Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es tut mir jetzt wirklich leid, aber ich möchte Ihnen keinen Sand in die Augen streuen: Wir werden hier in NordrheinWestfalen in den nächsten Jahren nicht weniger, sondern mehr Staus bekommen.
Das ist eine Tatsache. Es macht auch überhaupt keinen Sinn, diese Tatsache mit irgendwelchen Zahlenspielereien temporär zu beschönigen. Denn es sollte doch jedem Berufspendler klar sein, dass bei dem Sanierungsstau, den wir auf unseren Straßen haben, und bei der Bautätigkeit, die wir in den nächsten Jahren zu erwarten haben und die unbedingt notwendig ist, natürlich unzählige Baustellen und dementsprechend Verkehrsengpässe, Umleitungen und Staus zu erwarten sind. Es werden harte Zeiten.
Ich glaube, es war vor anderthalb Jahren, als ich in einer meiner ersten Reden zur Verkehrspolitik gesagt habe, dass sich die Berufspendler, die mit dem Pkw in Nordrhein-Westfalen unterwegs sind, in den nächsten Jahren an die Windschutzscheibe schrei
ben müssen: Bevor es besser wird, wird es schlechter werden. – Das ist ein Fakt, den ich einfach mal in den Raum stelle.
Jetzt geht es um die Frage, wie wir die nächsten harten Jahre einigermaßen smart und smooth gestalten können. Da bieten sich mehrere Möglichkeiten an.
Ich erwarte erst einmal ein Staumanagement, das exzellent funktioniert, mit dynamischen Wegweisern, mit integrierten Stauinformationen. Was beispielsweise die Baustellentätigkeit angeht, die Planung und die Ausführung, muss jetzt wirklich auf die Tube gedrückt werden.
Das sind Punkte, die man unbedingt durchdenken muss und die hoffentlich längst in der Planung sind. Inzwischen werden mehr Gelder in die Hand genommen, und das Personal wird aufgestockt. Ich habe schon vor zwei Monaten gesagt: Wenn sich das Baustellenmanagement einigermaßen rechnet, dann ist dieser enorme Aufwand im Nachhinein jeden Cent wert.
Wir dürfen natürlich nicht die Stauursachen ausblenden. Für Staus gibt es mannigfaltige Gründe. Das sind Unfälle, das sind Baustellen, und das ist die Verkehrsdichte, mit der wir in Nordrhein-Westfalen einzigartig in Europa dastehen. Das muss man im Auge haben. Das wird seit 15, 16 Jahren und vielleicht noch länger erbarmungslos vernachlässigt. Das müssen wir wirklich angehen.
Gut, Unfälle können wir nicht vermeiden, jedenfalls nicht gänzlich. Aber wir können die Risiken minimieren.
Da demnächst die Diskussion über ein flächendeckendes Tempolimit kommen wird: Die Deutsche Umwelthilfe begründet diese Forderung mit Umweltaspekten. Aber es gibt sogar innerhalb der SPD und der Grünen keinen Konsens, wie das zu bewerten ist, ob es 0,5 % sind oder sonst etwas.
Das ist natürlich eine Sache, die einfach nicht Hand und Fuß hat, denn die meisten schweren Unfälle finden auf den Landstraßen statt. Auf den Landstraßen – Sie ahnen es – gibt es ein Tempolimit.
Wenn wir andere Zahlen bemühen wollen: Wir haben pro Milliarde gefahrener Kilometer in Deutschland 3,1 Verkehrstote. Das ist noch zu viel. Aber es ist schon mal eine Zahl. In Österreich sind es 4,8 und in den USA sogar 5. In beiden Ländern – Sie ahnen es – gibt es ein Tempolimit. Das können wir also schon einmal im größten Sinne ausschließen. Dementsprechend brauche ich auf einer vierspurigen Autobahn, wenn da niemand ist, nicht mit 120 oder – wenn es nach der DUH geht – mit 80 entlangzutuckern. Das ist Blödsinn.
