Ich bitte Herrn Minister Biesenbach, zunächst die gestellten Fragen zu beantworten. Danach besteht die Nachfragemöglichkeit. Herr Minister Biesenbach weiß, dass sein Mikrofon die ganze Zeit offen bleibt, so wie wir das immer handhaben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Wolf, die Debatte um die notleidende Entkriminalisierung oder den notleidenden Umgang mit dem Schwarzfahren beschäftigt die Justizministerkonferenz und viele schon Jahre. Ich habe auch in dieser Debatte einen Vorschlag gemacht. Es war mir klar, dass die angesprochene Thematik komplexer ist als beispielsweise die durch die Länder Thüringen und Berlin unterbreiteten Lösungsvorschläge.
Festzustellen ist, dass für alle Lösungsvorschläge, die bisher unterbreitet wurden, auf der Bundesebene keine Mehrheit zu finden ist. Es stellen sich dabei Fragen nicht nur der Rechtspolitik, sondern insbesondere auch der Verkehrs- und Sozialpolitik. Dementsprechend ist die Debatte zu diesem Punkt noch in vollem Gange.
Jetzt wird gefragt, was die Landesregierung zukünftig tun will, um ihr erklärtes Ziel zu erreichen. – Der zuständige Fachminister – in diesem Fall ich – ist im Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen auf der Ebene der Justizministerkonferenz. Wir sind alle an einer Lösung interessiert. Ich spreche mit unterschiedlichen Verbänden, deren Geschäftsbereich betroffen ist. Das ist zum Beispiel der Richterbund, mit dem ich gemeinsam versuche, für eine Lösung im rechtlichen Bereich eine Mehrheit zu finden, das sind Verkehrsverbünde, aber auch Verkehrsbetriebe, die ebenfalls helfen könnten, das Problem zu entschärfen, und es sind letztlich Sozialverbände mit anderen Lösungen. Bislang ist noch nicht absehbar, wann es eine mehrheitsfähige Lösung geben wird.
Darum kann ich im Augenblick dazu nicht mehr berichten. Ich werde das sofort nachholen, sobald wir glauben, einen Vorschlag zu haben, der auf der Bundesebene mehrheitsfähig ist.
Vielen Dank, Herr Minister Biesenbach. – Mir liegen bereits zwei Wortmeldungen vor. Die erste Frage stellt Ihnen Frau Kollegin Schäffer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich habe gar nicht damit gerechnet, dass ich so schnell dran bin, aber ich freue mich natürlich sehr.
Herr Biesenbach, das Thema begleitet den Landtag schon länger. Schon im Jahr 2017 haben wir darüber diskutiert. Sie hatten gerade darauf verwiesen, dass Thüringen und Berlin einen Gesetzesentwurf eingebracht haben. Sie sagen, es ist nicht ausführlich genug geregelt. Dennoch frage ich Sie, wie sich Nordrhein Westfalen zu diesem Gesetzentwurf im Bundesrat verhalten wird.
Frau Schäffer, ganz einfach: Wir werden diesen Vorschlag, wie gleiche Vorschläge – der kommt jetzt zum wiederholten Male – auch ablehnen.
Es ist eine ganz einfache Situation: Es lohnt sich nicht, sich zu verkämpfen, wenn erkennbar keine Mehrheit dafür da ist. Ich arbeite lieber dafür, eine Mehrheit zu finden, um das Problem zu lösen. Das ist eine ganz einfache Situation.
Frau Präsidentin, zunächst einmal möchte ich mich bei Ihnen entschuldigen, dass ich nicht pünktlich da war. Vielen Dank, dass Sie dafür Verständnis hatten. Wir sind in der Tagesordnung etwas schneller, als ich gedacht habe.
Herr Minister, zu Ihnen. Wir haben das Thema mehrfach diskutiert. Wir sind uns, glaube ich, inhaltlich sogar einig, was die Schlussfolgerung angeht, dass nämlich Schwarzfahren nicht mehr bestraft wird.
Ich möchte Ihnen jetzt noch einmal eine Frage zu den Auswirkungen der Verurteilungen wegen der Erschleichung von Leistungen stellen. Können Sie mir sagen, wie viele Personen zurzeit wegen dieser Straftat – also § 265a StGB – in den nordrhein-westfälischen Gefängnissen sitzen?
Nein, Herr Wolf, das kann ich Ihnen nicht sagen. Die Frage haben wir nicht geklärt. Wenn Sie die beantwortet haben wollen, müsste ich die Gefängnisse befragen und beteiligen.
Ich ging davon aus – die Zahl ist ja bekannt –, dass wir im Jahr rund 100.000 Verfahren vor den Gerichten haben.
Aber ich würde gerne an einer anderen Stelle widersprechen: Wir sind uns nicht einig, dass Schwarzfahren nicht bestraft werden soll.
Wir denken darüber nach, wie wir verhindern können, dass es zu dieser hohen Zahl von Schwarzfahrten kommt. Da sind insbesondere die Verkehrsverbände und Verkehrsbetriebe gefragt.
