Protocol of the Session on November 27, 2019

Die Zahl der Inobhutnahmen steigt kontinuierlich an. Die Qualität der Jugendämter in Nordrhein-Westfalen gerät immer häufiger ins Visier.

Die Landesregierung will NRW zum Land der Chancen machen, so wie Sie es kürzlich auch im Ausschuss gesagt haben. Indiz dafür soll wohl der Twitter-Kanal unter selbigem Namen sein. Ihr Haushalt ist aus unserer Sicht kein ausreichender Beitrag dazu. Deshalb lehnen wir ihn ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Dworeck-Danielowski. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung Herr Minister Dr. Stamp das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung will Nordrhein-Westfalen zum Land der Chancen machen. Dabei stellen wir die Familien, Kinder und Jugendlichen in unserem Land in den Mittelpunkt unserer Politik. Wir investieren in meinem Ressort im Bildungsbereich so viel wie noch nie zuvor in der Geschichte unseres Landes. Für mich ist daher der Haushaltsentwurf 2020 für den Einzelplan 07 der Chancenhaushalt der Landesregierung; Kollegin Paul hat es eben schon vorweggenommen.

Bei uns in Nordrhein-Westfalen sollen Kinder von klein auf bestmögliche Chancen und individuelle Förderung erhalten, und zwar unabhängig von der Herkunft ihrer Eltern. Wir setzen deshalb im Haushalt 2020 einen klaren Schwerpunkt auf die frühe Bildung. Mit der Reform des Kinderbildungsgesetzes, mit der wir morgen in die zweite Lesung gehen, wollen wir die Qualität der Kindertagesbetreuung in unserem Land deutlich verbessern.

Ich bin davon überzeugt, dass diese KiBiz-Reform eine Erfolgsgeschichte für unser Land wird – mit fast 1 Milliarde Euro mehr für die Betreuungsqualität und für ein weiteres Jahr Elternbeitragsfreiheit. Ich möchte an dieser Stelle allen ganz herzlich danken, die mitgeholfen haben, dass wir eine solche große Reform zusammenbinden und auf den Weg bringen konnten.

Wir wollen damit die Bedingungen der Kindertagesbetreuung zum Wohle der Kinder und Jugendlichen in Nordrhein-Westfalen und natürlich auch die Arbeitsplatzsituation der Erzieherinnen und Erzieher, die in diesem Land eine hervorragende und herausragende Arbeit leisten, deutlich verbessern.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Lassen Sie mich kurz die wichtigsten Punkte dieses Reformpakets nennen:

Wir wollen, dass die Kindertagesbetreuung auskömmlich finanziert ist. Das ist ein ganz zentraler Schritt. Dafür stellen Kommunen und Land ab dem Kindergartenjahr 2020/2021 je zur Hälfte jährlich insgesamt rund 750 Millionen Euro zusätzlich bereit.

Eine enorm wichtige Weichenstellung für die Zukunft ist dabei auch, dass die Kindpauschalen erstmals nach einem Index – gemäß der realen Kostenentwicklung – dynamisiert werden. Die jährliche Anpassung erfolgt entsprechend den tatsächlichen Tariferhöhungen und Kostenentwicklungen.

Außerdem sorgen wir dafür, dass für die gesamte Qualität in den Einrichtungen wichtige Leitungszeit erstmals gesetzlich verankert und finanziell abgesichert wird.

Wichtig ist uns auch, mit zusätzlichen Mitteln mehr Flexibilität in der Kindertagesbetreuung zu ermöglichen. Dafür werden im Haushalt 2020 rund 20 Millionen Euro veranschlagt. Die Kommunen erhöhen diesen Beitrag um 25 %. Sie entscheiden, wie die Flexibilität vor Ort ausgestaltet wird. So können gezielt dort Angebote unterbreitet werden, wo die Betreuungsbedarfe über die vorhandenen Regelangebote hinausgehen.

Rund 30 % der U3-Plätze in Nordrhein-Westfalen sind Plätze in der Kindertagespflege. Unter anderem durch die erstmalige finanzielle Absicherung von Vor- und Nachbereitungszeiten und durch Fortbildungsstunden für alle Kindertagespflegepersonen

wird die Kindertagespflege flächendeckend professionalisiert und weiterentwickelt.

