Protocol of the Session on February 13, 2020

Sie haben schon ein Problem mit Art. 1 Grundgesetz, der Würde des Menschen. Bei ihnen haben die Menschen in diesem Land keine Würde.

(Beifall von der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Ja, die FDP hat einen riesigen Fehler gemacht. Keiner ist fehlerfrei, aber das war ein gewaltiger Fehler. Man darf sich niemals von Extremisten, man darf sich niemals von einer AfD wählen lassen, in welches Amt auch immer, in welche Position auch immer. Wenn mal ein „Unfall“ passiert,

(Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

darf man natürlich so eine Wahl nicht annehmen. Das steht definitiv fest.

(Beifall von der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Dieser Fehler wurde innerhalb von 24 Stunden korrigiert, so gut man ihn korrigieren konnte. Man kann ihn nicht vergessen machen, man kann ihn auch nicht rückgängig machen, sondern man konnte korrigieren, was geht.

(Helmut Seifen [AfD]: Beschämend ist das!)

Ich bin unserem Bundesvorsitzenden Christian Lindner dankbar, dass er den Weg nach Erfurt gegangen ist, um das Bestmögliche zu organisieren.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

Das hat er getan in Absprache mit dem FDPLandesverband Nordrhein-Westfalen, um auch hier dieses Märchen sofort zu beerdigen,

(Helmut Seifen [AfD]: Canossa!)

da wäre irgendwo ein Spalt zwischen Christian Lindner und der nordrhein-westfälischen FDP. Diesen Spalt gibt es definitiv nicht.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zuruf von Helmut Seifen [AfD])

Herr Wagner besaß eben in seiner Rede die Frechheit, von demokratischer Kultur zu sprechen – als ob die AfD für demokratische Kultur in Deutschland stehen würde, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen. Die AfD macht genau das Gegenteil.

(Beifall von der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Sie verachten die politische Kultur in Deutschland, mit der wir seit 70 Jahren erfolgreich leben. Sie verachten Institutionen in Deutschland, mit denen wir unser Land organisieren. Sie treten unseren Staat, unser Deutschland und unsere Demokratie mit Füßen. So etwas darf nicht sein. Das dürfen wir uns ebenfalls nicht gefallen lassen.

In Thüringen ist das mehr denn je deutlich geworden. Ihre taktische Spielerei mit der Demokratie, mit dem Staat, mit dem Amt des Ministerpräsidenten hat nur ein Ziel: unseren Staat zu destabilisieren. So ist es in den 30er-Jahren passiert, und genau so – genau so; man könnte das gleiche Buch noch einmal schreiben – versuchen Sie es heute wieder.

Jetzt besteht natürlich die politische Möglichkeit, in einem solchen Fall, bei einem solchen Fehler, die FDP – politisch motiviert – nach rechts rücken zu wollen. Diese Möglichkeit, das zu tun, liegt ja förmlich auf dem Tisch. Ich sage Ihnen allen ganz deutlich: Diese

nordrhein-westfälische FDP mit 28 stolzen Abgeordneten ist nicht rechts. Wir werden trotzdem teilweise als Nazis beschimpft. Das hat uns übrigens vor Thüringen niemand vorgeworfen, weil es auch völliger Unsinn ist,

(Zurufe von der AfD)

uns in dieser Art und Weise zu beschimpfen.

Ich bin Herrn Kutschaty dankbar dafür, dass er sich in seiner Rede hinter uns gestellt hat, wenn bei uns Geschäftsstellen beschmiert oder Personen bespuckt werden. Das sind natürlich Extremisten, die so etwas tun. Denn so handeln nur Extremisten. Ob sie von rechts oder von links kommen, spielt überhaupt keine Rolle. Das ist extrem.

Wir sollten – SPD, Bündnis 90/Die Grünen, CDU und FDP – einen Schulterschluss wagen, um unser Deutschland, auf das wir stolz sind, zu verteidigen gegen Extremismus von rechts, gerade von der AfD, aber auch gegen Extremismus von links. Bodo Löttgen hat es zu Recht gesagt.

(Beifall von der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Die Freien Demokraten haben sich in Deutschland immer für Demokratie eingesetzt. Wir waren maßgeblich an der Bildung des Grundgesetzes beteiligt. Theodor Heuss hat als erster Bundespräsident überparteilich gewirkt und wurde dafür ausgezeichnet. Wir haben mit Walter Scheel einen Außenminister gehabt, der gemeinsam mit Willy Brandt die Ostpolitik erneuert hat. Das war ein wichtiger Schritt für die Entwicklung von Deutschland. Und Hans-Dietrich Genscher hat gemeinsam mit Helmut Kohl gezeigt, wie wichtig es ist, sich gemeinsam für ein weltoffenes Europa einzusetzen.

