Protocol of the Session on June 27, 2019

Aus diesem Grund wurden bereits die Mittel für sozialpolitische Maßnahmen und den Kampf gegen Armut für das laufende Haushaltsjahr deutlich erhöht: um 3 Millionen Euro auf 8,12 Millionen Euro.

Da wohnungslose Menschen häufig unter gesundheitlichen Problemen leiden und der Zugang zu medizinischer Versorgung eingeschränkt ist, gab es im vergangenen Jahr ein Sonderprogramm in Höhe von 850.000 Euro für eine bessere medizinische Versorgung.

Im letzten Winter stellte das Ministerium erstmals Mittel in Höhe von 100.000 Euro für Kältehilfen zur Verfügung. Diese Maßnahme wird jetzt im Rahmen des vorliegenden Handlungskonzepts verstetigt.

Die Gründe, die zu Obdach- und Wohnungslosigkeit führen, sind vielschichtig; der Minister hat viele Gründe genannt, die ich nicht alle wiederholen will. Der Gedanke, diese Menschen seien an ihrer Situation selbst schuld oder sie wollten es gar so, ist natürlich völlig falsch.

Es sind häufig finanzielle Probleme, es sind prekäre Familienverhältnisse wie zum Beispiel Gewalt in der Familie, die das Verlassen der häuslichen Umgebung erforderlich machen. Es sind Erkrankungen, Suchterkrankungen, die den Menschen bei der Bewältigung ihrer Lebensverhältnisse überfordern.

Dabei ist der Wohnungsverlust – wir haben das von Herrn Laumann eben auch sehr deutlich gehört – durchaus vermeidbar, wenn Hilfe frühzeitig einsetzt. Es fehlt oft an Wissen darüber, was zu tun ist. In der Krise, in der sich die Betroffenen befinden, macht sich lethargische, vielleicht hoffnungslose depressive Handlungsunfähigkeit breit. Hier muss Hilfe ansetzen.

Deshalb ist es richtig, dass eine Handlungsvereinbarung mit der Wohnungswirtschaft getroffen worden ist, denn es sind häufig Mietschulden, die zur Kündigung des Mietverhältnisses und in der Folge zur Räumung der Wohnung führen.

Mietschulden können aber mithilfe des Sozialamts oder des Wohnungsamts einer Gemeinde ausgeglichen werden mit der Folge, dass Kündigungen vermeidbar bzw. unwirksam werden. Dazu ist es aber erforderlich, dass Wohnungsämter und Jobcenter frühzeitig von der Kündigung oder der Gefahr einer Kündigung erfahren und Hilfe sofort einsetzt.

Wie sinnvoll vorbeugende Maßnahmen sind, zeigt sich durchaus auch in Düsseldorf. Gemäß eines Presseartikels von Anfang des vergangenen Jahres ist die Zahl der Zwangsräumungen im Vergleich zu anderen Großstädten auf extrem niedrigen Niveau. Rund 50 % der Wohnungsnotfälle konnten vor Einreichung einer Räumungsklage geklärt werden.

Aus meiner eigenen anwaltlichen Praxis kann ich sagen, dass ich früher sehr häufig mit Räumungsklagen befasst war. Dahinter verbergen sich dramatische Lebenssituationen.

Die Anzahl dieser Räumungsklagen hatte sich aber schlagartig verringert, als Wohnungsunternehmen dazu übergegangen sind, Sozialarbeiter einzustellen oder Schuldnerberatung zu organisieren, Menschen, die sich um die Fälle kümmerten und dafür sorgten, dass zum Beispiel durch Ratenzahlungsvereinbarungen und Schuldnerberatung die Mietschulden beglichen werden konnten und damit die Räumung der Wohnung verhindert werden konnte. Ein Blick in die Geschäftsberichte der Wohnungsunternehmen belegt diese Zahlen im Übrigen.

Notwendig sind niederschwellige und aufsuchende Angebote, die sensibel der Tatsache gerecht werden, dass sich manch einer schwertut mit dem Gedanken, Hilfe anzunehmen oder zum Beispiel im Winter in eine Notunterkunft zu gehen.

