Protocol of the Session on September 15, 2017

(Beifall von der AfD)

Sie haben also entweder handwerklich schlecht gearbeitet, oder Sie wollen noch eine ganz andere Diskussion führen. So schreiben Sie weiter:

„Klar ist jedoch auch, dass Kaiserschnittgeburten für Kliniken in finanzieller Hinsicht attraktiver sind als eine natürliche Entbindung.“

Spätestens ab diesem Punkt bin ich wirklich persönlich fassungslos. Sie wollen doch nicht wirklich behaupten, Ärzte würden sich gegen das Wohl des Kindes und gegen das Wohl der Mutter für einen Kaiserschnitt entscheiden, weil dieser eventuell mehr Geld einbringen könnte?

(Beifall von der AfD)

Darüber hinaus ist die Grundannahme dieses finanziellen Fehlanreizes auch noch an den Haaren herbeigezogen. Eine Analyse auf Basis der Daten des Institutes für das Entgeltsystem im Krankenhaus zeigt zwar, dass die Fallerlöse für spontane Geburten je nach Bundesland um rund 1.000 € niedriger liegen als jene für Kaiserschnitte; zugleich sind aber auch die mittleren Fallkosten für eine Kaiserschnittentbindung um ca. 1.000 € höher als die einer vaginalen Geburt. Die Autoren weisen explizit darauf hin, dass sich daraus kein Anreiz für Kliniken ableiten lässt, die Kaiserschnittrate zu erhöhen.

Sehr geehrte Kolleginnen der Grünen, wenn wir Ärzte nachts am Patientenbett stehen, steht für uns die Gesundheit der Menschen im Mittelpunkt, und ganz sicher nicht der Erlös der Klinikgruppe.

(Beifall von der AfD)

Wer so argumentiert, bringt in unverantwortlichem Maße das Vertrauen in unsere Mediziner in Gefahr. Die Geburt ist ein natürlicher Prozess und sollte als solcher wahrgenommen werden. Aber es ist der Verdienst der Mediziner und der verbesserten medizinischen Versorgung, dass in den Industrienationen die Müttersterblichkeitsrate seit Beginn des 20. Jahrhunderts von 300 auf etwa 8 bis 12 pro 100.000 Geburten gesunken ist.

(Beifall von der AfD)

Das können Sie nicht einfach wegdiskutieren. Das können Sie nicht einer Ideologie opfern, die das Vertrauen in die moderne Medizin demontieren will. Nein, manchmal kann man eben nicht alles mit ein paar bunten Kügelchen heilen.

(Beifall von der AfD)

Was noch viel wichtiger ist: Mit diesen Nebenkriegsschauplätzen helfen Sie den Hebammen nicht im Geringsten. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Danke schön, Herr Dr. Vincentz. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Laumann.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich diesen Antrag der grünen Fraktion gelesen habe, habe ich mir schon ein bisschen die Augen gerieben. Im Antrag ist die Rede von schließenden Geburtsstationen, von überfüllten Kreißsälen, von steigenden Kaiserschnittraten bei Müttern und von Müttern, die keine Hebamme für die Wochenbettbetreuung finden. Das alles beantragt die grüne Fraktion, nachdem ihre Parteifreundin Barbara Steffens dieses Ministerium sieben Jahre lang verantwortet hat.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der AfD)

Wenn das Ihr Zeugnis über die Arbeit von Frau Steffens ist,

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das ist doch albern!)

dann kann ich Frau Steffens nur sagen: Wenn man solche Freunde hat wie Sie, dann braucht man keine Feinde mehr.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Jetzt will ich zuerst mal ein paar Dinge zur Sache sagen. In allen Reden hat die Frage der Haftpflichtprämien für Hebammen eine Rolle gespielt. Ich hatte ja nun in meiner vorherigen Funktion in der Bundesregierung ein bisschen mit der Lösung des Problems zu tun.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Sie hatten mit dem Problem zu tun! Der Lösung sind Sie nicht nä- her gekommen!)

