Protocol of the Session on November 27, 2019

Aber, Herr Katzidis, so kann man das dann doch nicht stehen lassen. Ich will einmal daran erinnern, wer für dieses Pensionsloch verantwortlich ist. Es war Schwarz-Gelb, die damals ab 2005 die Einstellungszahlen halbiert haben.

(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

Herr Lürbke, es tut mir leid, ich verstehe auch, dass Ihnen das wehtut. Aber es ist leider die Realität.

(Beifall von den GRÜNEN)

Trotzdem will ich auch hier ganz klar und deutlich sagen: Ich bin froh, dass mehr eingestellt wird. Ich bin froh darüber, weil wir wissen, dass es mehr Herausforderungen und andere Themen für die Polizei gibt. Insofern sind höhere Einstellungen auch richtig. Dass eine Landesregierung, die so massiv von Steuermehreinnahmen profitiert, mehr Polizistinnen und Polizisten einstellt, halte ich persönlich ein Stück weit für eine Selbstverständlichkeit. Es ist wahrlich nichts, liebe Kollegen, für das man sich auf die Schultern klopfen muss. Jede andere Regierungskoalition hätte das hier genauso gemacht und mehr Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte eingestellt.

(Beifall von den GRÜNEN – Widerspruch von der FDP)

Gucken Sie doch mal in die Wahlprogramme! Es waren die Grünen, ich glaube auch die SPD, die konkrete Zahlen in ihre Wahlprogramme geschrieben haben.

(Zurufe von der FDP)

Es waren ausweislich nicht CDU und FDP.

(Zurufe – Glocke)

Insofern: Seien Sie doch redlich! Wie gesagt, ich wollte das gar nicht ansprechen. Diese Schärfe hier reinzubringen, das machen Sie an dieser Stelle, und das ist nicht zielführend.

Aber eines will ich schon noch sagen: Wir haben jetzt eine Einstellungszahl von 2.500 Kommissaranwärterinnen und -anwärtern. Schön wäre nur, wenn diese 2.500 auch genauso ankommen würden. Aber die Abbrecherquote ist unter Schwarz-Gelb deutlich gestiegen. Vor einigen Jahren hatten wir noch eine Quote …

(Lachen von Herbert Reul, Minister des In- nern)

Herr Reul, das müssen Sie widerlegen. – Wenn man sich die Zahlen anschaut – ich habe das gemacht, ich habe mir noch einmal die Anfrage von Frau Korte von vor einigen Jahren angeschaut –, ergibt sich Folgendes: Seinerzeit betrug die Abbrecherquote 5 bis10 %. Wir liegen momentan bei einer Abbrecherquote von 16 %. Zu sagen, es werden mehr eingestellt, deshalb steigt automatisch die Abbrecherquote, finde ich als Erklärungsansatz ziemlich eindimensional.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich finde, man muss sich damit auseinandersetzen: Was sind denn die Ursachen für die Abbrecherquote? Solange Sie, Herr Reul, diesen Ursachen nicht auf den Grund gehen und nicht ernsthaft daran

arbeiten, die Abbrecherquote zu senken, solange müssen wir davon reden, dass von den 2.500 nur 2.100 ankommen. Das ist doch die Realität. Das können wir doch nicht hinnehmen. Wir müssen darüber sprechen,

(Zuruf von Marc Lürbke [FDP])

wie man die Abbrecherquote senken kann. Solange Sie nicht anfangen, die Ursachen zu erforschen und ernsthaft zu versuchen, die Abbrecherquote zu senken, ist das eine Luftbuchung, die Sie hier vornehmen. Und das wissen Sie auch.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir alle wissen, dass die hohen Einstellungszahlen natürlich zur Folge haben, dass die Aus- und Fortbildungskapazitäten bei der nordrhein-westfälischen Polizei nahezu ausgereizt sind.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Das LAFP hat den Ausbildungsbetrieb sehr erfolgreich umgestellt, aber das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir insgesamt bei der Polizei einen hohen Fortbildungsbedarf haben. Der Fall Lügde – wir haben das hier ausführlich diskutiert – hat uns das für einen bestimmten Bereich noch einmal deutlich vor Augen geführt. Wie Sie diesem Fortbildungsbedarf insgesamt begegnen wollen, darauf haben Sie meines Erachtens keine schlüssigen Antworten, Herr Reul.

(Zuruf von Herbert Reul, Minister des Innern)

Ich will gerne beispielhaft zwei Bereiche herausgreifen, woraus hervorgeht, wie leichtfertig Sie mit Fortbildungsbedarfen umgehen.

Erstes Beispiel ist das Programm „Spezialisten zu Polizisten“. Sie wollen, dass in die Direktionen „Kriminalpolizei“ und „Verkehr“ frisch ausgebildete Polizeibeamtinnen und -beamte gesteckt werden, um diese Bereiche zu stärken. Das klingt gut – keine Frage –, aber auch hier steckt der Teufel im Detail.