Diese Menschen dürfen nicht mit dem Gedanken „selbst schuld“ alleingelassen werden. Das Konzept „Endlich ein ZUHAUSE“ bündelt die zahlreichen Aspekte von Obdach- und Wohnungslosigkeit und bietet damit die Möglichkeit zielgruppenspezifischer Lösungsansätze. Dafür herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU)

Eines der übergeordneten Ziele – sie sind auch schon genannt worden – ist die Sicherung der Wohnung. Dabei steht der Präventionsgedanke an allererster Stelle. Wie geschildert brauchen wir ein Frühwarnsystem, und zwar flächendeckend, das auf einer guten Vernetzung der beteiligten Stellen basiert.

Es geht natürlich auch um die Wohnungsbeschaffung und speziell um die Versorgung wohnungsloser Menschen. Aber es geht auch darum, die alltägliche Lebenssituation der betroffenen Menschen durch individuelle Hilfe zu verbessern.

Eben ist das Thema „Stiftung Wohlfahrtspflege“ angesprochen worden: Ich kann zusagen, dass wir uns

mit dem Thema intensiv beschäftigen werden und dann schauen, wo wir dort Hilfe organisieren können.

Das vorliegende Konzept ist praxisorientiert. Gesundheitliche und psychische Probleme, Suchterkrankungen oder Schwierigkeiten der Existenzsicherung bei den Betroffenen finden ebenso Beachtung wie zum Beispiel das Thema „Wohnen“ und die Unterstützung der Kommunen. Praxisnah sind Maßnahmen wie Kooperationsvereinbarungen mit der Wohnungswirtschaft bis hin zur Kältehilfe.

Mit diesem Konzept wird die Basis dafür geschaffen, der Entwicklung der vergangenen Jahre endlich effektiv entgegenzutreten. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion der Grünen hat nun der Kollege Mostofizadeh das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe eben ein bisschen den Faden beim Kollegen Preuß gesucht, wo die Verbindung zu dem gewesen ist, was der Minister uns vorgetragen hat. Ich will versuchen, eine gewisse Verbindung zu bekommen.

Einen Punkt in Ihrem Konzept, Herr Minister Laumann, muss ich sehr lobend erwähnen; er ist auf Seite 6 zu finden. Ich will es der geneigten Öffentlichkeit mal vortragen.

„Aber für diejenigen, bei denen die Wohnungsnotlage mit vielen weiteren Schwierigkeiten verbunden ist, müssen auch die Angebote komplexer sein. Um Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit zu beseitigen, den Eintritt zu vermeiden, müssen Wohnungsnothilfen ebenso wie gesundheitliche, pflegerische oder sozialpsychiatrische Hilfen schnell und leicht zugänglich sein und auf anderen Wegen als bisher – zum Beispiel frühzeitig beratend im Quartier oder aufsuchend auf der Straße – erbracht werden.“

Das ist genau das Konzept, was Sie in den letzten zwei Jahren eben nicht verfolgt haben. Ich lobe Sie ausdrücklich dafür, dass das jetzt in diesem Konzept steht. Vielen Dank, Herr Minister.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Karl-Jo- sef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales)

Ich will das auch gar nicht zum parteipolitischen Geplänkel machen. Vielleicht kurz vorweg, in welcher Situation wir im Moment sind: Zutreffend beschrieben ist, dass die Zuwanderung dazu führt, dass na

türlich auch statistisch mehr Menschen als obdachlos oder wohnungslos geführt werden, die in Übergangseinrichtungen leben.

Was ich ausdrücklich nicht teile, was in der Broschüre steht, ist die Feststellung, dass sie weitgehend in vernünftigen Unterkünften untergebracht worden sind. Der Zustand – ich will jetzt keine Schuldzuweisungen machen – kann allenfalls vorübergehend geduldet werden.

Die meisten Menschen, die in Übergangseinrichtungen leben, leben in viel zu kleinen Übergangseinrichtungen in nicht zumutbaren Zuständen. Das muss geändert werden. Auch diese Menschen brauchen dringend eine Wohnung und eine respektable Unterkunft, Herr Minister Laumann.

Aber um auch noch einmal zu adressieren, was das Thema Wohnungslosigkeit betrifft: Wir haben zwei Anträge hier im Landtag eingebracht, nämlich zum einen, um Wohnungslosigkeit zu bekämpfen und Strukturen zu schaffen – ein Gesamtkonzept, das wir vor ungefähr eineinhalb Jahren hier im Landtag eingebracht haben und das auch in einer Sachverständigenanhörung ausführlich diskutiert wurde.