Ich will Ihnen nur sagen: Die Haftpflichtprämie liegt heute bei 7.639 €. Dafür gibt es einen Zuschuss in Höhe von 5.680 € durch die Krankenkassen, wenn die Hebamme wenigstens drei Geburten im Jahr betreut. Das heißt, wir liegen mit dem Prämienbeitrag nach Abzug des Krankenkassenzuschusses heute unter der Prämie des Jahres 2009. Ich wollte nur mal sagen, dass es diese Regelung gibt. Diese Regelung gibt es auch deswegen, weil sich unser Gesundheitsminister Hermann Gröhe für diese Sache persönlich sowohl bei den Krankenkassen als auch bei der Versicherungswirtschaft eingesetzt hat.

(Beifall von der CDU)

Natürlich hat es in Nordrhein-Westfalen den runden Tisch dazu gegeben. Natürlich sind am runden Tisch auch viele vernünftige Dinge besprochen worden. Aber man hat auch gesagt: „Wir machen jetzt erst mal nichts“, und dann: Berlin trägt die Verantwortung.

Man hat in Nordrhein-Westfalen dann eine Datenstudie in Auftrag gegeben, die uns aber erst Ende 2019 Daten liefern muss. Ganz 2018 und ganz 2019 liegen noch vor uns. Die Studie ist aber mit dieser Maßgabe vergeben worden.

Oder nehmen wir die Sache mit dem HebammenKreißsaal. Im Ministerium ist keine Konzeption dazu gemacht worden, und es ist auch kein einziges Konzept dazu genehmigt worden. Nehmen wir die Entwicklung der Entschließung der Geburtshilfe. In Nordrhein-Westfalen ist die Planung der Geburtshilfe kein Bestandteil der aktuellen Krankenhausplanung. Kein Bestandteil!

Das heißt, die Frage, ob ein Krankenhaus Geburtshilfe macht oder nicht, ist allein die Entscheidung des Krankenhauses und wird im Krankenhausplan Nordrhein-Westfalen nicht behandelt. Es wurde auch keine Entscheidung seitens der Regierung nach dem runden Tisch getroffen, nach der das jetzt Bestandteil der Krankenhausplanung werden muss. Das ist also die Lage, die ich vorfinde.

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Deswegen wird sehr viel über diese Frage geredet. Man muss zuerst einmal wissen, was wahr ist und was nicht wahr ist. Eines ist klar: Die Landesregierung und ich wollen, dass jede schwangere Frau in Nordrhein-Westfalen eine vernünftige Begleitung durch eine Hebamme sowohl vor der Geburt als auch während der Geburt und in der nachgeburtlichen Versorgung hat.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Da sind wir doch auch gar nicht auseinander.

Um das sicherzustellen, muss man zuerst mal wissen, wie viele Hebammen es in Nordrhein-Westfalen überhaupt gibt. Das weiß kein Mensch. Kein Mensch kennt die Altersstruktur der Hebammen. Kein Mensch weiß, wie viele Hebammen in den nächsten Jahren aus dem aktiven Berufsleben ausscheiden und wie viele Schülerinnen und Schüler wir dann brauchen, um diejenigen, die ausscheiden, zu ersetzen.

Wir wissen nur, wie viele künftige Hebammen wir in den Hebammenschulen in Nordrhein-Westfalen haben. Dann ist es doch richtig, wenn ein Minister sagt: Lasst uns zuerst mal sehen, dass wir diese Fragen möglichst schnell beantwortet bekommen.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Das hat doch Bar- bara Steffens auf den Weg gebracht!)

Dann ist ein weiterer Punkt ganz entscheidend: Wir müssen natürlich wissen, wie weit mittlerweile die Geburtsstationen von den Kliniken in ländlichen Räumen auseinander liegen. Sind sie zurzeit noch für alle mit den in den Richtlinien festgelegten Entfernungswerten zu erreichen? – Sollte das nicht der Fall sein,

müssen die Geburtshilfen schnellstens in die Krankenhausplanung des Landes NordrheinWestfalen aufgenommen werden.

