Protocol of the Session on December 18, 2019

Wir sind gespannt und werden es in jedem Fall konstruktiv begleiten. Aber wir sehen in den jetzigen Festlegungen und im jetzigen Entschließungsantrag von Ihnen, lieber Herr Kollege Voussem,

(Zuruf von Henning Rehbaum [CDU])

noch zu wenig Substanz, um dem Glauben schenken zu können.

Wir wollen nicht hoffen, dass man es der nächsten Landesregierung überlässt. Die Schritte müssen jetzt gegangen werden. Wir sind gespannt, ob Sie den Mut haben, entsprechend umzuschichten. Diesen Mut hatten Sie beim Haushalt nicht. Wir meinen, dass man beim Straßenbau noch etwas wegnehmen und beim Radwegebau draufsatteln kann. Wir sind gespannt, ob Sie den Mut dafür haben. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Klocke. – Jetzt spricht für die AfD-Fraktion Herr Vogel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auch von uns herzlichen Glückwunsch an die Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“! Fahrrad fahren macht fit, hält fit und setzt Endorphine frei, also Glückshormone, die wir in unserem grauen Alltag gut gebrauchen können. Ich persönlich bin ein Riesenfan des Fahrradfahrens.

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Aber nur auf deut- schen Fahrrädern!)

Aber damit diese Initiative auch wirklich ein bisschen Fleisch an den Knochen bekommt, möchten wir einige Kritikpunkte anbringen, die wir auch schon im Fachausschuss bzw. in der Anhörung geäußert haben. Das sind wir der Sache schuldig, finde ich. Da müssen wir ehrlich sein. Darauf möchte ich in der knappen Zeit hier eingehen.

Die Volksinitiative fordert 1.000 km Radschnellwege für den Pendelverkehr und 300 km überregionale Radwege pro Jahr. Ich bezweifle, ehrlich gesagt, dass wir das in dieser Zeit hinbekommen, und zwar gerade vor dem Hintergrund dessen – davon wurde gerade schon gesprochen –, wie viel an Kapazitäten wir dafür einsetzen wollen.

Wenn wir uns unsere Verkehrsinfrastruktur in Nordrhein-Westfalen anschauen, stellen wir fest, dass es an jeder Ecke ächzt. Ich nenne hier die Straßen und die Schienen sowie die Schifffahrtswege mit den Brücken und Schleusen. Außerdem haben wir nur begrenzte finanzielle Mittel und auch nur eine begrenzte Kapazität von Planern und Ingenieuren. Dementsprechend bin ich immer vorsichtig. Denn Politik sollte nicht zu viel versprechen, was sie später nicht halten kann. Sonst hat man im Extremfall schneller einen PUA an der Backe, als Herr Dobrindt „Die Maut kommt“ sagen kann.

Der nächste Punkt ist die Forderung nach 4 m Breite und einem seitlichen Fußgängerweg. Das mag an vielen Orten, an denen der Bedarf und die Frequenz da sind, Sinn machen. Schauen Sie sich aber einmal ländliche Bereiche wie das Sauerland oder die Eifel an. Ich fahre sehr gerne und sehr oft in der Eifel Fahrrad. Dort kommt Ihnen an manchen Tagen gefühlt nur jede halbe Stunde ein Fußgänger oder ein Fahrradfahrer entgegen. Ich weiß nicht, ob wir dort unbedingt diese Kapazitäten einsetzen sollten. Ich bin eher ein Freund davon, in den Großstädten einen sichereren Verkehr zu gewährleisten.

Der nächste Punkt ist die kostenlose Mitnahme im ÖPNV. Ich sage immer: Wo Kosten entstehen, muss sie auch irgendjemand bezahlen. Kostenlos gibt es nicht; denn im Endeffekt bezahlt es der Steuerzahler. Das sei jetzt aber einmal dahingestellt. Denn primär geht es darum, ob das überhaupt praktikabel ist. In der Prime Time, also in der Hauptverkehrszeit, konkurrieren Fahrräder, die auf dem begrenzten Platz abgestellt werden, mit Rollstuhlfahrern, Frauen mit Kinderwagen oder Leuten, die sich sowieso in die Verkehrsmittel reinquetschen. Selbst in der Anhörung hat eine Vertrauensperson gesagt: Ja, gut; dann müssen wir die Gratismitnahme vielleicht auf Zeiten beschränken, in denen es im ÖPNV nicht ganz so eng ist. – Das konterkariert doch die ganze Idee des Pendelverkehrs.