Zur Verkehrssicherheit: Es gibt natürlich neuralgische Punkte, die man einmal beleuchten müsste. Das passiert auch. An Knotenpunkten, an denen viele Unfälle passieren, muss man auch mit Limits arbeiten. Anfang des Jahrtausends wurde in Brandenburg auf einer Strecke zwischen zwei Autobahnkreuzen ein Tempolimit angeordnet. In den nächsten Jahren gab es viel weniger Unfälle, keine Verkehrstoten mehr. Das ist eine gute Sache.
Jetzt noch einmal zum Baustellenmanagement: Es gibt die Möglichkeit, zu beschleunigen. Es gibt zum Beispiel ganz interessante Versuche mit sogenannten Feldfabriken. Die werden, wo es die Örtlichkeit zulässt, neben der Autobahn, neben der Landstraße errichtet. Der Verkehr wird nicht tangiert. Dort wird in modularer Bauweise schon einmal alles fertiggestellt. Innerhalb von drei Tagen wird das dann – ruck, zuck! – erledigt. Zeitersparnis: 75 %. Das ist eine sehr interessante Sache, die man sich einmal anschauen sollte.
Ich habe im letzten Jahr einmal „in situ“ beleuchtet, das Kaltrecyclingsystem. Damit kann man Straßen in kürzester Zeit bauen. Sie sind am späten Abend wieder befahrbar. Das ist teilweise etwas teurer, aber man sollte die Finanzen auch zielgerichtet im Auge haben.
Wenn wir uns die Studie der Boston Consulting Group von vor zwei Jahren über das ungenutzte Potenzial anschauen, dann stellen wir fest: In Nordrhein-Westfalen beträgt der wirtschaftliche Schaden per anno 5 Milliarden Euro. Wir müssen also wirklich ran an die ganze Sache. Aber wir müssen auch ehrlich mit den Verkehrsteilnehmern kommunizieren. Es wird jetzt insgesamt erst einmal härter werden.
Was die Baustellen angeht: Lange Planungszeiten und Stillstand können wir unseren Verkehrsteilnehmern einfach nicht mehr zumuten. Der Lkw-Verkehr wird in den nächsten Jahren zunehmen, und zwar massiv. Der Pkw-Verkehr stagniert noch fast. Da müssen wir herangehen.
Wenn ich an einer Großbaustelle vorbeifahre, möchte ich Bagger sehen, möchte ich Helme sehen, möchte ich Gewusel sehen, und zwar rund um die Uhr, 24 Stunden lang, in drei Schichten. So sorgen wir auch für Akzeptanz beim Verkehrsteilnehmer. Dann sage ich vielleicht temporär: Okay, jetzt hat es mich erwischt, ich sitze mitten im Stau, aber es wird ja besser werden; denn da sind ja richtige Aktivitäten. – Was keiner mehr ertragen kann, sind Baustellen, wo ich nicht einen einzigen Helm sehe. Da müssen wir unbedingt ansetzen.
Ich werde gleich noch etwas zu der Verkehrsdichte sagen, denn das ist noch ein Riesenproblem. – Für jetzt erst einmal schönen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegen von der AfD und der SPD, als ich Ihre Anträge gelesen habe, habe ich im ersten Moment gedacht, die Landtagsverwaltung hätte Ihre Anträge miteinander vertauscht. Ich persönlich hätte nie gedacht, dass ich es einmal erleben würde, dass ein Antrag von Sozialdemokraten mehr Fake News enthält als ein Antrag der AfD zum gleichen Thema.
Ich hatte gehofft, werte Kollegen der SPD, dass Sie sich wenigstens heute in der Debatte korrigieren, habe erwartet, dass Sie Ihre falsche Behauptung, die Landesregierung bediene sich eines statistischen Taschenspielertricks, zurücknehmen,
dass Sie Größe und Rückgrat zeigen und einräumen, sich in der Wortwahl vergaloppiert zu haben. Aber ich musste leider feststellen, dass Sie dazu nicht in der Lage sind. Vielleicht haben Sie ja die Größe, das in der zweiten Runde noch vorzunehmen.
