freue mich besonders, Frau Beer, dass Sie es endlich einmal geschafft haben, den Menschen zu danken, die in den letzten Wochen all das möglich gemacht haben. Unsere Schulen haben wirklich einen guten Job gemacht. Unsere Schulleitungen, die Lehrerinnen und Lehrer, das sonstige pädagogische Personal, sozialpädagogische Fachkräfte, Schulsozialarbeiter und auch die kommunalen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sei es im Sekretariat oder in der Haustechnik – alle diese Personen haben das Lernen auf Distanz, Digitalunterricht, die Notbetreuung und die ersten kleinen Schritte zurück in den

Schulalltag ermöglicht. Auch von unserer Seite gilt Ihnen unser herzlicher Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir erleben zurzeit in unserer Gesellschaft eine einmalige Krise. Alle gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Bereiche sind betroffen, auch die Pädagogik und die Schulen. Ein kluger Vordenker Ihrer Partei, Herr Ott, nämlich der Altkanzler Helmut Schmidt, hat einmal folgenden Satz geäußert – ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin –: „In der Krise beweist sich der Charakter.“

Wenn man die jetzige Lage in NRW, in Deutschland, in Europa, auf der ganzen Welt mit über drei Millionen Infizierten weltweit sieht, sprechen wir von einer gewaltigen Krise, die wir auch in der Politik gemeinsam bewältigen müssen. Um im Bild von Helmut Schmidt zu bleiben: Hier zeigt sich, wer Verantwortung annimmt oder sich im Klein-Klein verliert oder durch ideologische Irrwege versucht, Verunsicherung zu schaffen, liebe Frau Beer.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, bei solch einer herausfordernden Lage, Situation oder auch Zeit habe ich eigentlich den Zusammenschluss der demokratischen Parteien hier im Landtag erwartet. Dies ist in weiten Teilen für das Pandemiegesetz im letzten Plenum gelungen, was wir durchaus begrüßt haben.

Aber die letzten zehn Tage haben auch gezeigt, dass beim Thema Schulpolitik der Zusammenhalt unter den Parteien hier in NRW nicht möglich scheint. Das bedauern wir als NRW-Koalition sehr, müssen dies aber zur Kenntnis nehmen – und dies in einer Krisenzeit, in der man mal über seinen eigenen Schatten springen müsste. Aber springen können die Kolleginnen und Kollegen der NRW-Grünen und der NRWSPD leider nicht wirklich, sondern, wenn überhaupt, nur vor die Mikrofone der Radio- oder Fernsehsender.

(Beifall von der CDU und der FDP – Arndt Klo- cke [GRÜNE]: Das scheint euch getroffen zu haben!)

Lieber Herr Ott, in den vergangenen Wochen haben Sie auch in zahlreichen Telefonkonferenzen im Rahmen der Obleute unsere Gemeinsamkeiten betont.

(Zuruf von Jochen Ott [SPD])

Ich bin zutiefst enttäuscht – daher sage ich das heute nochmals –, wie sehr Sie Parallelen Ihrer Öffentlichkeitsarbeit betreiben. In der gestrigen „Aktuellen Stunde“ des WDR behaupten Sie, wenn bei einer schrittweisen Wiedereröffnung der Schulen der Fokus zunächst auf den Prüfungsklassen liege, seien die Aussagen des Ministerpräsidenten, der eine verantwortungsvolle Rückkehr zur Normalität angekündigt hatte, ein Fake. Man habe entschieden, dass

dies bedeute, andere Klassenstufen würden dadurch erst später in die Schulen kommen.

Ich frage Sie nur, Herr Ott: Ist es nicht ein Fake, wenn Sie immer wieder dasselbe Märchen erzählen, dass NRW hier einen eigenen und damit einen anderen Weg gehen würde als alle anderen Bundesländer?

Unumstößlicher Fakt ist nämlich, dass alle 16 Bundesländer Prüflinge und Abschlussklassen prioisieren und sich NRW mit seiner Vorgehensweise auf dem gesicherten Boden der gemeinsamen Beschlüsse bewegt. Können Sie mir ein Bundesland nennen, egal von welcher Partei es regiert wird, das anders vorgeht? – Nein, das können Sie nicht. Das wissen Sie auch, aber das sagen Sie den Leuten auch nicht.

Die Schulgesetzänderungen sind Grundlage, entstanden aus dem Pandemiegesetz. Wichtig ist, noch einmal klarzustellen, dass dieser Gesetzentwurf eine einmalige Regelung für dieses Jahr darstellt und somit zeitlich begrenzt ist. Aus diesem Grund kann man ruhig von einem Ausnahmegesetz sprechen in der Hoffnung, dass dies das erste und einzige Gesetz für eine pandemische Krisenlage sein wird, jetzt und in Zukunft.

