Der Kollege Lürbke hatte es eben schon angesprochen; das Stichwort will ich gerne noch mal aufgreifen: Wir brauchen einen harten Rechtsstaat. Wir sind eine wehrhafte Demokratie. – Und deswegen müssen wir alles daransetzen, dass zum Beispiel die über 600 offenen Haftbefehle gegen Rechtsextreme in Deutschland vollstreckt werden und diese Menschen in Haft kommen.
Aber was können wir selber in den Debatten tun? – Ich meine, das ist fast noch wichtiger. Unsere Demokratie lebt von Wort und Widerwort und dem Ringen um den richtigen Weg. Dabei sollten wir uns immer wieder in Erinnerung rufen, dass niemand hier im Haus – auch ich und meine Fraktion nicht – die Weisheit für sich gepachtet hat.
Wir sollten uns das in den demokratischen Diskussionen immer wieder in Erinnerung rufen. Und dann sollten wir alle gemeinsam daran arbeiten, dass Politik im Alltag von vielen und nicht nur von wenigen erlebbar wird, um so für unsere Demokratie zu werben. – Vielen herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich stelle – und das macht mich sehr froh – eine hohe Gemeinsamkeit in diesem Hause fest. Aber offensichtlich ist zumindest bei einem Redner das Wetter schon ein wenig auf die Debatte durchgeschlagen.
Das macht mich sehr traurig und lässt mich auch ein bisschen sprachlos zurück. Ich habe mir vorgenommen, sprachlich ein wenig abzurüsten. Aber nach dem, was Sie, Herr Wagner, gerade gesagt haben – vom Zeitraum zwischen 1933 und 1945 haben Sie gesprochen –, rufe ich Ihnen ganz ausdrücklich und mit aller Geduld zu: Räumen Sie in Ihren eigenen Reihen auf! – Das täte unserer Demokratie sehr, sehr gut.
Es lässt sich leider Gottes immer wieder das gleiche Muster feststellen. Offiziell bedauern Sie – das haben Sie gerade getan, und das rechne ich Ihnen hoch an –, aber es kommt immer ein großes „Aber“ hinterher.
Dafür werde ich Ihnen ein Beispiel nennen: Die AfDBundestagsfraktion hat, genau wie Sie es gerade gemacht haben, die abscheulichen Morde am Regierungspräsidenten verurteilt. Und dann kommt diese Aussage von Martin Hohmann hinterher:
„... mit dem unkontrollierten und bis heute andauernden Massenzustrom an Migranten nicht gegeben, würde Walter Lübcke noch leben.“
(Beifall von der CDU, der FDP und Alexander Langguth [fraktionslos] – Vereinzelt Beifall von der SPD)
Sie haben das gerade mit den Geländegewinnen verbunden. Das ist genau das, von dem Sie gesagt haben, dass es keiner machen sollte – aber Sie machen es trotzdem. Das halte ich für politisch verwerflich.
Ich hatte eben über die gesunde politische Kultur gesprochen. Wir müssen uns als Abgeordnete, als Politiker jeden Tag hinterfragen und uns die Sprache wirklich bewusst machen. Sie haben gerade noch auf Peter Tauber abgezielt. Die Sprache, die Vorbildfunktion – das ist wirklich wichtig.
Der Ton – darauf möchte ich jetzt nicht weiter eingehen –, die Rügen, all das hat sich auch hier im Hause sehr, sehr, sehr verschärft. Es gab bezüglich der Rügen eine Anfrage des Präsidenten. Ich habe den Eindruck, dass bei Ihnen im Fraktionstrakt mittlerweile eine Galerie dazu besteht, wer die meisten Rügen hat, wer Spitzenreiter im Haus ist, wer sich am unparlamentarischsten verhält.
Das gehört hier nicht hin. So sieht demokratischer Austausch und parlamentarisches Verhalten nicht aus. Einige meiner Vorredner sagten es bereits: Aus Worten werden Taten. – Wir haben es leider Gottes erlebt.
Aber was ist unsere gemeinsame Aufgabe als Demokraten? – Es geht darum, Angriffe auf unser demokratisches System abzuwehren. Genau aus diesem Grund haben wir als CDU-Fraktion eine Enquetekommission zur Zukunft der parlamentarischen Demokratie eingesetzt.
Wir wollen Demokratie aktiv gestalten und zukunftssicher machen. Im Einsetzungsbeschluss steht – und wir diskutieren es in der heutigen Debatte –: Wir beobachten einen Mangel an Glaubwürdigkeit, an Integrität in der Politik, eine sinkende Zustimmung zu Demokratie – auch wenn die Wahlbeteiligungen bei den vergangenen Wahlen wieder gestiegen sind –, das Erstarken von populistischen Strömungen sowie Wut- und Frustbürger.
