Protocol of the Session on September 29, 2018

Aber inzwischen erklärte Innenminister Reul von der CDU die Angelegenheit zur Chefsache. So teilte Herr Reul vergangenen Freitag mit, es seien bereits Disziplinarverfahren und Ermittlungsverfahren gegen die Polizeibeamten wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung im Amt eingeleitet worden. – Das nenne ich mal Tatkraft, Herr Minister Reul. Wenn Sie sich darüber wundern, dass ich Ihren Namen bereits zum dritten Mal nenne, warten Sie einmal das Ende meiner Rede ab.

(Zurufe: Oh!)

Sicher: Auch Polizisten sind nur Menschen. Ich wünschte mir aber, Herr Minister Reul, Sie würden mit ähnlicher Entschlossenheit, mit der Sie versuchen, Polizisten als Sündenböcke abzustempeln, 4.500 nicht vollstreckte Haftbefehle in NRW durchsetzen – und das ist nur der Stand Mai 2018.

(Beifall von der AfD)

Sie führten in der Sonderausschusssitzung vergangenen Freitag aus, die aufnehmenden Polizeibeamten hätten Fehler bei der Identitätsfeststellung gemacht. Für Sie war das Handeln der Polizisten – und ich zitiere – Ausgangspunkt der Tragödie gewesen.

Da habe ich allerdings eine etwas andere Wahrnehmung: Für mich liegt der Ausgangspunkt der Tragödie zeitlich früher. Gehen wir deshalb noch einmal einen Schritt zurück.

Der in der JVA zu Tode Gekommene war bei den Behörden als Amed, Amed, geboren 01.01.1992 in Aleppo, Syrien, gemeldet – ein Geburtsdatum, wie so viele es haben, die meinen, aus dieser Region zu stammen. Aus eigener Erfahrung und einer Reise nach Syrien kann ich Ihnen berichten, dass es in der Region Aleppo Schulen gibt, in denen die Kinder Lesen, Schreiben und Rechnen lernen. Ich bin also der festen Überzeugung, dass Menschen, die aus Syrien und insbesondere aus der Region um Aleppo stammen, in der Lage sind, ihren Namen und ihr Geburtsdatum zu kennen.

(Beifall von der AfD)

Es stand also bereits bei der Erstregistrierung durch die Bundesbehörde für Migration und Flüchtlinge fest, dass die Identität des Verstorbenen gefälscht war. Auch eigentlich ein Fall für die Staatsanwaltschaft, nicht verfolgt wie Zehntausende ähnlich gelagerte Fälle. Vermutlich hätte er sich auch „Kaiser Wilhelm“ nennen können.

(Zuruf von der SPD: Oder Gauland!)

Das wäre dann auch nicht aufgefallen. Dann hätte er bei der Namenslotterie allerdings Glück gehabt und würde vermutlich heute noch leben. Sein Pech war, dass jemand mit genauso falscher Identität in Hamburg mittels zweier Haftbefehle gesucht wurde.

Wissen Sie, wer dafür verantwortlich ist? Das sind allesamt Sie, meine Damen und Herren von den alten Parteien. Ihre gemeinsame Kanzlerin, auch Ihre Kanzlerin, Herr Minister Reul, hat alle diese Menschen mit all ihren falschen Namen in unser Land hereinspazieren lassen. Da kann dann schon mal eine Verwechslung vorkommen. Das alles wurde und wird geduldet. Sie wissen selbst nicht, wie viele Menschen mit ungeklärten Identitäten in unser Land ziehen und Unheil anrichten.

(Frank Müller [SPD]: Was hat das mit diesem Fall zu tun?)

Aber jetzt – und das ist erbärmlich –, wo ein Menschenkind im Feuer umgekommen ist, fangen Sie an, wehzuklagen und zu heulen. Und mit Verlaub, Ihre Krokodilstränen nehme ich Ihnen nicht ab.

Ich konstatiere: Ausgangspunkt der mutmaßlichen Selbstverbrennung ist das Staatsversagen der Merkel-Regierung seit der Grenzöffnung 2015.

(Beifall von der AfD)

Ausgangspunkt ist die Tatsache, dass die Bundesanstalt für Migration und Flüchtlinge auf Grundlage von offensichtlich falschen Angaben Bescheide erlässt, die ihrerseits Grundlage für weitere Verwechslungen bieten. Das treibt durchaus Blüten. Vielleicht können Sie sich noch daran erinnern, dass selbst ein deutscher Bundeswehrsoldat ohne Kenntnis der arabischen Sprache den offenbar überforderten Mitarbeitern im BAMF mit Erfolg auftischen konnte, er sei ein syrischer Flüchtling.

