Protocol of the Session on November 14, 2018

Sie werden gleich noch einiges lernen können – ist klar, dass die Automobilindustrie illegale Abschalteinrichtungen verbaut hat, um die Vorgaben zu umgehen. Und spätestens seit 2016 ist bekannt, dass auch die Fahrzeuge, bei denen keine Manipulation vorgenommen wurde, im Realbetrieb etwa zehnmal so viel Stickstoffdioxid ausstoßen.

Aber bis heute, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD, hat die Bundesregierung kein schlüssiges und vor allen Dingen kein integriertes Konzept zur Lösung dieses Problems vorgelegt. Medienwirksam inszenierte Gespräche mit der Automobilindustrie erwiesen sich als Rohrkrepierer. Die Schaffung gesetzlicher Rahmenbedingungen wurde systematisch verschleppt. Hardwarenachrüstungen wurden wider besseren Wissens als nicht realisierbar und zudem wirkungslos beschrieben. Damit wurde im Schulterschluss mit der Automobilindustrie und zum Schaden der Autobesitzer über Jahre eine technische Lösung torpediert, die einen nennenswerten, wenn nicht sogar einen entscheidenden Beitrag zur Emissionsreduzierung hätte leisten können.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Hätte der Bund frühzeitig und entschlossen gehandelt und den Weg für Hardwarenachrüstungen freigegeben, dann wäre uns die sich jetzt abzeichnende Entwicklung in Nordrhein-Westfalen erspart geblieben.

(Beifall von der FDP)

Die FDP hat sich sowohl auf Bundesebene als auch hier in Nordrhein-Westfalen immer dafür ausgesprochen, die Automobilhersteller in die Verantwortung zu nehmen. Wir stehen klar an der Seite der Verbraucherinnen und Verbraucher. Ausgerechnet der Volkswagenkonzern ließ sich unlängst mit der Aussage zitieren, er würde selbst keine Hardwarenachrüstungen anbieten und eine Gewährleistung für etwaige Hardwarenachrüstungen ausschließen.

Im Wissen um die technischen Möglichkeiten und die Tatsache, dass solche Systeme wohlgemerkt herstellerseitig in den USA längst verfügbar sind und dort auch eingebaut werden, ist eine solche Aussage schwer erträglich.

(Beifall von der FDP, der CDU und den GRÜNEN)

Und sie ist ein Schlag ins Gesicht eines jeden Kunden, der befürchten muss, dass sein Auto demnächst nicht mehr voll einsatzfähig sein könnte. Wenn eine eigentlich zur Neutralität verpflichtete staatliche Stelle wie das Kraftfahrtbundesamt bei Besitzern von Dieselfahrzeugen für den Erwerb eines neuen Autos bestimmter Marken wirbt, dann ist das ein beispielloser Vorgang, und dann zeigt sich vor allem die ganze Hilflosigkeit und Konzeptlosigkeit der Bundesregierung im Umgang mit dieser Frage. Hier werden die Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher von staatlicher Seite mit Füßen getreten.

(Beifall von der FDP – Zuruf von der SPD)

Mit der Untätigkeit der Bundesregierung – gepaart mit der Verweigerungshaltung der Autohersteller – wurde und wird die Vermögensvernichtung bewusst in Kauf genommen.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Gleichzeitig wird das Problem bei den Ländern und Kommunen abgeladen. Ihnen – also uns – steht jetzt ein reduzierter Instrumentenkasten zur Verfügung,

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Sagt das auch Herr Wüst?)

der nur punktuell Rahmenbedingungen verbessern kann, der aber natürlich weniger wirkungsvoll ist, als bei den Verursachern selbst anzusetzen. Und trotzdem unternimmt die Landesregierung seit Beginn ihrer Tätigkeit alles, um zusammen mit den Kommunen Wege zur Vermeidung von Fahrverboten zu finden.

