Protocol of the Session on November 28, 2019

Da haben Sie zum Telefon gegriffen und den Richter angerufen. Sie haben nachher gesagt, Sie wollten nur einem Freund helfen. Verteidigung und Staatsanwaltschaft sprachen im Anschluss von einem unsäglichen und skandalösen Vorgang.

Ich frage Sie heute – damit komme ich zum Schluss –: Kann es sein, dass Peter Biesenbach als Minister versucht hat, seine Kabinettskollegin zu schützen, indem er in einem Telefonat mit dem Oberstaatsanwalt wieder einmal auf die Justiz Einfluss nehmen wollte?

Ich frage Sie: Kann es sein, dass er die Kabinettskollegin genau darüber informiert hat und nun versucht, mit Verweis auf Gedächtnisschwund sein politisches Überleben zu sichern? Oder kann es sein, dass das alles nur ganz großer Zufall war?

Ich finde, dass das Parlament und die Öffentlichkeit hier und heute ein Recht auf umfassende Aufklärung dieser Geschichte haben. Ich habe mich selber gefragt, ob das glaubwürdig ist.

Herr Kollege, die Redezeit ist deutlich überschritten. Kommen Sie bitte zum Schluss.

Ich kann Ihnen das einfach nicht glauben. Meine Fraktion kann Ihnen das auch nicht glauben. Für uns, lieber Herr Minister Biesenbach, haben Sie an dieser Stelle eindeutig Ihre Glaubwürdigkeit verspielt. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank. – Für die Fraktion der AfD hat der Abgeordnete Herr Beckamp das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Worum geht es hier heute? Zunächst geht es um einen Untersuchungsausschuss. Am 15. März 2018 behauptete die damalige Ministerin Schulze Föcking bzw. ein Regierungssprecher, unbekannte Täter hätten sich Zugriff auf das WLANNetzwerk im Privathaus der Familie Schulze Föcking verschafft. Der Regierungssprecher sprach von „offenkundig kriminellen Eingriffen in die Privatsphäre der Ministerin“. Die Landtagsfraktionen CDU, SPD, FDP und Grüne solidarisierten sich daraufhin mit der Ministerin.

Bereits am 18. April 2018 wurde Frau Schulze Föcking das Ergebnis der Untersuchung des LKA mitgeteilt, dass die Videoübertragung unbemerkt und unbeabsichtigt durch ein für das Heimnetz berechtigtes Gerät in einer anliegenden Wohnung der Familie

ausgelöst wurde. Kurzum: Fehler der Fernbedienung, Bedienfehler. Viel Lärm um nichts!

Der Landtag hat allerdings noch am 26. April 2018 über den angeblichen Hackerangriff gesprochen und erneut Solidarität mit Frau Schulze Föcking bekundet. Die damalige Ministerin schwieg, sodass die tatsächlichen Umstände erst am 7. Mai 2018 öffentlich bekannt wurden.

Am 15. Mai 2018 trat sie dann zurück. Das war es.

Das war es nicht ganz. Den Fehler der Fernbedienung sowie das zumindest seltsame Verhalten der Ministerin und des Regierungssprechers nahmen sodann SPD und Grüne zum Anlass für einen Untersuchungsausschuss. Was der soll? Tja. Parlamentarisches Getue; bisher ein großer Sturm im kleinen Wasserglas.

Was das kostet, kann ich Ihnen sagen: jeden Monat 11.000 Euro, und zwar fünfmal 11.000 Euro, nämlich für jede Fraktion. Das sind 55.000 Euro im Monat für diesen Ausschuss, also 660.000 Euro im Jahr. Wofür? Man weiß es nicht genau. Das Ganze läuft zwei Jahre. Die Kosten der Verwaltung kommen noch hinzu. Erkenntnisgewinn: bisher null.

Aber geschenkt! Es sind halt schöne Posten für verdiente Parteisoldaten. Das System versorgt sich selber. Man kann es ja auch.

(Beifall von der AfD)

Heute geht es in der Tat um Herrn Minister Biesenbach. Anlass ist seine Zeugenaussage vom 8. Juli 2019 im vorgenannten Ausschuss. In der Ausschusssitzung hat Herr Minister Biesenbach eingestanden, dass er den damals ermittelnden Staatsanwalt kontaktiert hat, um sich nach dem Stand der Ermittlungen zu erkundigen. So weit, so gut.

Nun wurde bekannt, dass der Minister kurz nach diesem Telefonat seine Kabinettskollegin, Frau Schulze Föcking, angerufen hat. Davon hat er im Ausschuss nichts gesagt, vielmehr auf Nachfrage ein Telefonat mit ihr hierzu verneint.

Was ist das Problem? Das Problem ist, ob der Minister Einfluss auf die Ermittlungen genommen hat, ob er mit Frau Schulze Föcking über den Ermittlungsstand sprach und ob er hierüber vor dem Ausschuss falsch ausgesagt hat; denn das wäre strafbar.

Auf die Frage – Herr Engstfeld hat es schon zitiert – „Haben Sie mit Frau Schulze Föcking persönlich nie über den Termin vor Ort gesprochen, auch im Nachhinein nicht?“ sagte der Minister im Ausschuss: Nein.