Der zweite Antrag, den wir eingebracht haben, befasst sich mit dem speziellen Aspekt der Wohnungslosigkeit von Frauen. Ich will das an dieser Stelle noch einmal betonen, weil auch das – wie ich finde – zutreffend von Ihnen beschrieben worden ist:

Wohnungslosigkeit von Frauen heißt sehr häufig, dass sich Frauen eine Unterkunft dadurch ermöglichen – ich will es einmal so ausdrücken –, dass sie sich der Prostitution, der Abhängigkeit und auch der Zwangsstrukturen von männlichen Bekannten,

Freunden – oder wie auch immer man sie nennen will – hingeben müssen.

Deswegen ist eine rein quantitative Betrachtung hier nicht ausreichend, sondern man muss qualitativ hingucken. Ich finde das sehr richtig aufgenommen, und das müssen wir als Land sehr intensiv fortführen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Woher kommt das Ganze? Wir haben auch durch Zuwanderung, aber auch durch die Politik eine Situation, die dazu führt, dass der sozial geförderte Wohnraum nicht in dem Maße gefördert wird, wie man das könnte.

Ich will jetzt nicht mit 1,3 Millionen Euro oder mit 1,1 Millionen Euro kommen, und eine Schwerpunktsetzung dahin gehend, Eigentum zu fördern, mag man in Normallagen machen. Es ist für mich auch überhaupt keine moralische Betrachtung, ob man im Eigentum wohnt oder zur Miete.

In einer Situation, in der deutlich mehr Wohnungen aus dem Mietwohnungsbau aus der Förderung herausfallen, dann aber noch einen Schwerpunkt für

den Eigentumsbau zu setzen, ist schlicht eine falsche Prioritätensetzung, die dazu führt, dass Menschen aus den Wohnungen herausgedrängt werden und die Wohnungslosigkeit noch forciert wird. Das müssen wir anders machen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ein Thema will ich auch noch ansprechen, weil es in diesem Kontext dazugehört: die Diskussion um die Landesbauordnung. Dazu will ich die beiden Punkte, die mir an dieser Stelle wichtig sind, noch einmal vortragen, weil Sie es in diesem Konzept wirklich anders beschreiben.

Wir haben vorgetragen: Wir brauchen barrierefreie Wohnungen, und wir müssen systematisch ermitteln, wo wir diese brauchen.

Dazu wurde von Ihnen und insbesondere von den Koalitionsfraktionen allen Ernstes vorgetragen: Wir wollen das gar nicht wissen, und wir wollen gar nicht erheben, wie der Bedarf ist, weil wir sonst möglicherweise handeln müssten. – Das ist zugegebenermaßen eine Zuspitzung; das kann aber doch auch kein Zustand sein.

Barrierefreier Wohnraum muss für diese Landesregierung ein Schwerpunkt sein, damit wir den Menschen, die behindert oder mobilitätseingeschränkt sind, vernünftige adäquate Wohnungen zur Verfügung stellen können, Herr Minister.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Dann komme ich zur konzeptionellen Frage, wie Sie es gemacht haben. Dazu würde ich sagen: In wesentlichen Punkten baut das auf das auf, was Nordrhein-Westfalen in der Frage führend gemacht hat.

Dass die anderen 15 Bundesländer – das will ich an der Stelle einmal deutlich sagen –, die nicht einmal den Bedarf erheben wollen und nicht einmal wissen wollen, wie schwer die Situation ist, ist inakzeptabel.

Ich finde es richtig, dass Sie auf das aufbauen, was Sie in der letzten, also in Ihrer ersten Amtszeit gemacht haben und was Rot-Grün seit 1994 in diesem Lande macht, nämlich eine systematische Erfassung von Wohnungslosigkeit.

Auch Ihre Formulierung vorhin fand ich zutreffend: Auch wenn es schwierig wird, wir über schwierige menschliche Schicksale sprechen und es möglicherweise – ich nenne das einmal – unangenehm wird, was die Betrachtung anbelangt – da bin ich ganz bei Ihnen –, ist die Sozialpolitik gefordert. Es zeigt sich dann, ob eine Gesellschaft willens und in der Lage ist, mit den Ärmsten der Gesellschaft umzugehen. Da haben Sie uns unmittelbar an Ihrer Seite, Herr Minister.