Wir denken darüber nach, was getan werden kann, diese überbordende Strafbarkeit zu beseitigen. Allen ist bekannt, dass dieser Straftatbestand einmal geschaffen wurde, als es in allen Verkehrsmitteln noch Schaffner gab; damals war das Schwarzfahren ein reines Kontrolldelikt. Das ist es auch geblieben, auch wenn es jetzt keine Schaffner mehr gibt. Daher
Wir sind uns aber sofort darüber einig, dass es darum geht, die Zahl der Verfahren zu verringern, auch die Zahl der Ersatzfreiheitsstrafen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Herr Minister Biesenbach, für Ihre Ausführungen. Meine Frage ist: Was werden Sie unternehmen, damit in der Sache sofort etwas passiert und eine Mehrheit im Bundesrat hergestellt werden kann?
Herr Engstfeld, ich tue das, was ich bereits seit Monaten tue, nämlich bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit darüber zu sprechen, und zwar nicht nur im politischen Raum, sondern auch mit Verkehrsbetrieben. Ich bin mit dem Ergebnis bisher ganz zufrieden.
Es gibt jetzt schon eine Reihe von Verkehrsbetrieben, die zu den Nichtstoßzeiten beispielsweise nur noch beim Fahrer einsteigen lassen. Siehe da: Die Zahl der Schwarzfahrer ist in dieser Zeit deutlich zurückgegangen.
Wir diskutieren auch darüber, wie das künftig ausgebaut werden kann, wenn es darum geht, mit dem ETicket zu fahren, welche Möglichkeiten sich da ergeben.
Noch einmal: Es geht nicht nur darum, eine Strafvorschrift zu ändern, sondern dem Phänomen auf vielen Wegen beizukommen.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Werter Herr Minister Biesenbach, Sie haben eben auf die Frage der Kollegin Schäffer zum Bundesratsantrag gesagt, dass Sie den Bundesratsantrag ablehnen wollen, weil er keine Mehrheit hat.
Jetzt haben Sie natürlich in der Hand, einem Bundesratsantrag eine Mehrheit zu verschaffen. Vor diesem Hintergrund frage ich mich und jetzt natürlich auch Sie: Warum haben Sie keinen Änderungsantrag gestellt oder sind in Verhandlungen eingestiegen? Ist das nicht ein bisschen einfach, was Sie da gerade erzählt haben?
Herr BolteRichter, ich habe Ihnen bei der Frage von Frau Schäffer mitgeteilt, dass die Lösung, die Thüringen und Berlin vorschlagen, keine Mehrheit findet – egal, wie sich Nordrhein-Westfalen verhält. Ich halte nichts davon, bei etwas mitzumachen, das erfolglos ist, und damit Gesprächsmöglichkeiten an anderer Stelle zu verbauen.
Sobald ein Antrag Erfolg haben könnte, würde ich sofort darüber nachdenken, wie wir damit umgehen. Aber solange sicher ist, dass er nicht angenommen wird, macht es auch keinen Sinn mitzustimmen. Das wissen aber auch die Kollegen aus Berlin und Thüringen seit Langem. Ich verstehe auch nicht, warum sie diesen Antrag wiederholt einbringen; er wird auch dieses Mal keinen Erfolg haben.
Herr Minister, Sie werden in der „Neuen Westfälischen“ am 22.09.2017 im Zusammenhang mit dem Schwarzfahren so wiedergegeben:
„Wir geben also jeden Tag 160.000 Euro dafür aus, dass Menschen inhaftiert sind, die das Gericht überhaupt nicht inhaftieren wollte.“
Können Sie uns vielleicht an der Stelle mitteilen, was ein Haftplatz in Nordrhein-Westfalen pro Tag kostet?
Herr Körfges, wenn ich mich richtig erinnere – das habe ich jetzt nicht überprüft, das mache ich aus der Erinnerung –, sind das nicht 160.000 Euro pro Tag, sondern es sind 160 Millionen Euro pro Jahr – für alle Ersatzfreiheitsstrafler.
Danke schön, Herr Minister. – Die nächste Frage, die zweite vom Fragesteller Herrn Wolf. Bitte schön.
Vielen Dank. – Herr Minister, mich würde noch einmal die Art und Weise interessieren, wie Sie versucht haben, diese Initiative im Bundesrat zum Thema zu machen. Können Sie mir sagen, wann Sie das Thema „Entkriminalisieren von Schwarzfahren“ zu den sogenannten Kamingesprächen auf der Justizministerkonferenz angemeldet haben?
Vielen Dank. – Herr Minister, Sie haben selbst schon gesagt, dass Sie bei jeder aus Ihrer Sicht sich bietenden Gelegenheit über dieses Thema sprechen.
So haben Sie es zum Beispiel am 22.09.2017 gegenüber der „Rheinischen Post“ als Fehlentwicklung bezeichnet, dass jemandem, der keinen Kurzstreckenfahrschein für 1,50 Euro kaufe, Gefängnis drohen könne.
Am 07.02.2018 werden Sie im „Kölner Stadt-Anzeiger“ so wiedergegeben, dass NRW derzeit keine Bundesratsinitiative zur Entkriminalisierung des Schwarzfahrens plane. Das Problem solle erst gründlich diskutiert werden.
Herr Minister, haben Sie denn, weil Sie gerade eben die Gründe geschildert haben, warum Sie der momentanen Bundesratsinitiative von Thüringen und anderen nicht zustimmen wollen, im Kabinett in Nordrhein-Westfalen seit dem 01.07.2017 in irgendeiner Form so etwas wie eine Bundesratsinitiative geplant oder in Auftrag gegeben, oder habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie das gar nicht vorhaben?