Die Förderung elektrischer Antriebssysteme – die Umweltministerin wird sicherlich gleich noch darauf eingehen –, die Attraktivierung von ÖPNV und Radverkehr, die Veränderung des innerstädtischen Modal-Splits, auch die systematische Vernetzung von Verkehrsträgern zur Verflüssigung und Vermeidung von Verkehren – das sind nur einige wenige Beispiele, die ich an dieser Stelle nennen will. Intensiv wird vonseiten der Ministerien, der Bezirksregierungen und der Kommunen zudem an der Aufstellung und Fortschreibung der Luftreinhaltepläne gearbeitet. Diese Landesregierung lässt ihre Kommunen nicht im Stich.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD)

Selbst in diesen Fragen ist auf den Bund kein Verlass, liebe SPD. Die Umsetzung des Maßnahmenpaketes aus dem Dieselgipfel hätte längst vollzogen sein müssen. Stattdessen stockt die Mittelvergabe durch hohe bürokratische Hürden und unklare Bedingungen. Jüngst mussten wir in der Presse lesen, dass das Bundesumweltministerium mit Verweis auf offene Zuständigkeitsfragen – das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen – eine 20-%-Förderung zur Anschaffung von Elektrobussen in Bochum verweigert. Das halte ich schlichtweg für einen Skandal.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wir werden nicht nachlassen in unserem Bemühen, für die betroffenen Kommunen in Nordrhein-Westfalen Maßnahmenpakete zu schnüren und damit Lösungen anzubieten, mit denen Fahrverbote möglichst vermieden werden können. Mir ist aber auch wichtig: Jede Stadt stellt dabei einen Einzelfall dar, und deshalb braucht es – das will ich an dieser Stelle noch einmal mit Nachdruck sagen; ich habe das an anderer Stelle schon einmal ausgeführt – den Schulterschluss zwischen den Behördenebenen und den ernsthaften gemeinsamen Willen, dieses Ziel zu erreichen.

Lassen Sie mich abschließend sagen: Das engagierte Zutun unserer Städte ist hierbei unerlässlich. Auch ihr Interesse muss es sein, nicht den vermeintlich leichtesten Weg zu beschreiten, sondern alles zu unternehmen, damit die Luftreinhaltung auch ohne Fahrverbote erreicht werden kann.

Wenn Ihnen an diesem Ziel wirklich gelegen ist, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen und der SPD, dann sollten Sie bei Ihren Parteifreunden, die auf kommunaler Ebene Verantwortung tragen, auch genau hierauf hinwirken. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Middeldorf. – Für die Landesregierung erteile ich nun Frau Ministerin Heinen-Esser das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, für die meisten hier im Hause steht völlig außer Zweifel, dass die Einhaltung der gesundheitsbezogenen Luftqualitätswerte in der Umweltpolitik einen sehr hohen Stellenwert hat. Das ist so, und dahinter stehen wir, und zwar, wie ich hoffe, alle zusammen.

Aber jetzt müssen wir leider doch – ich mache das ohne Schuldzuweisung – einen Blick in die Vergangenheit werfen; denn gerade das Kölner Urteil zeigt uns ganz deutlich, über welche Zeitspanne wir hier tatsächlich reden.

Seit dem Jahr 2010 – das ist das, was der Kölner Richter extrem moniert hat – gibt es Grenzwerte für Stickstoffdioxid. Ich will kurz die Zahlen aus Köln nennen, wie sie sich damals, im Jahr 2010, dargestellt haben. Da gab es auf dem vieldiskutierten Clevischen Ring 65 µg, auf der Justinianstraße 60 µg und auf der Aachener Straße in Köln-Weiden 61 µg.

