Protocol of the Session on January 24, 2019

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie alle herzlich willkommen zu unserer 48. Sitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich neun Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Geburtstag haben heute von der SPD-Fraktion Wolfgang Jörg und von der CDU-Fraktion Marco Schmitz. Herzlichen Glückwunsch und alles Gute im Namen aller Kolleginnen und Kollegen!

(Allgemeiner Beifall)

Damit treten wir in die heutige Tagesordnung ein. Ich rufe auf:

1 Staatliche Schönfärberei zur Stauentwicklung!

Darf die Landesregierung ihr Versagen bei der Staubekämpfung durch statistische Taschenspielertricks verschleiern?

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/4885

In Verbindung mit:

NRW ist Stauland Nummer 1 – wann werden endlich geeignete Maßnahmen ergriffen

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 17/4888

Die Fraktion der SPD und die Fraktion der AfD haben jeweils mit Schreiben vom 21. Januar 2019 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu den oben genannten aktuellen Fragen der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die Fraktion der SPD dem Abgeordneten Löcker das Wort. Bitte schön.

Schönen guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, ich darf Sie im Rahmen der Aktuellen Stunde gleich direkt ansprechen: Haben Sie gestern oder heute

Morgen schon ins Lenkrad gebissen? Vielleicht können Sie uns mitteilen, wie es schmeckt, wenn man jeden Morgen ins Lenkrad beißen muss.

486.000 km Stau in Nordrhein-Westfalen sind ein trauriger Negativrekord und der Anlass der heutigen Aktuellen Stunde. Ich habe schon mitbekommen, dass Ihnen diese Aktuelle Stunde recht unlieb ist, und ich möchte Ihnen sagen: Dieses unangenehme Gefühl haben Sie zu Recht.

(Beifall von der SPD)

Sicherlich wären die Staukilometer an sich schon eine Aktuelle Stunde wert, aber der gemeine Pendler auf der Straße fühlt sich doch vernatzt, wenn er jetzt sozusagen öffentlich zu wissen bekommt, dass es eigentlich gar nicht so ist, wie er es wahrnimmt, sondern viel besser.

Was haben Sie nicht alles im Wahlkampf versprochen? Die Staus würden reduziert.

Bis zuletzt haben Sie, Herr Minister Wüst, den Mund ziemlich voll genommen. Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich gerne aus dem Protokoll Ihrer Haushaltsberatung von 2018:

„Man kann regulatorisch vieles verbessern, um Staus zu reduzieren. Dafür braucht man nicht zwingend mehr Geld … Genau das tun wir seit Amtsantritt der neuen Landesregierung...“

Jetzt, nach den öffentlichen Hinweisen, wissen wir, was Sie damit gemeint haben könnten. Ihre Worte – ich will das so deutlich sagen – klingen im Nachgang wie ein Aphorismus für Staukosmetik und nichts anderes.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die aktuelle Statistik des ADAC zeigt eindeutig Ihr verkehrspolitisches Versagen ohne Wenn und Aber. Haben Sie die Größe, das hier heute Morgen einzugestehen.

Ihre Statistik weist plötzlich einen 4%igen Verbesserungsstatus auf. Da frage ich Sie natürlich, Herr Minister Wüst: Wer hat das auf der Straße gemerkt, was Sie in den letzten Tagen vorgetragen haben?

Ich könnte auch eine andere Erklärung dafür finden. Es könnte sein, dass ein neuer Statistiker ins Verkehrsministerium gekommen ist. Wir empfehlen dann dringend eine Weiterbildung. Wenn Sie mich fragen, wohin Sie ihn schicken müssen, kann ich Ihnen darauf gerne eine Antwort geben: Schicken Sie ihn am besten zum ADAC – das machen die anderen Bundesländer auch –, dann werden wir dafür sorgen, dass die Zahlen am Ende korrekt sind.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wir halten also noch einmal fest: 486.000 km im letzten Jahr. Das sind 31.000 km mehr Stau, also eine Steigerung von 6,4 % und keine Reduzierung um

4 %, wie Sie vorgetragen haben. Ein Kollege hat spaßeshalber gesagt: Wie können wir es denn sonst erklären? Vielleicht so: Die Anzahl der Staus ist möglicherweise gesunken – das kann sein –, aber vielleicht sind sie auch nur länger geworden. Daran merkt man: Es passt nicht wirklich.