Herr Minister, ich glaube Ihnen das. Aber das hilft nicht sonderlich. Wer bin ich schon?

Denn nun zeigen Telefondaten, die dem WDR vorliegen und jetzt veröffentlicht wurden, dass der Minister tatsächlich am Nachmittag des 29. März 2018 zuerst

mit dem Oberstaatsanwalt und unmittelbar danach mit Frau Schulze Föcking sprach.

Was kann Herr Minister Biesenbach in diesem Fall tun? Er hat zwei Möglichkeiten.

Erste Möglichkeit: Er bezeugt in dieser Situation die Wahrheit, so wie ich sie verstehe. In unserem Fall sagt er also sinngemäß: Ja, ich habe mehrere Minuten mit dem Leitenden Oberstaatsanwalt telefoniert, der gerade auf dem Hof Schulze Föcking war, um in der Sache zu ermitteln. Und eine Minute später habe ich Frau Schulze Föcking angerufen. Ich habe aber nicht über die laufenden Ermittlungen gesprochen. Ich habe nicht über das Telefonat zwei Minuten vorher gesprochen. Das war alles reiner Zufall. – So hätte er sinngemäß antworten können.

Was denken Sie sich dabei? Herr Engstfeld hat es eben schon ausgemalt. Ist das glaubwürdig oder glaubhaft? Nein, leider nicht, leider gar nicht. Es ist eher lebensfremd, geradezu abwegig, und sei es auch wahr. Daher läuft er Gefahr, dass man ihm keinen Glauben schenkt. In der Folge könnte er wegen Falschaussage bestraft werden, obwohl es vielleicht wahr ist.

Zweite Möglichkeit: Er verschweigt die unglaubhaften Aussagebestandteile, also den Anruf bei Frau Schulze Föcking, oder – noch besser – er kann sich nicht erinnern. Er sagt also sinngemäß: Ich habe sie nicht angerufen. Also, ich kann mich nicht erinnern. Jedenfalls habe ich auf keinen Fall mit ihr über die Ermittlungen gesprochen.

Dann macht er sich wegen Falschaussage strafbar, wenn herauskommt, dass das nicht stimmt.

Sie merken mit mir: Herr Minister Biesenbach ist in einem Dilemma, und sei es auch wahr. Die Geschichte ist einfach nicht glaubhaft.

Was tun? Es ist wirklich verzwickt. Am besten wäre in der Tat – Herr Engstfeld, Sie haben es mir leider vorweggenommen – der sogenannte Hosentaschenanruf gewesen. Irgendwie wurde aus Versehen auf irgendeinem Telefon in der Hosentasche irgendeine Nummer gedrückt, und irgendjemand wurde angerufen. Das war zufälligerweise Frau Schulze Föcking, die zufälligerweise direkt nach dem Anruf bei dem Oberstaatsanwalt angerufen wurde.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Das ist nicht plausibel. Der sogenannte Hosentaschenanruf ist leider nicht plausibel – aber plausibler als alles andere, was sonst bisher erzählt wurde.

Lassen wir es also bei den Erinnerungslücken. Sie sind bei Politikern durchaus bekannt und bewertbar, auch wenn es sie nicht gerade glaubwürdig macht.

Ein Tipp von mir: Demnächst einfach ein anderes Handy benutzen! – Danke.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU-Fraktion hat nun Herr Dr. Geerlings das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Engstfeld, Sie haben hier aus meiner Sicht eine fragwürdige Beweiswürdigung vorgenommen. Offensichtlich haben Sie dem Landtagspräsidenten nicht so genau zugehört. Das ist jedenfalls fragwürdig.

Eines ist allerdings nicht fragwürdig. Wenn ich Ihre Aussage würdige, kann ich nur sagen: Sie haben in mehr als sieben Minuten über eine Minute nichts Substanzielles von sich gegeben.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Der Vorwurf, dass ein Minister die Nichtwahrheit gesagt habe, muss aufgeklärt werden. Er ist schwerwiegend.

Doch kann ich Ihnen direkt zu Beginn eine Feststellung nicht ersparen: Die Debatte über die Frage, ob ein Zeuge in einem Untersuchungsausschuss die Wahrheit oder die Unwahrheit gesagt hat, gehört hier überhaupt nicht hin. Sie gehört zuallererst im Rahmen der Beweiswürdigung in den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss selbst.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Oder sie ist, wenn der Anfangsverdacht strafbaren Handelns besteht, Aufgabe der Staatsanwaltschaft. Sie ist aber keine Angelegenheit des Parlaments, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Wenn das Parlament die Aufklärung eines bestimmten Sachverhalts in einen Untersuchungsausschuss verweist, dann muss es die verfahrensrechtlichen Bedingungen akzeptieren, unter denen die Aufklärungsmaßnahmen stattfinden sollen.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Dann finden Zeugenvernehmungen, Beweiswürdigungen und alles, was mit dem Verfahren zu tun hat, dort statt – und nicht mehr im Plenum des Landtags.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Sie können sich ja später noch einmal äußern. Bleiben Sie einmal ruhig.

Insbesondere das Beweiserhebungsrecht steht gemäß Art. 41 Abs. 1 Satz 2 unserer Landesverfassung ausschließlich dem Untersuchungsausschuss zu, nicht aber dem Plenum.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE] – Weitere Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)