Protocol of the Session on July 12, 2017

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, 4. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt selbstverständlich auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich drei Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Es gilt auch hier und heute, einen erfreulichen Anlass zu feiern: Unsere Kollegin Angela Freimuth von der Fraktion der FDP, unsere Vizepräsidentin, feiert heute Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch, liebe Kollegin!

(Beifall von allen Fraktionen)

Vor Eintritt in die Tagesordnung gebe ich Folgendes bekannt: Der damalige Chef der Staatskanzlei hat mir mit Schreiben vom 23. Mai 2017 die Haushaltssatzung des Landesverbandes Lippe für das Haushaltsjahr 2017 sowie den Genehmigungserlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales zugesandt.

Gemäß § 10 des Gesetzes über den Landesverband Lippe vom 5. November 1948 bitte ich um Ihre Kenntnisnahme. – Diese Kenntnisnahme stelle ich hiermit fest.

Die Mitglieder des Landtags können die Unterlagen beim Archiv des Landtags anfordern.

Meine Damen und Herren, unsere Fraktionen haben sich darauf verständigt, die heute als Tagesordnungspunkte 15 und 16 vorgesehenen Wahlvorschläge – dabei geht es um die Wahl von Mitgliedern des Landtags in den Stiftungsrat der Stiftung des Landes Nordrhein-Westfalen für Wohlfahrtspflege sowie um die Wahl von Mitgliedern des Landtags in das Kuratorium der Stiftung Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen – erst morgen als Tagesordnungspunkte 10 und 11 neu aufzurufen. Somit verschiebt sich der heutige TOP 17 nach vorne und wird TOP 15 neu. – Auch hiergegen sehe ich keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Wir treten nunmehr in die heutige Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Einsetzung der Ausschüsse des Landtags

und Zustimmung zur Einsetzung von Unterausschüssen sowie Festlegung der Zahl der Mitglieder

Antrag der Fraktion der CDU der Fraktion der SPD der Fraktion der FDP und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/87

Eine Aussprache hierzu ist nicht vorgesehen.

Wir kommen somit zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD, der Grünen, der CDU, der FDP und der AfD. Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Enthaltungen? – Dann ist dieser Antrag Drucksache 17/87 von allen Fraktionen einstimmig angenommen worden.

Ich darf dann aufrufen:

2 Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt

muss weiterhin Ziel der Landesregierung sein! – Menschen mit Migrationshintergrund dürfen nicht getäuscht werden

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/121

Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 10. Juli 2017 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu dieser aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der antragstellenden Fraktion der SPD Herrn Yetim das Wort. Bitte sehr.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-geführte letzte Landesregierung hatte eine Initiative mit dem Ziel einer interkulturellen Öffnung des öffentlichen Dienstes eingeführt. Ein Ziel dabei war, mehr Menschen mit Migrationshintergrund einzustellen.

Eines der Instrumente dafür war das anonymisierte Bewerbungsverfahren, welches mehr Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen soll. Wegen ein paar Stimmen hat die Landesregierung angekündigt, die Anwendung dieses Instruments – wie vieler anderer Instrumente der letzten Regierung auch – abzubrechen. Darüber müssen wir reden, liebe Kolleginnen und Kollegen. Deswegen gibt es auch diese Aktuelle Stunde.

Wie ist eigentlich im Moment der Stand bei den anonymisierten Bewerbungen? In Nordrhein-Westfalen

haben wir das Verfahren der anonymisierten Bewerbung für die Ausbildung im öffentlichen Dienst.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat verschiedene Pilotprojekte mit Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen initiiert, und zwar sehr erfolgreich. Zwei Unternehmen sind zwar ausgestiegen; der Rest ist aber noch dabei.

Unter anderem kann ganz aktuell festgestellt werden, dass das weltweit führende Unternehmen Siemens das anonymisierte Bewerbungsverfahren einführt.

Schauen wir uns das Ganze einmal im internationalen Vergleich an. Im englischsprachigen Raum ist der Verzicht auf persönliche Angaben seit vielen Jahren Praxis.

Es gibt viele Modellprojekte in Schweden, den Niederlanden, Frankreich, Schweiz und Belgien. In Belgien ist die anonymisierte Bewerbung im gesamten öffentlichen Sektor eingeführt.