Für alle hier im Raum zum Mitschreiben: Die Landesregierung erhebt ihre Stauzahlen seit dem Jahr 2003 Jahr für Jahr nach der gleichen Methodik. Das heißt, die Methodik ist seit dem Jahr 2003 unverändert. 2003 war – manch einer wird das noch wissen – mit Herrn Horstmann ein gestandener Sozialdemokrat Verkehrsminister in diesem Land.
Ich frage Sie: Wo bitte schön sind die von Ihnen behaupteten statistischen Taschenspielertricks? Es ist richtig, die Zahlen von ADAC und Landesregierung weichen voneinander ab. Das liegt aber auch daran, dass es verschiedene Messergebnisse gibt, die den verschiedenen Messmethoden geschuldet sind.
Der ADAC errechnet seine Stauwerte unter anderem anhand von anonym übermittelten Positionen und Geschwindigkeitsdaten von Navigationsgeräten und Smartphone-Apps. Der ADAC schreibt auf seiner Homepage, dass ein Grund für den Anstieg in der verbesserten und detaillierteren Erfassung des Verkehrsgeschehens liege. Da stellt sich schon die Frage, ob sich die Zahlen des ADAC in den verschiedenen Jahren überhaupt miteinander vergleichen lassen.
Straßen.NRW dagegen setzt auf rund 2.500 Induktionsschleifen, und das schon seit dem Jahr 2003. Diese Zahlen kann man miteinander vergleichen, weil die Erhebungsmethode in jedem Jahr die gleiche ist.
Also frage ich Sie noch einmal: Wo ist der Taschenspielertrick? Ich sage Ihnen, wo der eigentliche Taschenspielertrick liegt: Sie wollen mit dieser Falschbehauptung von Ihrer Verantwortung für die Staus von heute ablenken.
Denn wie hat es der ADAC im „EXPRESS“ am vergangenen Freitag doch so treffend auf den Punkt gebracht? Er sagt: „Die Sanierung“ – der ADAC meint damit die Sanierung unserer Autobahnen und Brücken – „hätte man schon viel früher angehen müssen.“ Liebe Kollegen von der SPD, mit „viel früher“ meint der ADAC Ihre Regierungszeit;
denn von den letzten 53 Jahren haben Sie 46 Jahre lang dieses Land regiert. 46 Jahre Stillstand lassen sich nicht in einem Jahr aufholen.
Sie sind es, die in Ihrer Regierungszeit mit gezinkten Karten gespielt und das Ausmaß der Stauproblematik in NRW durch falsche und fehlende Planung verursacht haben. Das Ganze ist so ähnlich, als wenn Sie einem Insolvenzverwalter die Schuld für die Insolvenz geben würden.
Liebe Kollegen, um eins ganz deutlich zu sagen: Egal welche Stauzahlen Sie nehmen, die der Landesregierung, des WDR, des ADAC, das Ergebnis ist in allen Fällen deutlich. Es gibt immer noch zu viel Staus in NRW. Das hat die schwarz-gelbe Landesregierung bereits am Anfang der Wahlperiode erkannt und erklärt.
Die ehemalige rot-grüne Landesregierung war anscheinend staublind und hat kaum etwas für die Behebung getan.
Eine Verbesserung kann deshalb nicht von heute auf morgen erfolgen und wird sich leider einige Jahre hinziehen.
Auch wenn Herr Löcker versucht, die Verkehrsplanung der ehemaligen Landesregierung schönzureden, ich helfe Ihren Erinnerungen gerne auf die Sprünge. Die Anzahl der Staus in NRW ist in den
letzten Jahren auch aufgrund des zunehmenden Verkehrs gestiegen. Aber allein im Jahr 2013 musste NRW 48 Millionen Euro Bundesmittel aufgrund fehlender Planungsreserven für den Bundesfernstraßenbau zurückgeben.