Untersuchungsausschuss sind bereits benannt worden. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass wir im NSU-Untersuchungsausschuss eine wirklich sehr gute und breite fraktionsübergreifende Zusammenarbeit hier im Landtag hatten. Ich bin der Meinung, dass man daraus noch viel ziehen kann.
Wir haben gemeinsam einen ganzen Katalog von Handlungsempfehlungen für die Sicherheitsbehörden, für den Umgang mit Rechtsextremismus und für die Unterstützung von Opfern rechter Gewalt aufgestellt. Diese müssen jetzt umgesetzt werden.
Ich weiß, dass das Innenministerium und Herr Reul davon ausgehen, sie seien bereits umgesetzt. Das ist aber nicht der Fall. Ich kann an mehreren Stellen deutlich machen, dass nicht alle Handlungsempfehlungen umgesetzt worden sind. Ich nenne Ihnen ein Beispiel.
Wir haben gesagt, dass Opfer rechter Gewalt unterstützt werden müssen. Wir haben dafür schon im Jahr 2011 zwei Opferberatungsstellen in NordrheinWestfalen eingerichtet, und wir haben immer gesagt – auch im NSU-Untersuchungsausschuss –, dass wir wollen, dass Polizeibehörden Opfer rechter Gewalt proaktiv auf diese Stellen aufmerksam machen. Das geschieht bis heute immer noch nicht.
Das war nur ein Beispiel, und ich will Sie, Herr Reul, und die Landesregierung bitten: Setzen Sie diese Handlungsempfehlungen um. Wir haben sie gemeinsam mit CDU, FDP, SPD, Piraten und uns Grünen erarbeitet. Ich meine, darin steckt viel Gutes. Bitte sorgen Sie dafür, dass sie umgesetzt werden.
Herr Laschet, Sie haben zu Recht gesagt, dass es sich um den ersten politischen Mord an einem Staatsvertreter handelt. Das ist von hoher Relevanz. Natürlich sollte dieser Mord dazu dienen, dass all diejenigen, die auf den verschiedenen staatlichen Ebenen Politik betreiben – viele von ihnen auf ehrenamtlicher Basis –, eingeschüchtert werden, wenn sie eine klare Haltung zeigen und klar die Werte unseres Staates vertreten. Deshalb ist es wichtig, es so klar zu benennen: Das war der erste politische Mord an einem Staatsvertreter.
Wenn wir über den Rechtsextremismus diskutieren, kommt mir immer ein Zitat von Jens Stoltenberg in den Sinn. Er hat nach diesen furchtbaren Anschlägen im Jahr 2011 in Norwegen auf ein politisches Jugendcamp auf der Insel Utøya und in Oslo gesagt: „Unsere Antwort lautet: Mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit.“
Für mich ist das keine Floskel – ganz im Gegenteil. Für mich ist dieses Zitat ein Handlungsauftrag, den wir alle zu erfüllen haben. – Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Laschet, der menschliche Anstand gebietet es, dass jede Debatte nach dem Tod eines Menschen beendet ist. – Da gebe ich Ihnen recht.
Ich stelle mir nur die Frage, warum Sie mit diesem Ansinnen weder bei Herrn Tauber noch bei Frau Kramp-Karrenbauer durchgedrungen sind; denn die haben diesen Mord zum Anlass genommen, um eine Debatte zu eröffnen und den politischen Gegner in einer Art und Weise herabzuwürdigen, die kaum noch auszusprechen ist.
Frau Schäffer, alle Opfer politischer Gewalt benötigen die Solidarität der Politik. Ich habe beispielsweise nicht einen von Ihnen irgendein verurteilendes Statement abgeben hören, als auf indymedia.org die Anleitung zur Ermordung von AfD-Politikern veröffentlicht worden ist. Ich habe niemanden von Ihnen protestieren hören, nachdem die Bundesregierung im Rahmen der Beantwortung einer Kleinen Anfrage festgestellt hat, dass die Hauptopfer politischer Gewalt Männer und Frauen der AfD sind.
Alleine im ersten Quartal 2019 haben sich 114 von 217 Straftaten gegen Politiker und Politikerinnen der AfD gerichtet. Dass dabei kein Mensch zu Tode gekommen ist, sondern die Betroffenen zum Teil nur schwer verletzt worden sind, ist sicherlich eher glücklichen Umständen zu verdanken.