Sie wollen neue Fortbildungsmodule für diese jungen Beamten konzipieren. Ich finde es, ehrlich gesagt, nicht nachvollziehbar, warum Sie bei den angehenden Kripobeamten nicht auf die bewährte „Einführungsfortbildung K“ zurückgreifen. Sollte sich herausstellen, dass auf Kosten dieser neuen Fortbildung für die neuen Beamtinnen und Beamten, die direkt in die Direktionen „Kriminalpolizei“ und „Verkehr“ gehen sollen, andere Kripo-Fortbildungen ausfallen müssen,

(Herbert Reul, Minister des Innern: Nein!)

dann wäre Ihr angekündigtes Programm eine Luftbuchung. – Sie sagen hier „Nein“, aber im Ausschuss konnten Sie es leider nicht erklären. Ich bin jetzt gespannt, wie Sie damit umgehen. Aber es wäre eine Luftbuchung, wenn dafür andere Fortbildungen im Bereich „Kriminalität“ ausfallen würden.

Ein zweites Beispiel für das Thema Fortbildung: Stichwort Bodycams. Die Evaluation der Bodycams hat eindeutig ergeben, dass sie eine deeskalierende Wirkung haben können und damit in manchen Situationen auch einen Schutz für Polizeibeamtinnen und -beamte darstellen können. Allerdings kommt die Studie auch zu dem Schluss, dass sich das Verhalten der Polizeibeamtinnen und -beamte mit Einschalten der Kamera verändert und sie dann zum Teil sogar häufiger angegriffen werden. Das wäre völlig kontraproduktiv.

Wie durchbricht man diese Wirkung? – Man durchbricht sie durch Fortbildung. Nur wie diese Fortbildung gewährleistet werden soll, blieb im Innenausschuss völlig offen. Stattdessen werden die Bodycams jetzt für viel Geld in die Fläche getragen und ausgerollt – natürlich ohne eine ausreichende Fortbildung anzubieten.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Damit wird die wissenschaftliche Evaluation ignoriert. Das finde ich persönlich unverantwortlich gegenüber unseren Polizistinnen und Polizisten, weil Sie ihnen mit den Bodycams eine Sicherheit vorgaukeln. Im schlimmsten Fall werden sie sogar aufgrund der Bodycam angegriffen. Das ist ideologiebetriebene Politik,

(Beifall von den GRÜNEN – Lachen und Wi- derspruch von der CDU)

die wissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert und im Zweifelsfall zu einer Gefährdung unserer Polizei führt.

Ich freue mich, Herr Hovenjürgen, dass Sie so viel Spaß bei der Diskussion haben. Vielen Dank für das aufmerksame Zuhören.

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von CDU, der SPD und der FDP – Glocke)

Das Thema Ideologie, damit sich Herr Hovenjürgen weiter freuen kann, ist auch das richtige …

Frau Kollegin Schäffer, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Herr Dr. Katzidis würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Immer sehr gerne.

Liebe Frau Kollegin Schäffer, ich würde gerne auf eine andere Sache ganz kurz zurückkommen, bevor es zu ideologisch wird. Ist es nicht zutreffend, dass sich 2003 zu der Zeit der Regierung Steinbrück die Einstellungszahlen auf ungefähr 1.100 beliefen und dann im Jahre 2004 unter der Regierung Steinbrück auf 500? Ist das zutreffend oder nicht zutreffend?

Ach, Herr Katzidis, das sind doch olle Kamellen. Das haben wir im letzten Jahr schon diskutiert.

(Heiterkeit von den GRÜNEN und der SPD – Lachen und Widerspruch von der CDU und der FDP)

Warten Sie doch mal die Antwort ab.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Ich meinte mit „ollen Kamellen“ nicht, dass ich das wegdiskutieren will. – Herr Katzidis, jetzt hören Sie bitte aber auch zu, wenn ich Ihre Frage beantworte.

(Zurufe – Unruhe – Glocke)

Es bezog sich darauf, dass Sie mir genau die gleiche Frage schon im letzten Jahr gestellt haben. Ich habe mir noch einmal das Plenarprotokoll vom letzten Jahr durchgelesen, um mich vorzubereiten. Es gehört ja auch dazu, dass man sich vor so einer Debatte vorbereitet. Genau diese Frage haben Sie mir letztes Jahr schon einmal gestellt.

(Zurufe – Glocke)

Ich kann es Ihnen, wie im letzten Jahr, gerne noch einmal erklären: Damals wurden die Einstellungszahlen reduziert, und gleichzeitig wurden – das ist jetzt wichtig – die Arbeitszeiten erhöht. Dadurch gab es einen Ausgleich der Stellen durch die Erhöhung der Arbeitszeit.

(Zuruf von Ralf Witzel [FDP] – Mehrere Zurufe von der CDU)