Familien mit Kleinkindern in Nordrhein-Westfalen werden ab dem Kindergartenjahr 2020/2021 durch ein weiteres elternbeitragsfreies Jahr zielgenau und spürbar entlastet. Der Einnahmeausfall der Kommunen in Höhe von gut 200 Millionen Euro pro Jahr wird ihnen vollumfänglich erstattet.

Insgesamt stehen in Nordrhein-Westfalen im Haushaltsjahr 2020 mehr als 3,8 Milliarden Euro Landesmittel für die Kindertagesbetreuung zur Verfügung. Im Haushaltsjahr 2020 fließen dabei rund 250 Millionen Euro über das sogenannte Gute-KiTa-Gesetz des Bundes nach Nordrhein-Westfalen.

Auch der Ausbau der Plätze muss weitergehen. Dafür werden wir sorgen. Wir geben eine Platzausbaugarantie. Jeder notwendige zusätzliche Betreuungsplatz für einen bedarfsgerechten Ausbau vor Ort wird bewilligt und investiv gefördert. Dafür stehen jährlich mindestens 115 Millionen Euro zur Verfügung. Und weil ich gestern noch einmal gefragt worden bin, ob das tatsächlich eine Zusage ohne Deckel ist, sage ich: Ja, es ist eine Zusage ohne Deckel. Es ist eine Platzausbaugarantie. Wenn mehr Gelder benötigt werden, dann werden auch noch mehr Gelder dafür zur Verfügung gestellt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die zentrale Herausforderung der nächsten Jahre wird der steigende Fachkräftebedarf sein. Wir wollen die beteiligten Partner noch in diesem Jahr dazu einladen, über die bisher bereits umgesetzten Schritte hinaus Maßnahmen zu erörtern und anzustoßen, die den Personalbedarf in den Kindertageseinrichtungen kurz-, mittel- und langfristig sichern. Zu den Gesprächen wurde schon eingeladen, sie sind auf Fachebene angelaufen. Ich bin guter Dinge, dass wir hier ein erfolgreiches Konzept vorlegen werden.

Meine Damen und Herren, der Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt ist eine elementare gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die abscheulichen Verbrechen von Lügde und Bergisch Gladbach führen uns brutal vor Augen, welche Herausforderungen vor uns liegen.

Ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit in diesem Bereich bedanken. Das ist kein Thema für Parteipolitik. Ich freue mich, dass das in unserem Ausschuss bisher von allen so gehandhabt wurde. – Vielen Dank dafür.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir werden dieses Thema in Nordrhein-Westfalen gemeinsam mit aller Kraft angehen. Dafür brauchen wir umgehend insbesondere Präventionsmaßnahmen. Wie Sie wissen, habe ich dazu ein Impulspapier vorgelegt. Als erste konkrete Maßnahme meines

Hauses bereiten wir die Einrichtung einer Landesfachstelle vor, die in diesem Haushalt bereits etatisiert ist.

Meine Damen und Herren, in der ersten Hälfte der Legislaturperiode haben wir im Bereich Familie, Kinder und Jugend schon viel erreicht. So haben wir etwa, wie wir es versprochen hatten, den Kinder- und Jugendförderplan finanziell abgesichert, die Mittel dynamisiert und dauerhaft Planungssicherheit geschaffen.

Wir haben aber auch noch viel vor. Es ist noch vieles in der Planung und Umsetzung.

So wollen wir in der Familienpolitik die Selbstbestimmung beim individuellen Kinderwunsch weiter stärken. Wir haben den Zugang zur Reproduktionsmedizin für Menschen mit unerfülltem Kinderwunsch erleichtert und ab dem 30. August die Förderung ermöglicht. Es sind noch keine drei Monate vergangen, und es wurden bereits über 1.000 Anträge gestellt. Das bestätigt eine hohe Nachfrage in diesem Bereich. Mit dem Haushalt 2020 können wir die Mittel erfreulicherweise auf 5,55 Millionen Euro erhöhen.

Der Unterhaltsvorschuss leistet einen wichtigen Beitrag zur finanziellen Unterstützung Alleinerziehender, der Gruppe von Familien, die am häufigsten, wie wir wissen, von Armut bedroht ist. Mit der Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes zum 1. Juli 2017 ist der Kreis der Berechtigten erheblich erweitert worden. Die Landesregierung bringt hierfür ganz erhebliche Mittel auf.