Vor dem Hintergrund der Kausalkettenlogik eines Herrn Tauber müssten wir doch auch hinterfragen, ob nicht Ihre verbalen Angriffe auf die AfD der Grund dafür sind, dass AfD-Politiker zu den häufigsten Opfern politischer Gewalt in Deutschland zählen.
Sind Sie mitschuldig an unseren Opfern? Beantworten Sie erst einmal diese Frage und überprüfen Sie Ihre eigenen Argumente bzw. die Ihres Parteifreundes Tauber.
Das Problem begann tatsächlich 2015. Ich kann Ihnen auch sagen, warum. Damals ist die Stimmung in einem rasanten Ausmaß gekippt, als fortdauernd und gegen das Grundgesetz verstoßend die Grenze nicht anständig geschützt worden ist und der Kontrollverlust ausbrach. Jeder, der das sah und vor den Folgen warnte, wurde in die Nazi-Ecke gestellt. Das
Wenn Sie dazu noch genauere Erläuterungen brauchen, dann empfehle ich Ihnen, das zu lesen, was der CDU-Staatsrechtsprofessor und ehemalige Verteidigungsminister Rupert Scholz zu diesem Thema gesagt hat. Auch der Chef der Bundespolizei und der mittlerweile ehemalige Verfassungsschutzchef wurden mit dieser Rhetorik aus der Nazi-Ecke an den Rand gedrängt.
Ich kann Ihnen sagen: Von Ihren perfiden Spielchen, uns in verleumderischer Absicht mit rechtsradikalen Morden in Verbindung zu bringen, lassen wir uns weder heute noch künftig aus der Ruhe bringen. Das wird Ihnen nicht gelingen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Wagner, manchmal ist es besser, man schweigt und hält keine Rede.
(Beifall von der CDU, der FDP, der SPD und den GRÜNEN – Christian Loose [AfD]: Reden Sie von Herrn Tauber oder von wem?)
Wir haben in unserer Gesellschaft und in der Welt Anschläge auf Menschen aus rechter Gesinnung heraus festzustellen. Wir haben in der Welt auch Anschläge aus rechtsradikaler Gesinnung erlebt, bei denen Menschen getötet worden sind.
Und wir stehen nun – der Ministerpräsident hat es vorgetragen – vor dem ersten politischen Mord aus rechtsextremer Gesinnung in Deutschland. Das ist ein ungeheurer, total neuer Vorgang. Ich bin sehr dankbar, dass das Parlament – zumindest in der großen Mehrheit – in der Lage ist, das Thema so zu diskutieren, wie es heute diskutiert wird. Ich möchte dazu noch ein paar Gedanken und Informationen beisteuern.
Erstens. Der Mord an Walter Lübcke kommt nicht aus dem Nichts. Er ist eine furchtbare Konsequenz aus dem, was in den letzten Jahren jeden Tag stattfand und für alle Augen sichtbar ständig präsent war.
Ich spreche von Hass. Hass ist für jede Gesellschaft wie eine Krankheit: ansteckend und virulent, wenn es über soziale Netzwerke tausendmal gelikt, geteilt und verbreitet wird. Lese ich zum Beispiel Kommentare zu Berichterstattungen über Verbrechen – ich meine übrigens nicht nur die verabscheuungswürdigen Kommentare, die das Netz nach dem Mord an Walter Lübcke überflutet haben; da kommt einem die
Galle hoch! –, dann frage ich mich, wieso sich Menschen eigentlich auf einmal trauen, so etwas öffentlich zu äußern: Aufrufe zur Selbstjustiz, Beleidigungen, Menschenverachtendes, durchaus strafrechtlich Relevantes, manchmal auch kurz davor.
Bei den Urhebern handelt es sich nicht nur um den Bodensatz der Gesellschaft. Es ist erschreckend, dass ganz normale Leute im Netz zu verbalen Amokläufern werden. Meine Überzeugung ist, dass dies auch viel mit der politischen Kultur in unserem Land zu tun hat. Da hat sich viel verändert, und zwar radikal. Ich meine kalkulierte Tabubrüche von rechts außen, die nur darauf aus sind, unabhängig vom Wahrheitsgehalt eine möglichst große Reichweite bei den Menschen zu erzielen. Dazu gehört das Schüren von Angst und Hass auf alles Fremde, indem Verbrechen, Unglücke und Not für alle politischen Zwecke missbraucht werden.
