Gleichzeitig ist die Diskussion über Schritte in Richtung Normalität ganz wichtig – Normalität nicht im Sinne dessen, was wir bis zum Februar dieses Jahres kannten. Es wird sicherlich eine neue Art der Normalität sein. Aber diese Diskussion ist enorm wichtig. Sie ist wichtig für unsere Gesellschaft. Denn die einschränkenden Maßnahmen schaffen Probleme. Sie schaffen auch Leid – persönlich, sozial und auch wirtschaftlich. Diese Diskussion ist ebenfalls wichtig für die Akzeptanz der Maßnahmen bei den Menschen, damit eine Perspektive aufgezeigt werden kann.
Meine Damen und Herren, CDU, SPD, Grüne und FDP hatten beim ursprünglichen Gesetzentwurf Diskussionsbedarf. Das will ich jetzt nicht alles wiederholen und nur einige wenige Stichpunkte nennen.
Für uns Freie Demokraten war zum Beispiel wichtig, dass die Sonderrechte, die durch dieses Gesetz eingeräumt werden, automatisch auslaufen, dass also eine Mehrheit für die Verlängerung solcher Maßnahmen vorhanden sein muss und nicht eine Mehrheit für das Abschalten dieser Sonderrechte organisiert werden muss.
Uns war wichtig, dass Maßnahmen mit enteignender Wirkung unter Parlamentsvorbehalt gestellt werden und dass Privatpersonen ausgenommen werden, weil wir auch viele Rückmeldungen von Menschen, zum Beispiel mit chronischen Krankheiten, bekommen haben, die große Sorge hatten.
Uns war wichtig, dass es statt einer Dienstpflicht ein Freiwilligenregister gibt. Damit haben wir ein milderes Mittel gefunden, das – davon bin ich überzeugt – effektiv sein wird. Das wird ein großer Erfolg. Denn ich bin davon überzeugt, dass wir uns auf das Engagement des medizinischen Personals in diesem Land zu 100 % verlassen können. Diejenigen beweisen das auch seit vielen Wochen, meine Damen und Herren.
Ich darf auch betonen, dass ich stolz auf unsere Kollegin Susi Schneider bin, die im zivilen Leben, wenn ich das so sagen darf, Krankenschwester ist. Sie hat sich – wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen auch – lange, bevor es überhaupt Diskussionen über ein Freiwilligenregister gab, freiwillig beim Krankenhaus vor Ort gemeldet, um dort im Zweifelsfall bereitzustehen. Ihre Daten sind dort hinterlegt. Liebe Susi,
darüber können das Krankenhaus sowie potenzielle Patientinnen und Patienten froh sein. Vielen Dank – stellvertretend für alle anderen Berufskolleginnen und -kollegen!
Meine Damen und Herren, die Gespräche zu den Veränderungen waren politisch nicht immer einfach. Darum möchte ich den Fraktionen von CDU, SPD und Grünen noch einmal herzlich für die konstruktive Zusammenarbeit danken.
Ich will aber auch darauf hinweisen, dass solche Veränderungen handwerklich nicht immer einfach sind. Nicht ohne Grund nehmen wir uns sonst mehr Zeit für die Beratung von Gesetzen. Da gebührt ein großer Dank den beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unserer Fraktionen und der Landtagsverwaltung. Ohne sie wäre das so nicht möglich gewesen.
Meine Damen und Herren, abschließend will ich noch kurz etwas zur Notwendigkeit einer dritten Lesung und zur Kurzfristigkeit des Änderungsantrags sagen. Hier möchte ich auf einige Aspekte hinweisen.
Drittens: zeitlich. In der vergangenen Woche wurde ab 9 Uhr in den mitberatenden Ausschüssen über die entsprechenden, die Ausschüsse betreffenden Änderungen informiert.
Ich darf, Herr Wagner, auch in Ihre Richtung sagen: Erinnern Sie sich bitte einmal an den 1. April 2020, als Sie selbst am Tag der Beratung einen umfangreichen Änderungsantrag zu Ihrem eigenen Coronaantrag eingereicht haben. Auch Sie scheinen sich mit kurzfristigen Änderungsanträgen und der Frage …
Worum geht es hier also in Wahrheit? Es geht schlicht und ergreifend um gekränkte Eitelkeit. Sie wären gerne dabei gewesen. Wegen gekränkter Eitelkeit gibt es jetzt spätere Rechtssicherheit.
Wegen gekränkter Eitelkeit kommen wir heute zu einer Sondersitzung zusammen. Ich kann persönlich und für die Kolleginnen und Kollegen sagen, dass ich das mit großer Gelassenheit sehe. Das ist unsere Aufgabe. Aber ohne Zweifel stellt die Sondersitzung
ein erhöhtes Risiko dar. Diesem Risiko setzen Sie, die AfD, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fraktionen und der Verwaltung nun aus.
Insofern kann ich nur noch einmal sagen: Sie können eine dritte Lesung beantragen. Ob das ein Gebrauch der Geschäftsordnung oder ein Missbrauch ist, mag jeder für sich selber bewerten. Aber weder werden Sie uns mit solchen Aktionen dazu erpressen, mit Ihnen zusammenzuarbeiten und damit Ihre Politik und Ihre Positionen zu verharmlosen,
Unsere staatlichen Institutionen sind handlungsfähig. Das beweisen wir mit diesem Gesetz. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun der Abgeordnete Mostofizadeh das Wort.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn der Rede möchte ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen des Parlaments herzlich dafür bedanken, dass es diese Änderungen gegeben hat und wir zur zweiten Lesung als Fraktionen einen umfangreichen Änderungsantrag vorlegen konnten. In diesem Zusammenhang möchte ich mich auch ausdrücklich dem Dank an die Verwaltung anschließen.