Kritisch wird es, wenn die Radschnellwege auf bestehender Verkehrsinfrastruktur eingerichtet werden sollen. Denn dann konkurrieren die Radfahrer mit den Autofahrern. Ich weiß; hier soll der Autoverkehr eingedämmt werden. Ich weiß allerdings nicht, ob wir die Verkehrsprobleme lösen können, wenn wir landesweit Umweltspuren einrichten und Straßen dichtmachen. Es gibt schließlich auch Leute, die nicht Fahrrad fahren können, weil sie alt, krank oder nicht fit genug sind oder weil sie große Einkäufe zu erledigen oder Kinder zu transportieren haben.

Ein sehr interessanter Punkt – und dafür bin ich äußerst dankbar – ist die Verkehrssicherheit. Die Radfahrer haben gerade in Großstädten große Probleme. Ich fahre hier in Düsseldorf Fahrrad. Das ist teilweise auf jeden Fall ein Vabanquespiel: Komme ich gut an, oder komme ich nicht gut an?

Es gibt Tools, die man einsetzen kann. Anfang dieses Jahres haben wir hier einen Antrag gestellt. Wir haben gefordert, dass Lkws verpflichtend mit Abbiegeassistenten ausgerüstet sein müssen. Die Lkws kosten Hunderttausende von Euro, und die Abbiegeassistenten gibt es mittlerweile für wenige Tausend Euro. Herr Poschardt spricht heute in der „WeLT“ sogar von nur einigen Hundert Euro. Und das rettet Menschenleben. Unser Antrag ist damals mit der Begründung abgelehnt worden, dass sich in einigen Jahren – oder in vielen Jahren – die EU darum kümmern werde. Diese Ablehnung finde ich sehr schade. Denn es wäre eine Kleinigkeit gewesen, das zu beschließen. Der Antrag ist natürlich auch deshalb abgelehnt worden, weil er von der falschen Fraktion kam. Aber vielleicht können Sie diesen Aspekt irgendwann in einem anderen Zusammenhang einbringen.

Ein anderes Problem auf den Radwegen sind die ERoller. Darauf habe ich schon vor ihrer Einführung hingewiesen. Sie haben eine unglaubliche Beschleunigung und eine konstant hohe Geschwindigkeit. Einerseits konkurrieren sie mit den Radfahrern. Andererseits müssen wir auch auf die Sicherheit der ERoller-Fahrer achten. Denn wenn Sie mit einem ERoller eine Vollbremsung hinlegen, machen Sie einen Seemannsköpper. Und Evaluationen in den USA haben ergeben, dass 50 % der Unfälle schwere Kopfverletzungen zur Folge haben. Darauf muss man wirklich achten.

Auch wenn wir diese Bürgerinitiative in großen Teilen mittragen, sehen wir also doch noch großen Diskussionsbedarf, damit es eine runde Sache wird und auch hinhaut. Insofern freue ich mich auf die Diskussionen im Fachausschuss. Lassen Sie uns aber bei allem ehrlich bleiben und nicht die Verkehrsträger gegeneinander ausspielen. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Vogel. – Jetzt spricht für die Landesregierung Herr Minister Wüst.

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal freue ich mich darüber, dass der Kollege Klocke wieder im Ring ist. Herzlich willkommen zurück!

Herzlichen Glückwunsch an die Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“! Ich freue mich über die große Zustimmung zur Volksinitiative, sowohl über die große Zustimmung der Menschen in Nordrhein-Westfalen, die unterschrieben haben, als auch über die große Zustimmung über alle Fraktionen hier im Landtag hinweg. Das ist Zustimmung zu dem Thema „Fahrrad“. Es ist auch Zustimmung zu den Forderungen der Volksinitiative.

Die Volksinitiative hat etwas geschafft, was nicht so oft passiert: Der Landtag wird ihren Forderungen folgen. Damit legen wir in Sachen Fahrradpolitik noch einmal eine Schippe drauf. Ich begrüße das sehr.