Ich wende mich an Sie, Herr Wagner, und an Ihre Partei: Wenn man Feuer legt, dann kann man nachher nicht als Feuerwehrmann herumlaufen und das Feuer beklagen. Dass Sie von Überfremdung schwafeln und nach altbekannten Mustern einen Sündenbock für alles benennen, was Ihrer Meinung nach nicht richtig läuft, ist ein Maß an Scheinheiligkeit, Populismus und Demagogie, das mir zutiefst zuwider ist.
(Beifall von der CDU, der FDP, der SPD und den GRÜNEN – Markus Wagner [AfD]: Fra- gen Sie mal die Opfer Ihrer Politik!)
Wenn ich aber über Hass im Netz rede und darüber, wie sich die Kultur verändert hat, dann gestatten Sie mir einen zusätzlichen, vielleicht auch persönlichen Hinweis. Seitdem ich dieses Amt bekleiden darf, gab es unterschiedliche politische Situationen, in denen ich so etwas selbst erfahren habe. Das gilt auch für manch anderen hier im Saal. Ich habe bei der letzten Sitzung des Untersuchungsausschusses die Frage gestellt, ob nicht der Zeitpunkt erreicht ist, an dem sich alle politischen Kräfte zusammentun und sagen müssten: Egal, woher das kommt, das lassen wir nicht mehr zu!
Wir kümmern uns jetzt mal gemeinsam darum, diesen Hass mit all den vorhandenen Möglichkeiten ein wenig in den Griff zu kriegen.
Vermutlich wird man das nie ganz hinbekommen. Möglicherweise muss man sich dazu auch ein paar neue Instrumente einfallen lassen.
Der Hass ist die Ursache für all das, was jetzt passiert. Was können wir tun, um Menschen dagegen immun zu machen? Das ist das Erste und Einfachste. Das ist eine Riesenaufgabe. Was können
wir tun, damit wir diejenigen ermitteln können, die diesen Hass im Netz verbreiten? Wie kommen wir an sie heran?
Ich weiß – das Wort will ich gar nicht aussprechen –, da gibt es rechtliche Instrumente, die fast tabu sind. Vielleicht kann man die ganz anders nennen. Aber wir brauchen doch irgendetwas, um mehr Zeit zu haben, damit die Polizei ermitteln kann, wer diesen Scheiß ins Netz schreibt!
Natürlich gehört auch das dazu, was eben gesagt worden ist: Druck auf die Provider, das zu löschen, was zu löschen ist und was gelöscht werden muss, damit so etwas gar nicht stattfindet. Da passiert etwas – auch das muss man fairerweise zugeben –, aber offensichtlich noch nicht genug. Dafür gibt es noch viel zu viel von diesen Hassgeschichten.
Ich kann Ihnen nur sagen, dass unsere Landesregierung alles tun wird, was wir tun können – auch ich als Innenminister –, um gegen das vorzugehen, was an rechtsextremen Hass- und Gewalttaten in unserer Gesellschaft passiert.
Wir haben schon einige Maßnahmen in Gang gesetzt. Herr Wolf, ich bin Ihnen dankbar; ich glaube, Sie waren es, der davon gesprochen hat: Wir haben einige Maßnahmen nicht aus Versehen, sondern ganz bewusst fortgesetzt, die die Vorgängerregierung begonnen hat, und zwar weil das richtig war. Und was richtig ist, wird fortgesetzt und nicht infrage gestellt, nur weil es ein anderer schon vorher gemacht hat. Was wäre das denn für ein Unsinn? Wir werden die Doppelstrategie aus Prävention und Repression Stück für Stück ausbauen, auch das steht fest.
Wir haben zum Beispiel beim Verfassungsschutz in dieser Legislaturperiode 90 zusätzliche Stellen geschaffen, davon ein Drittel alleine für den Bereich Rechtsextremismus und Islamismus. Ein weiteres Viertel an Stellen ging in die Aussteigerprogramme. Wir wollen ganz verstärkt auch das Aussteigerprojekt „Spurwechsel“ fortführen und ausbauen.
Ich hatte die Gelegenheit, ein solches Plakat mitten in Dortmund-Dorstfeld zu enthüllen, während auf der anderen Seite diejenigen standen, die dort Hass verbreiten. Wenn man so etwas selber erlebt hat, dann weiß man, dass das Projekt richtig und gut ist. Wenn man mit denjenigen redet, die bei der Soko Dortmund in dieser Richtung unterwegs sind – das ist keine Erfindung von uns, sondern ein gemeinsames Projekt, das vorher begonnen wurde –, dann weiß man, dass das richtig ist und dass diese Polizisten eine super Arbeit machen.