Es gibt aber auch eine rasant größer werdende Gruppe von Menschen wie die Reichsbürger und die Identitäre Bewegung, die unser Staatsgebilde ablehnen. Auch die Gewalt nimmt immer mehr zu. Darüber diskutieren wir heute. Als Demokraten lehnen wir
Was ist der Kern unserer Demokratie? – Meinungsfreiheit und freie Presse, keine Diffamierungen, keine Ausgrenzungen. Was dürfen wir nicht dulden – auch darüber wurde in den vergangenen Wochen immer wieder diskutiert -? – Beispielsweise, dass es gefährlich sein kann, in der Öffentlichkeit eine Kippa zu tragen, dass der offene Antisemitismus in Deutschland immer mehr Raum einnimmt, und – der Ministerpräsident ging gerade detailliert darauf ein – dass Kommunalpolitiker und Bürgermeister bedroht werden.
Kollege Wolf, ich hatte mir die Zahlen auch aufgeschrieben: 40 % der Kommunalverwaltungen haben Erfahrungen mit Hassmails, 50 % der Verwaltungen und Bürgermeister sind schon bedroht worden – sei es bei Beschimpfungen über soziale Netze oder im privaten Bereich –, 8 % haben schon mit körperlichen Angriffen zu tun gehabt.
Das ist die Bestandsaufnahme, wie Demokratie in Deutschland aussieht. Daran müssen wir unbedingt arbeiten. Denn wenn es so weit gekommen ist, dann haben die Demokratiegegner gewonnen. Das ist das, was wir verhindern wollen.
Abschließend – das treibt mich wirklich um –: Wir haben in der Enquetekommission sehr intensiv und bis zum jetzigen Zeitpunkt auch sehr einmütig diskutiert, dass wir das Vertrauen in unsere Institutionen, in unseren Staat und in unsere Demokratie stärken wollen. Bis auf einen Redner – er wird gleich ja noch einmal reden; vermutlich wird es noch eine Verschärfung geben – habe ich auch heute gesehen: Es geht von den Demokraten ein Signal aus, dass wir hier eine rote Linie ziehen. Daran werden wir uns messen lassen, und daran müssen wir uns halten.
Ich sage das für uns, aber ein Großteil der Politik wird in den Kommunalparlamenten gelebt. Wir müssen den Kommunalpolitikern und ihren Familien den Rücken stärken. Ich habe selbst schon Presseanfragen erhalten, in denen ich gefragt wurde: „Können Sie sich noch frei bewegen? Sie haben zwei kleine Kinder – wie gehen Sie damit um?“ – Ich möchte nicht, dass einer der Familien meiner Kollegen durch Hass und Gewalt Probleme entstehen. Das dürfen wir nicht tolerieren.
Wir haben ein gemeinsames Interesse daran, dass unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung erhalten bleibt, dass wir unsere parlamentarische Demokratie schützen und dass die Erosion unseres Systems mit allen Mitteln aufgehalten wird. Über
diese Fragen machen wir uns zum Glück fraktionsübergreifend Gedanken, und dazu lade ich weiterhin ein.
Abschließend sei mir die Bemerkung gestattet: Sachliche Debatten, anstatt zu poltern, zu hetzen und Wahrheiten zu leugnen, helfen weiter. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
(Beifall von der CDU, der FDP, Alexander Langguth [fraktionslos] und Marcus Pretzell [fraktionslos] – Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)
Vielen Dank, Herr Kollege Voge. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht noch einmal Frau Kollegin Schäffer.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist doch bezeichnend, dass die AfD die einzige Fraktion ist, die zum Mord an Walter Lübcke heute keinen Tagesordnungspunkt beantragt hat.
Der politische Hintergrund der Tat hat durchaus eine sehr hohe Relevanz; denn Walter Lübcke ist aufgrund seiner Haltung ermordet worden. Deshalb muss man es hier so deutlich benennen: Rechtsextremismus und Rassismus können tödlich sein. Es ist die Ideologie des Rechtsextremismus, dazu aufzurufen, Gewalt zu begehen.
Ich möchte Herrn Kutschaty und viele andere, die es ebenso gesagt haben, unterstützen: Wir sprechen heute auch über die Morddrohungen gegenüber Henriette Reker und gegenüber Andreas Hollstein. Ich finde es ebenso wichtig, darauf hinzuzweisen, dass auch Menschen aus der Zivilgesellschaft angegriffen werden.
Hier in Nordrhein-Westfalen gab es im Jahr 2018 über 200 Gewaltdelikte: An mehr als jedem zweiten Tag wird in NRW ein Mensch Opfer rechter Gewalt. Menschen werden aufgrund ihres Migrationshintergrundes, aufgrund ihrer Religion, aufgrund ihrer sexuellen Orientierung angegriffen. Ich finde es wichtig – so verstehe ich auch die heutige Debatte –, dass alle Opfer rechter Gewalt die Solidarität der demokratischen Gesellschaft erfahren.