Ich komme zum Jahr 2017. Dazwischen gab es einen Luftreinhalteplan, der vorsah, im Jahr 2012 diese Grenzwerte deutlich unter 40 µg zu bekommen.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Aber jetzt darf ich Ihnen die Zahlen aus dem Jahr 2017 vortragen: am Clevischen Ring 62 µg – es waren 65 µg im Jahr 2010 –, auf der Justinianstraße 50 µg – 60 µg waren es davor –, und 50 µg in KölnWeiden auf der Aachener Straße nach 61 µg im Jahr 2010. Es hat sich zwar etwas getan, aber die bisherigen Luftreinhaltepläne haben es nicht geschafft, die Werte deutlich unter den Grenzwert zu bringen. Das ist das Problem, vor dem wir heute stehen.

Dieses Problem – auf die entsprechenden Ausführungen komme ich gleich zu sprechen – können wir nicht von 2017 bis 2018 innerhalb von zwölf Monaten regeln.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir werden dafür einige Monate Vorlauf benötigen.

Ein Faktor sind in der Tat – das wurde schon angesprochen, und das ist auch richtig – die Abgasmanipulationen, die es gegeben hat. Wir sehen jetzt an den aktuellen Werten, dass wir, wenn wir die Softwareupdates in die neuen Luftreinhaltepläne einberechnen, gleich um 1 µg bis 2 µg bessere Werte in den Städten schaffen. Das heißt, dass wir auch hierbei nur ermuntern können: Leute, rüstet die Autos nach – vor allen Dingen dort, wo die Automobilhersteller gezwungen sind, das zu tun.

Ein zweites Thema ist entscheidend – das kann ich hier abkürzen; ich bin insbesondere meinem Vorredner Herrn Middeldorf dankbar, dass er das Thema so deutlich adressiert hat –, nämlich die Hardwarenachrüstung. Sie ist ein zentrales Element.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das sieht Herr Scheuer aber anders!)

Aber auch hierbei bitte ich, vernünftig damit umzugehen.

(Zuruf von Britta Altenkamp [SPD])

Nicht alle Pkw werden nachgerüstet werden können, und zwar aus technischen Gründen.

(Britta Altenkamp [SPD]: Ach!)

Wir gehen von einer …

(Zurufe)

Wissen Sie was? Ich möchte den Menschen ehrlich sagen, wie wir weiter vorgehen und was realistisch ist. Meine Politik ist es nicht, den Leuten Sand in die Augen zu streuen

(Zuruf von der SPD: Das machen Sie doch ge- rade!)

und zu sagen: „Wir versprechen euch das Blaue vom Himmel“, wenn es nicht zu halten ist.

(Beifall von der CDU und der FDP – Wider- spruch von der SPD)

Deshalb sage ich ehrlich: Wir werden eine Nachrüstquote von 50 % bis 60 % haben, die uns in den Städten tatsächlich weiter voranbringt. Letzte Woche hat es eine Umweltministerkonferenz in Bremen gegeben. Da haben die Umweltminister aller Länder noch einmal das Thema „Hardwarenachrüstung“ bekräftigt.

(Nadja Lüders [SPD]: Zulasten von wem?)

Zwei Automobilhersteller haben sich dazu bekannt, die Kosten zu übernehmen. Mittlerweile sind die Haftungsfragen geklärt. Ich stimme Ihnen allen zu: Es geht nicht schnell genug, aber es geht voran. – Auch das ist ein Thema, das wir noch weiter aus NRW betreiben werden; dies haben wir im Bundesrat mit unseren Voten ganz klar zum Ausdruck gebracht.

Meine Damen und Herren, alle haben gesagt: Gleich sagt die Umweltministerin genau, wie es weitergeht. Das will ich jetzt auch gerne tun.

Aber vorab, Arndt Klocke: Ich habe keinen Nachholbedarf dahin gehend, zu wissen, was Luftreinehaltepolitik und was auch Umweltpolitik tatsächlich bedeutet. Ich möchte nur darauf hinweisen: Mit Blick auf das Kölner Urteil, das quasi eine gesamte Stadt mit einem Dieselfahrverbot belegt, gestatten Sie mir die Äußerung, dass es sich hierbei um einen so massiven Eingriff in die Struktur einer Stadt handelt, dass ich das auch als Umweltministerin nicht gutheißen kann,