Wenn man sie in die Krankenhausplanung des Landes Nordrhein-Westfalen aufnimmt, dann müssen wir auch – was ich ohnehin in der Krankenhausplanung möchte – im Krankenhausplan stärker die Strukturen vorgeben. Wenn ein Krankenhaus eine Geburtshilfestation betreibt, müssen wir sagen, was sie an Technik benötigt, was sie aber auch an Personal benötigt, um eine solche Geburtshilfe betreiben zu dürfen. Strukturqualität muss man in einem Krankenhausplan wohl noch vorgeben dürfen, und nicht nur die Planzahlen der Betten.

Das alles sind meine Ziele. Aber man muss in einer Landesregierung doch zunächst wenigstens die Zeit haben, um die Ist-Situation aufzunehmen und daraus zu schließen, was getan werden muss.

Ich habe gestern entschieden, dass wir die Projektgruppe einsetzen. Wir haben in diesem Fall das große Glück, wie ich finde, dass wir eine Hebamme gefunden haben, die 800 Kinder auf die Welt gebracht und auf dem zweiten Bildungsweg ein Jurastudium absolviert hat.

Ich persönlich möchte diese Frau damit betreuen, diese Projektgruppe zu leiten und möchte sicherstellen, dass sie quer über die Landesregierung Zugriffe auf die nötigen Zahlen, Daten und Fakten hat. Ich möchte, dass sie durch das Land reist und sich die Situation in den 16 Planungsgebieten für den Krankenhausplan anschaut.

Bevor Sie jetzt Schnellschüsse machen, müssen Sie mir schon zugestehen, dass ein solcher Prozess vielleicht ein Jahr oder ein gutes Jahr Zeit in Anspruch nehmen kann. Man kann nicht einfach blindlings in die Landschaft schießen und sagen: „Damit löse ich die Probleme“, wenn man keine vernünftige Datenlage hat.

Das werden wir alles machen. Und noch einmal – das ist das Wichtigste in dieser Frage –: Es ist doch völlig klar, dass wir die Begleitung durch Hebammen für schwangere Frauen, für Gebärende und direkt nach der Geburt haben möchten. Das ist im Übrigen eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Darauf haben die Frauen einen Anspruch.

Der zunehmenden Zahl von Kaiserschnitten ist doch nur dadurch zu begegnen – wenn man ihr begegnen will –, dass die Frauen in diesem Prozess eine vernünftige Begleitung durch eine Hebamme haben. Dass Krankenhäuser manchmal vor der Situation stehen, dass die Gebärenden unbedingt einen Kaiserschnitt haben wollen, ist doch auch kein Geheimnis. Das kann man doch

nicht den Krankenhäusern in die Schuhe schieben. Im Rahmen dieses Prozesses kann ich doch nicht den Wunsch nach einem Kaiserschnitt verbieten!

Das können wir nur dadurch erreichen, dass die Schwangere durch eine gute Hebamme begleitet wird. Dann wird sich durch die Begleitung der Hebamme schon die richtige Entscheidung für diese Frau ergeben.

(Beifall von der CDU und der FDP – Verein- zelt Beifall von der AfD)

Aber die kann doch nicht ein Gesundheitsminister vorgeben.

Dann will ich zum Schluss persönlich und ganz ehrlich zugestehen, dass dies ein Thema ist, das für einen Mann nicht so ganz einfach ist. Das ist auch die Wahrheit. Ich empfinde es wenigstens so.

Aber Sie können davon ausgehen, dass wir die Dinge konsequent anpacken wollen und dass wir das Problem auch lösen werden. Wir werden es nicht so lösen, dass wir alles auf Berlin schieben. Vielmehr müssen wir das, was wir in NordrheinWestfalen zu verantworten haben, auch in Nordrhein-Westfalen lösen. Dann kann man immer noch über die Punkte reden, die wir mit der Bundespolitik besprechen müssen. – Schönen Dank.