Das Fazit dort lautet: Das Verfahren hat Menschen ermutigt, sich zu bewerben, die sich sonst aufgrund der Sorge vor potenzieller Diskriminierung nicht beworben hätten.

Sehr geehrter Herr Minister Dr. Stamp, müsste nicht eigentlich Nordrhein-Westfalen Vorreiter bleiben und Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt weiter abbauen? Stattdessen kündigen Sie an, dass die neue Landesregierung das anonymisierte Bewerbungsverfahren abschaffen wird. Begründet wird dies damit, dass Bewerberinnen und Bewerber ihre Einwanderungsgeschichte oder ihr Geschlecht nicht verbergen sollten, wenn sie sich für eine Stelle im öffentlichen Dienst bewerben.

Ihre Staatssekretärin tut so, als ob es überhaupt keine Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt geben würde. Jeder, der sich damit auseinandersetzt und auch schon Erfahrungen gesammelt hat, weiß aber, dass es Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt gibt und häufig vorkommt, dass Personalentscheider Menschen, die sich beworben haben, aufgrund des Namens erst gar nicht zum Vorstellungsgespräch zulassen, weil sie befürchten, dass es Sprachbarrieren gibt, ohne überhaupt einmal mit dem Menschen gesprochen zu haben.

Im Koalitionsvertrag kündigen Sie großspurig einen Paradigmenwechsel von einer unverbindlichen zu einer verbindlichen Integrationspolitik an. Was soll ein solcher Wechsel von einer unverbindlichen zu einer verbindlichen Integrationspolitik eigentlich sein? Bedeutet das, dass die Menschen, die einen Migrationshintergrund haben, sich gar nicht integrieren wollen und man sie dazu zwingen muss?

Ich würde mir wünschen, dass Sie konkrete Vorschläge machen würden, wie mehr Menschen mit Einwanderungsgeschichte im öffentlichen Dienst

eingestellt werden können. Immerhin – das muss man an dieser Stelle wissen; und das wissen wir aus unseren Rollen in der Zeit der letzten Regierung als integrationspolitische Sprecher – haben Sie, aber auch Ihre Staatssekretärin bereits 2014 im Integrationsausschuss das anonymisierte Bewerbungsverfahren kritisiert.

Drei Jahre hatten Sie jetzt Zeit. Ich bin daher gespannt, wie die geeigneten diskriminierungsfreien Mittel, wie Sie sie nennen, konkret aussehen. Ich bin sicher, dass Sie jetzt nach drei Jahren heute hier Vorschläge präsentieren werden, wie sie aussehen sollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der erste Schritt der Landesregierung in der Integrationspolitik jedenfalls ist meiner Meinung nach reine ideologische Abbruchpolitik. Sogar die Antidiskriminierungsstelle des Bundes kritisiert öffentlich Ihren Vorschlag. Ich zitiere einmal deren Leiterin:

„Wer das als ,Murks‘ bezeichnet, hat sich mit Chancengerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt offenbar nicht richtig auseinandergesetzt.“

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, für die Zukunft der Integrationspolitik in Nordrhein-Westfalen lässt Ihr erster Murks, den Sie hier veranstalten, jedenfalls nichts Gutes erahnen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Yetim. – Ich rufe für die CDU-Fraktion Herrn Rehbaum auf.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf der Homepage des Landtags gibt es ein Lexikon, in dem man Stichworte aus dem politischen Alltag nachschauen kann. Zum Begriff der Aktuellen Stunde steht dort:

„Eine Fraktion oder ein Viertel der Mitglieder des Landtags können zu einer präzise bezeichneten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragen, die sogenannte ,Aktuelle

Stunde‘.“

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Zwei Punkte sind dort genannt: präzise und aktuell. Allerdings lautet der Titel dieser Aktuellen Stunde: „Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt muss weiterhin das Ziel der Landesregierung sein! – Menschen mit Migrationshintergrund dürfen nicht getäuscht werden“. Dieser Titel und die Fragestellung sind nicht präzise. Es ist auch nicht dringend.

(Zuruf von Marc Herter [SPD])

Das Thema der Erhöhung des Anteils von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte ist zu wichtig, als es

ohne eine konkrete Grundlage zu behandeln. Besser wäre es, sich mit dem Thema in einem ordentlichen Beratungsverfahren sorgfältig zu befassen.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Nadja Lü- ders [SPD]: So sorgfältig, wie die Regierung es will!)