Immer mehr Menschen sind mit dem Fahrrad unterwegs. Pedelecs und E-Bikes machen es möglich, dass Radverkehr auch in Nordrhein-Westfalen zum Pendlerverkehr wird und immer mehr Strecken auch in den Regionen zurückgelegt werden können, die – wie sagt man so schön? – eine bewegte Topografie haben. Das Rad wird mehr und mehr fester Bestandteil von Mobilitätsketten über verschiedene Verkehrsträger hinweg.

Die Basis für den Radwegebau ist mit dem Jahr 2018 – das ist abgeschlossen – gelegt worden, als wir 177,5 km neue Radwege gebaut haben. 270 km Radschnellwege befinden sich in Planung. In diesem Jahr hatten wir Baubeginn in Gelsenkirchen und Verkehrsfreigabe in Mülheim. Anfang des Jahres ist Baubeginn am Berthold-Beitz-Boulevard in Essen. Auch beim Radschnellweg Ruhr RS1 in Bochum geht es Schritt für Schritt voran.

Insgesamt stellen wir nur aus dem Verkehrsministerium 47 Millionen Euro zur Verfügung – mehr als jemals zuvor. Damit diese Mittel noch intensiver abfließen können und daraus Investitionen werden, ist soeben mit dem Haushalt 2020 – das ist vielleicht bei der Vielzahl der Änderungsanträge etwas untergegangen – eine kleine, aber beachtliche Änderung beschlossen worden. Wir können jetzt überjährig nicht genutzte Haushaltsmittel verwenden. Das wird eine ganz neue Dynamik auslösen und mehr Radwegebau in kürzerer Zeit ermöglichen.

Wir haben bei der Planung von Radwegen Tempo gemacht. Herr Löcker, Sie haben das Straßen- und Wegegesetz gerade gelobt. Sie hätten nicht unterschlagen müssen, dass wir es noch einmal geändert haben – ich denke, auch in Ihrem Sinne. Dadurch, dass das förmliche Linienbestimmungsverfahren für Radschnellwege jetzt nicht mehr nötig ist, sparen wir einen ganzen Planungsschritt.

Ich habe Arndt Klocke gerade so verstanden, dass er zu mehr Planungsbeschleunigung, jedenfalls beim Radwegebau, bereit ist. Wir werden Ihre Bereitschaft gerne in Anspruch nehmen und austesten; denn da ist sicherlich noch einiges zu tun.

Der Bund hat das Thema „Fahrrad“ für sich entdeckt, und zwar nicht nur bei der Novellierung der Straßenverkehrsordnung. In der vergangenen Woche hat das Bundeskabinett beschlossen, dass nun auch an Bundesbauwerken, an Brücken, Radschnellwege gebaut werden können. Das ist ein Meilenstein und entlastet die Kommunen.

Darüber hinaus stellt der Bund 900 Millionen Euro in den nächsten vier Jahren – bis einschließlich 2023 – zur Verfügung. Ich bin den Fraktionen dankbar für ihre Zustimmung dazu, zehn zusätzliche Planer einzustellen, um dieses Geld für Nordrhein-Westfalen nutzbar zu machen.

Ebenfalls bedanke ich mich herzlich für die Anträge von CDU und FDP, zwei zusätzliche Stellen im Verkehrsministerium einzurichten, von denen das Ganze administrativ begleitet werden soll.

So haben Sie allein am heutigen Tag mit dem Haushalt schon drei konkrete Verbesserungen für die Beschleunigung des Radwegebaus beschlossen: die überjährige Verwendung der Mittel, die zehn zusätzlichen Planer und die zwei zusätzlichen Leute im Ministerium. Damit kommen wir sicher ein gutes Stück voran.

Wir werden im Verkehrsministerium eine Stabsstelle Radverkehr einrichten, um weiter Tempo aufzunehmen.

Die Entschließungsanträge spielen den Ball jetzt allesamt an die Landesregierung weiter. Das ist gut so und völlig in Ordnung. Wir werden ein Gesetz erarbeiten, das die Forderungen der Volksinitiative abbildet. Ich freue mich darauf, dass wir als erstes Flächenland ein solches Gesetz auf den Weg bringen werden.