Dieser Dank gilt insbesondere vor dem Hintergrund – liebe Kolleginnen und Kollegen, das möchte ich schon noch sagen –, dass die Landesregierung erst einmal einen Gesetzentwurf vorgelegt hatte, der Beschlagnahmungen, Zwangsverpflichtungen und diverse andere Dinge vorsah. Das halten wir ausdrücklich für falsch.
Dieses Parlament hat die Zwangsverpflichtungen in Art. 1 § 15 – das ist mittlerweile Teil der Beschlussempfehlung – rückgängig gemacht und durch ein Freiwilligenregister ausgetauscht. Es hat freiwillige Maßnahmen vorgesehen – und auch einen Aufgabenkatalog an die Landesregierung. Dieser ist nämlich damit verbunden. Das ist ein großer Erfolg dieses Parlaments. Dafür bedanke ich mich ganz herzlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Herr Ministerpräsident, ich möchte das mit zwei Punkten verbinden, die heute, morgen und in den nächsten Tagen sehr intensiv diskutiert werden.
Wir reden immer über die Exitstrategie. Ich kann keine Exitstrategie erkennen. Denn es kann keine Exitstrategie geben. Wir werden über eine Umgangsstrategie diskutieren müssen. Natürlich können wir einen Ausweg aus einzelnen Maßnahmen besprechen. Klar ist aber: Solange kein Impfstoff da ist und solange es keine gute und verträgliche Behandlungsmethodik gibt, die auch in schweren Fällen hilft, werden wir immer über den Umgang mit dieser Pandemie sprechen müssen. So lange werden wir auch immer Abwägungsmaßnahmen treffen müssen, Herr Ministerpräsident. Deswegen finde ich es gut, dass darüber nachgedacht wird.
Beide Papiere, sowohl das Papier der Leopoldina als auch das Papier des Expertenrats der Landesregierung, enthalten sehr viele kluge Beschreibungen. An ganz entscheidenden Punkten fehlen aber die Voraussetzungen. Ich greife nur einen ganz entscheidenden einzelnen Punkt heraus, nämlich die Schutzmasken.
Die Größenordnung, in der Schutzmasken derzeit weltweit produziert werden, würde ausreichen, um Nordrhein-Westfalen zu versorgen. Das ist die Dimension, über die wir im Moment sprechen. Und wenn das so ist, können wir manche sogenannte Exitstrategien schlichtweg so nicht durchführen oder müssen uns einen Plan B überlegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, insofern verbinde ich mit der Debatte heute und dem Auftrag in den nächsten Tagen Doppelstrategien oder Dreifachstrategien. Diese müssen vorbereitet werden. Sie müssen ausgerechnet werden. Man kann nicht so tun, als sei dieser Sachverhalt, dass wir ein so knappes Gut an Schutzmasken haben, nicht Realität.
Ich will damit keine Angst machen – ganz im Gegenteil. Ich laufe draußen herum und sage: Dass wir die Leute wegsperren, kann so nicht weitergehen. – Als Grüne werden wir auch definitiv nicht mitmachen – das will ich ganz deutlich sagen –, dass vulnerable Gruppen eingesperrt werden, also zu Hause bleiben müssen und nicht vor die Tür gehen dürfen, weil sich die anderen nicht solidarisch zeigen. Das wird mit uns nicht zu machen sein.
Umso mehr – das ist meine Bitte – müssen wir uns darüber unterhalten, wie der Schutz für diejenigen, die es besonders nötig haben, organisiert werden kann, wie der Schulbetrieb organisiert werden kann und wie andere Betriebe organisiert werden können. Das muss auch ausgerechnet werden. Daran müssen sich Wissenschaftler setzen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, gestatten Sie mir noch einen Hinweis in Richtung der SPD. In der Debatte am 11. März 2020, Kollege Neumann, ging es nicht darum, dass wir das relativieren wollten – ganz im Gegenteil. Wir wollten auch von der SPD nicht nur Fragen, sondern Antworten haben. Sie hatten aber
Schlicht falsch ist auch das, was jetzt in Essen passiert, Kollege Kutschaty – dass ausgerechnet in dieser Situation Haushaltssperren vor Ort erlassen werden, obwohl wir mehr brauchen: mehr Aktionen, mehr staatliche Hilfe, mehr Hilfen und auch mehr wissenschaftlichen Beistand.
Eine letzte Bemerkung zur Frage der dritten Lesung: Ich habe mir die Änderungsanträge der AfD angeschaut. Darin ist wenig Neues gegenüber dem, was zur zweiten Lesung vorlag, zu finden. Deswegen hätten wir uns die dritte Lesung wahrscheinlich sparen können.
Aber einen Punkt möchte ich hier nach vorne bringen, weil er mir sehr wichtig ist. Ich habe gerade das Thema „Kommunen“ angesprochen. Frau Ministerin, wir brauchen noch in diesem Monat ein umfassendes Paket zur Konzeption, wie es einen Rettungsschirm für die Kommunen geben kann, wie haushaltsrechtliche Erleichterungen erfolgen können und wie sichergestellt werden kann, dass diejenigen, die vor Ort aktiv sein müssen, nämlich die Städte und Gemeinden, handeln können. Das ist meine Bitte, die ich mit dieser Lesung verbinden möchte.
Wir werden der Beschlussempfehlung zur zweiten Lesung zustimmen. Die Anträge der AfD werden wir ablehnen. Deswegen bitte ich um Beschlussfassung. – Vielen Dank.