Studieren Sie doch mal die Sätze ein, die ich Ihnen jetzt vortrage – das hilft vielleicht vor allem in der öffentlichen Kommunikation –: Gegen Stau hilft nur Bau. – Das ist ein ganz einfacher Satz. Das bedeutet

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- rufe von der CDU)

ein Jahrzehnt der Baustellen und nichts anderes.

Trauen Sie sich ruhig, Herr Minister, das hier so vorzutragen – dann nähern Sie sich der Realität in unserem Land an.

Wenn Sie gleich das Wort ergreifen, dann versuchen Sie erst gar nicht, Ihre kreierte Superstatistik zu verteidigen. Die taugt überhaupt nicht für die Wahrnehmung der Menschen im Land, so viel steht schon einmal fest.

Hören Sie nach zwei Jahren Regierungszeit endlich auf, uns die Versäumnisse in die Schuhe zu schieben. Die Zeit ist lange vorbei.

Man könnte es auch anders sagen: Sie sind als staupolitische Supermänner gestartet, Herr Ministerpräsident, Herr Minister Wüst. Jetzt gerieren Sie sich hier eher wie eine defekte verkehrspolitische Luftpumpe, die nur heißen Stau produziert und sonst gar nichts.

(Beifall von der SPD)

Was bleibt also? Der Pannekopp-Orden geht in diesem Jahr an die CDU in Nordrhein-Westfalen. Das wussten Sie noch gar nicht? Es ist aber so,

(Beifall von der SPD)

und zwar garantiert. Daran gibt es keinen Zweifel mehr.

Es gibt zwei Kandidaten: einmal den geschätzten Ministerpräsidenten Laschet, der sich für das Versprechen verantworten muss, für weniger Staus zu sorgen, und zweitens seinen Parteifreund Pofalla, der es tatsächlich fertiggebracht hat, mit der Bahntochter DB Netz dafür zu sorgen, dass die Sperrpause für den Bau zweier Bahnhöfe in Herten so weit nach hinten geschoben worden ist, dass die Bahn nicht rechtzeitig auch in Herten halten kann; denn die startet schon 2019.

Man könnte also den Eindruck gewinnen: Es gibt nicht nur Stau auf der Straße, sondern auch auf der Schiene. – Das stimmt, meine Damen und Herren. Genauso ist es.

Mit Blick auf die Diskussion möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen, Herr Minister Wüst, und Ihr totes Huhn herausholen.

(Der Redner holt ein Gummihuhn hervor.)

Herr Präsident, ich hoffe, Sie erlauben das. Ich schmeiße es auch nicht durch die Gegend, wie es der Minister gern macht. – Ich habe Ihnen heute Ihr totes Huhn mitgebracht, das Sie uns

(Beifall von der SPD)

immer wieder gern verbal über den Zaun schmeißen. Ich habe es vor ein paar Tagen tatsächlich gefunden. Das werde ich natürlich nicht durch den Saal werfen, sondern ich werde es Ihnen gleich auf den Tisch legen und Sie darum bitten, eine ordentliche Statistik vorzulegen.

Wenn Sie dazu nicht in der Lage sind, dann empfehle ich Ihnen den Twitter-Account „#Stauland Nr. 1“ in Deutschland. Das ist Nordrhein-Westfalen. Lesen Sie jeden Tag nach. Da wird Ihnen die Realität in unserem Land ziemlich deutlich vor Augen geführt. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Der Redner legt Hendrik Wüst, Minister für Ver- kehr, das Gummihuhn auf den Tisch.)

Als nächstem Redner erteile ich für die AfD dem Abgeordneten Vogel das Wort.

(Unruhe – Glocke)