Ich bin sehr offen für jede Form von externem Input, ob von der Volksinitiative, der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte oder den kommunalen Spitzenverbänden. Wer auch immer kluge Hinweise einzubringen hat, ist dazu herzlich eingeladen.

Noch einmal meinen herzlichen Glückwunsch an die Volksinitiative! Ich freue mich auf die gemeinsame Erarbeitung eines Gesetzes für besseren Radverkehr in Nordrhein-Westfalen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Wüst. – Weitere Wortmeldungen sehen wir hier oben nicht.

Damit kommen wir zur Abstimmung. Wir haben insgesamt fünf Abstimmungen vor uns.

Erstens stimmen wir über das Anliegen der Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“ gemäß Art. 67 der Landesverfassung ab. Der Verkehrsausschuss empfiehlt in

Drucksache 17/7938, dem Anliegen der Volksinitiative mit der Kurzbezeichnung „Aufbruch Fahrrad“ zu folgen. Wir stimmen daher über das Anliegen der Volksinitiative und nicht über die Beschlussempfehlung ab. Wer stimmt dafür, dem Anliegen der Volksinitiative zu folgen? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Niemand. Bei Gegenstimmen der AfD-Fraktion hat der Landtag mit breiter Mehrheit beschlossen, dem Anliegen der Volksinitiative mit der Kurzbezeichnung „Aufbruch Fahrrad“ zu folgen.

Zweitens stimmen wir über die abschließende Behandlung der Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“ gemäß Art. 67 der Landesverfassung ab. Der Verkehrsausschuss empfiehlt in Drucksache 17/7938, zu beschließen, dass der Landtag damit das Anliegen der Volksinitiative mit der Kurzbezeichnung „Aufbruch Fahrrad“ abschließend behandelt hat. Wir stimmen nun also darüber ab, ob der Landtag damit das Anliegen der Volksinitiative abschließend behandelt hat, nicht über die Beschlussempfehlung. Wer dafür stimmt, dass der Landtag das Anliegen der Volksinitiative abschließend behandelt hat, die oder der hebe die Hand. – Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit hat der Landtag einstimmig beschlossen, dass er das Anliegen der Volksinitiative mit der Kurzbezeichnung „Aufbruch Fahrrad“ abschließend behandelt hat. Dies stelle ich ausdrücklich fest.

Drittens stimmen wir über den Entschließungsantrag der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/7950 ab. Wer stimmt der Entschließung zu? – CDU, FDP, SPD stimmen zu, die Grünen und die beiden fraktionslosen Kollegen Herr Langguth und Herr Pretzell auch.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Nein, wir haben nicht zugestimmt!)

Nicht zugestimmt?

(Monika Düker [GRÜNE]: Das war ein Verse- hen!)

Okay. Das war ein Versehen. Dann frage ich noch einmal, damit es ganz klar ist. – Wer stimmt der Entschließung von CDU und FDP zu? – CDU, FDP und SPD sowie die beiden fraktionslosen Kollegen stimmen zu. Wer stimmt dagegen? – Die Grünen stimmen dagegen. Wer enthält sich? – Bei Enthaltung der AfD-Fraktion ist der Entschließungsantrag Drucksache 17/7950 mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der SPD und der beiden Fraktionslosen angenommen.

Viertens stimmen wir über den Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/8216 ab. Wer stimmt der Entschließung der Grünen zu? – Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP, AfD und die beiden Fraktionslosen stimmen dagegen. Wer enthält

sich? – Bei Enthaltung der SPD-Fraktion hat der Entschließungsantrag Drucksache 17/8216 keine Mehrheit gefunden und ist daher abgelehnt.

Fünftens stimmen wir über den Entschließungsantrag der Fraktion der AfD Drucksache 17/8285 ab. Wer stimmt dieser Entschließung der AfD-Fraktion zu? – Die AfD-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – CDU, SPD, FDP, Grüne und die beiden fraktionslosen Kollegen stimmen dagegen. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Entschließungsantrag Drucksache 17/8285 mit breiter Mehrheit abgelehnt und der Tagesordnungspunkt 3 abgearbeitet.

Bevor wir gleich zum Tagesordnungspunkt 4 kommen, rufe ich noch einmal den Tagesordnungspunkt 2 auf, der nur unterbrochen war, und gebe Ihnen die Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen bekannt.