Seit Juli 2019 ist außerdem der Rückgriff bei den Unterhaltsschuldnern für Neufälle beim Landesamt für Finanzen zentralisiert. Ich gehe davon aus, dass mit diesem Schritt künftig alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Unterhaltsansprüche von Kindern tatsächlich durchzusetzen.

Das Thema „LSBTIQ“, das wissen Sie, liegt mir sehr am Herzen. Deshalb freue ich mich sehr darüber, dass wir es geschafft haben, neuen Schwung in dieses Politikfeld zu bringen, nicht einfach nur fortzuschreiben, wie vorhin gesagt wurde. Um nur einige Punkte zu nennen:

Wir haben die Landesmittel für die geforderten Dachverbände, die Koordinierungs- sowie Beratungsstellen auf Rekordniveau angehoben.

Wir haben uns für die Aufarbeitung der Geschichte antihomosexueller Gesetzgebung eingesetzt und die Wanderausstellung „Im Namen des Volkes!? § 175 StGB im Wandel der Zeit“ gefordert. Ich glaube, dass das ein wichtiger gesellschaftlicher Beitrag ist.

Wir haben verschiedene Möglichkeiten, verschiedene Maßnahmen zum Schutz und zur Stärkung von Menschen aus der LSBTIQ-Community vorgenommen und vor allem die Unterstützung Geflüchteter,

die dieser Gruppe angehören, initiiert, die häufig vor ganz besonderen Herausforderungen stehen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Außerdem wird derzeit der neue Aktionsplan „Impulse 2020 für queeres Leben in Nordrhein-Westfalen“ erstellt.

Wir haben ein sehr vielfältiges Ministerium mit sehr unterschiedlichen Facetten. Aber unsere Politik ist von dem Geist geprägt, dass wir individuelle Chancen schaffen wollen, um die Wege in unserer Gesellschaft selbstbestimmt gehen zu können. Das ist ein wichtiger Auftrag. Wir versuchen, ihn zu erfüllen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Dr. Stamp. – Als nächster Redner hat nun für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Müller das Wort. Bitte sehr.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Brockmeier, kurz zu Ihren Ausführungen: Heute ausbleibende Investitionen sind nichts anderes als Schulden der Zukunft. Das wäre doch mal ein spannender Diskurs zum Thema „Generationengerechtigkeit“, den wir vielleicht im Ausschuss weiterführen können.

(Beifall von der SPD)

Meine restliche Redezeit möchte ich auf das Thema „LSBTIQ“ verwenden. Noch immer werden Lesben, Schwule, Trans*-, Inter*- und queere Menschen Opfer von physischer und psychischer Gewalt, sie werden ausgegrenzt und diskriminiert. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, sich dem entgegenzustellen und für Schutz, Sichtbarkeit, Akzeptanz und vollständige Gleichstellung zu sorgen.

Ich bin sehr froh, dass es unter den Demokratinnen und Demokraten hier in diesem Haus einen Konsens über genau diese Frage gibt. Herr Minister Stamp, dafür will ich Ihnen ausdrücklich danken und Ihnen unsere Unterstützung anbieten.

(Beifall von der SPD)

Diese Kontinuität ist wichtig, aber sie allein reicht nicht aus. Es braucht auch neue Impulse über das Erreichte hinaus. Diesbezüglich bin ich mir nicht ganz sicher, ob alle in diesem Kabinett mit dem gleichen Engagement unterwegs sind, mit dem Sie unterwegs sind. Es reicht eben nicht, die Verantwortung an einen liberalen Minister zu delegieren; denn Queerpolitik ist immer auch Querschnittspolitik.

Ich will Ihnen einige Beispiele nennen.

Im Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb steht etwas vom Diversity Management der Landesverwaltung, das auch Trans*- und Inter*Menschen in den Blick nehmen soll. – Wie soll das aussehen? Davon hat Ministerin Scharrenbach auch heute noch keine konkrete Vorstellung. Die bisherigen Antworten lassen einen fast glauben, dass die Ministerin ganz überrascht war, dass sie überhaupt dafür zuständig ist.

Wie sieht es mit der Unterstützung der CSD in unserem Land aus? Sind sie nicht im besten Sinne Heimat? Ganz offensichtlich setzt die Landesregierung da aber andere Prioritäten. Oder welche besonderen Akzente setzt Ministerin Pfeiffer-Poensgen in der queeren Kultur? Ich kenne keine.

(Vereinzelt von Beifall von der SPD)