Das Gesetz ist von dem Geist getragen, dass durch die schulische Krisensituation den Schülerinnen und Schülern, aber auch den Lehrern in der Ausbildung kein Nachteil entstehen soll. Das kann man in vielen Bereichen – die Ministerin hat den einen oder anderen Bereich genannt – auch feststellen.

Ja, Krisenzeiten heißt, man muss einige Dinge annehmen, die nicht laufen, wie wir sie gewohnt ist. Krisenzeiten heißt auch, es bedarf größerer Anstrengung, um ein Ziel zu erreichen. Krisenzeiten heißt aber auch, dass Bildungsungerechtigkeiten verstärkt werden, weil Bindung auch einen emotionalen Faktor besitzt und nicht alle Familien in der Lage sind, unterstützend zu wirken.

Aus diesem Grund ist es richtig und wichtig, die Bildungswege der Abschlussklassen bestmöglich zu organisieren und zeitnah alle Klassen und somit alle Schülerinnen und Schüler wieder schrittweise unter Berücksichtigung aller Hygienestandards und Abstandswahrung einen Schulbesuch zu ermöglichen und nicht beide Gruppen gegeneinander auszuspielen.

Wir sorgen für Sicherheit. Bleiben Sie gesund! – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Rock. – Für die SPD-Landtagsfraktion spricht jetzt Herr Kollege Ott.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Meine zehnjährige Tochter hat gestern Abend mit Tränen in den Augen gesagt: Die können den Kindern doch nicht sagen, am 4. Mai geht es los, und dann geht es doch erst Donnerstag los. Die müssen den Kindern die Wahrheit sagen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, besser – finde ich – kann man das kommunikative Desaster der letzten Wochen nicht darstellen. Herr Laschet mit seiner Exit-Strategie wollte Normalität am Ostersonntag. Er wollte der Erste sein, endlich mal. Und er wollte unbedingt Kanzler werden. Was hat er gemacht? Er wollte sich als Gestalter darstellen, er hat sich aber dargestellt als ein Luftikus, der wie bei der Korrektur seiner Klausuren damals in der Krise eben nicht Halt und Orientierung gibt, sondern Chaos veranstaltet.

In dieser Krise – da bin ich ganz bei dem, was Kollege Rock gesagt hat – hat Helmut Schmidt recht: Da zeigt sich der Charakter. In dieser Zeit braucht man Anführer, und man braucht Menschen mit einem Plan. Was nicht passt, wird passend gemacht, passt hier nicht in dieser Krise, sondern es braucht Klarheit, Orientierung. Es braucht klare Vorgaben, und vor allen Dingen braucht es die Einbindung von Experten.

Zu den Experten gehören die Kommunen, Lehrerverbände, Elternverbände, Schülervertreter. Heute wird das erste Mal bei einer Frage mit denen gesprochen, um etwas vorzubereiten. Es ist schon erstaunlich, dass sich ein guter Anführer normalerweise enthalten sollte, auf diese Experten zu schimpfen und sie im Fernsehen noch vorzuführen.

Anstatt die Ministerin zu unterstützen, hat Herr Laschet, der den halben Tag ja nicht hier ist, vor allen Dingen eins gemacht, nämlich aus der Staatskanzlei ins Bildungsministerium hineinregiert. Alle Angebote der Opposition, gemeinsam über Szenarien zu sprechen und sie dann auch zu vertreten, wurden mit dem Hinweis auf die Verwirrung der Öffentlichkeit abgelehnt. Einbindung der Verbände fand wochenlang nicht statt.

Wir haben hier drei Jahre lang in allen Reden gehört: sieben Jahre rot-grüne Bildungspolitik. – Ich sage Ihnen eines: Sieben Wochen schwarz-gelbe Bildungspolitik reichen den Menschen in NordrheinWestfalen. Das wird ab sofort das Thema sein, über das wir reden.

(Beifall von der SPD)

Chaos, Verwirrung, Nacht-Mails, Aufgabenstellung über Nacht, Schulleiter werden verantwortlich gemacht, eigene Verantwortung wird weggedrückt, überforderte Bezirksregierung, überforderte Kommunen, kurz: eine Landesregierung ohne Führung und ohne Konzept, so überfordert, dass der Städte- und Gemeindebund die Bayerische Staatskanzlei um Unterstützung bittet, nämlich deren Hilfestellung an die