Diese liberale Partei ist stolz auf unser Land. Sie ist stolz auf die Arbeit der FDP, stolz auf Genscher, Scheel, Heuss und viele andere. Wir lassen uns von niemandem nachsagen, wir ständen rechts. Wir stehen in der Mitte, genauso wie CDU, Grüne und SPD auch. – Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall von der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich der Abgeordneten Frau Düker das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Worum geht es meiner Fraktion und mir heute in dieser Debatte? Es geht uns Grünen angesichts der Ereignisse in Thüringen heute nicht um parteipolitische Geländegewinne. Nach dem Schock über den

Tabubruch in Thüringen müssen wir vielmehr zu einem breit getragenen Konsens darüber kommen, wie wir den Angriffen von rechts auf unsere Demokratie eine klare und vor allen Dingen auch gemeinsame Haltung entgegensetzen können.

Es war daher gut, Herr Ministerpräsident Laschet und Herr Minister Stamp, dass Sie sehr frühzeitig und sehr deutlich klargemacht haben, dass die Wahl eines Ministerpräsidenten durch Stimmen von Faschisten inakzeptabel ist.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Es war aber leider auch notwendig, um Druck für den notwendigen Rücktritt zu erzeugen und um noch einmal festzuhalten, dass nur, weil die AfD demokratisch gewählt wurde, sie noch lange nicht demokratisch ist – im Gegenteil.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Ihre Demokratiefeindlichkeit zeigt sich in vielen Formen. Die AfD missachtet und verachtet die Regeln des demokratischen Miteinanders. Nein, politische Gegner jagt oder vertreibt man nicht. Man diffamiert sie auch nicht. Wer wie Herr Gauland erklärt, unser System als bestehendes Parteiensystem abschaffen zu wollen, stellt sich gegen unsere demokratische Ordnung.

Die AfD missachtet die universellen Menschenrechte, wenn sie Menschen anderer ethnischer Zugehörigkeit abwertet, Feindbilder konstruiert und Minderheiten zu Sündenböcken macht. Eine Ideologie der Ungleichwertigkeit von Menschen stellt unseren humanistischen Wertekanon grundsätzlich infrage und ist daher für uns inakzeptabel.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Die AfD greift immer wieder die Presse- und Meinungsfreiheit an. Wer als Reaktion auf Kritik „Lügenpresse“ skandiert oder Andersdenkenden und Journalistinnen und Journalisten offen droht, stellt sich außerhalb eines demokratischen Diskurses.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Die AfD stellt in ihrem Programm die Freiheit von Kunst, Kultur und Wissenschaft infrage. Wer vorschreiben will, was in Theatern gespielt, in Kunstausstellungen gezeigt oder in der Wissenschaft gelehrt werden soll, stellt sich damit gegen die Grundsätze unserer Verfassung.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Genau darum, weil die AfD Verfassungsgrundsätze immer wieder offen missachtet, ist sie eine antidemokratische Partei.

Genau darum können wir auf Grundlage unserer demokratischen Werte mit dieser Partei in keiner Weise kooperieren. Diese Erkenntnis, sehr geehrte Damen und Herren, muss für uns Demokratinnen und Demokraten handlungsleitend sein. Wir müssen alles dafür tun, damit sich die Grenzen des Sagbaren nicht verschieben.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU und der SPD)

Denn mit der Verschiebung der Grenzen des Sagbaren werden am Ende auch die Grenzen des Machbaren verschoben.

Sehr geehrte Damen und Herren, hier kann es keine Neutralität der Demokratinnen und Demokraten geben. Hier müssen wir gemeinsam Flagge zeigen.

Wenn wir den Blickwinkel der von Hass und Hetze Betroffenen einnehmen und sehen, dass Jüdinnen und Juden oder Menschen mit Zuwanderungsgeschichte jetzt darüber nachdenken, dieses Land zu verlassen, weil sie sich Sorgen um die Zukunft ihrer Kinder machen, dürfen wir das nicht nur mit Betroffenheit zur Kenntnis nehmen. Wir müssen ihnen jetzt mehr denn je gemeinsam mit der Zivilgesellschaft zeigen: Wir sind mehr, und wir stehen an eurer Seite.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Dass die demokratischen Fraktionen heute dazu ein klares Signal setzen, ist gut. Aber es reicht nicht aus. CDU und FDP müssen in ihren Parteien diese klaren roten Linien auch durchsetzen und nicht nur beschwören. Denn dem Dammbruch von Erfurt gingen – wenn wir ehrlich miteinander sind – zahlreiche Tabubrüche nicht nur im Osten voraus. Kooperationen mit antidemokratischen Kräften auf kommunaler Ebene fanden auch schon bei uns in NRW statt. Die Positionen der sogenannten Werteunion verschieben ebenfalls in gefährlicher Weise den Diskurs nach rechts.

Die zahlreichen Stimmen aus der CDU, die sich sehr deutlich davon abgrenzen – vielen Dank, Herr Minister Laumann, für Ihre klaren und deutlichen Worte – müssen dann aber auch Folgen haben.