Aber was taten die Verantwortlichen, als die katastrophalen Missstände im Frühjahr endlich offenkundig waren? Sie taten gar nichts. Sie erwarteten von der Polizei, und sie erwarten jetzt von den Polizeibehörden, das staatlich angeordnete BAMF-Versagen auszubügeln und lenken die Verantwortung auf die Polizeibeamten. Sie beschuldigen Polizisten, weil diese einem fehlerhaften Treffer aus einer völlig zugeschlampten Datenbank aufsaßen. Dafür sind Sie, Herr Minister Reul, in letzter Instanz verantwortlich, und darum wollen Sie sich drücken. Ich persönlich nenne das unehrlich und auch feige.

In der Rechtswissenschaft ist bekannt, dass hinter einem Tatausführenden ein wahrer Täter stehen kann, welcher das Geschehen wirklich beherrscht. Fragen Sie sich doch mal, wer hier die Täter hinter den Tätern sind. Das sind Sie, Sie, die die jungen Männer zu Hunderttausenden in unser Land holten und weiter ins Land holen, und zwar ohne Rücksicht auf Machbarkeit und Folgen. Das sind Sie, die Regierenden, die untergeordnete Befehlsempfänger für sich in die Bresche springen lassen. Sie sind Täter hinter den Tätern. Denn Sie haben Herrschaftswissen. Haben Sie Anstand und leiten Sie entsprechende Verfahren gegen sich selbst ein!

Nun fordert die SPD einen Untersuchungsausschuss. Wir begrüßen dies. Wir als Alternative für Deutschland behalten uns vor, ebenfalls die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu beantragen,

(Marlies Stotz [SPD]: Schande!)

gerade im Hinblick auf die deutschen Opfer Nordrhein-Westfalens, die der Einwanderung seit 2015 zum Opfer fielen. – Guten Tag.

(Beifall von der AfD)

Als Nächstes erteile ich Herrn Abgeordneten Pretzell das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben eine in der Tat ausgesprochen tragische Situation, die eigentlich Anlass gibt, über die Verbesserung von Verfahren nachzudenken. Dass ein Mensch in staatlicher Obhut stirbt, der in diese staatliche Obhut nicht gehört hat, egal was er vorher getan oder auch nicht getan hat, das ist tragisch, und in der Tat muss das Anlass zur Überdenkung von Verfahrensweisen sein.

Aber Ursache für ein mögliches Fehlverhalten bei Polizisten ist die Tatsache, dass diese ganz sicher mit der aktuellen Situation überfordert sind. Denn wir haben eine Situation, in der wir ausgesprochen unglückliche Namensdopplungen und vermutlich noch ganz andere Zahlen von Namensüberschneidungen dort draußen haben. Wir haben die Situation, dass wir massenhaft Menschen haben, die ihr Geburtsdatum mit dem 01.01. irgendeines Jahres angeben. Das heißt, die Geburtsdatenzuordnung ist nicht mehr akkurat.

Wir haben Aliasnamen, wir haben verschiedene Herkünfte, wir haben unklare Geburtsortzuordnungen – all das, was üblicherweise in Deutschland in der Vergangenheit immer eindeutig zuzuordnen war. Wenn Sie nämlich einen Geburtsort, ein Geburtsdatum und einen Namen hatten, dann haben Sie in Deutschland normalerweise ganz wenige Fälle, in denen es über

haupt zwei Menschen gibt, die denselben Geburtsort, dasselbe Geburtsdatum und denselben Namen aufweisen.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Das stimmt!)

Ich weiß nicht, wie viele Fälle es in ganz Deutschland gibt.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Ach ja!)

Aber wir haben mit der Situation seit 2015 diese Fälle verzigfacht. Wir haben massenhaft solcher Fälle, und es ist die Polizei, die damit selbstverständlich überfordert ist, die wir eben nicht mehr in die Lage versetzen, relativ simpel mit diesen einfachen Mitteln eindeutige Identitätsfeststellungen zu treffen. Deswegen ist es falsch, auf die Polizei zu zeigen, auch wenn dort möglicherweise Versäumnisse vorliegen.

Es ist aber noch viel falscher, wenn Sie hier auf die Minister an dieser Stelle zeigen. Denn die haben sich in der Tat in einer sehr unübersichtlichen und schwierigen Lage um Aufklärung bemüht, und es ist völlig offenkundig, dass die Faktenlage eben nicht ausreichend ist, dass nicht klar ist, wann was passiert ist.

Wir wissen, dass der Umgekommene selbst keinen Kontakt zur Familie hatte, dass eben keine Angaben zur Familie vorlagen. Und dass Sie hier jetzt den Ministern vorwerfen, nicht persönlich bei der Familie erschienen zu sein, meine Damen und Herren, das ist schon eine Art und Weise des Umgangs und des Vorwurfs, den wir hier in diesem Plenarsaal nicht pflegen sollten. Es ist wirklich unerhört, wie Sie hier mit den Ministern umgehen an dieser Stelle. Da gibt es ganz andere Fälle aus Ihrer eigenen Partei. Da sollten Sie sich an die eigene Nase fassen, meine Damen und Herren.

(Zuruf von der SPD: Sagen Sie doch mal was zur Identität!)

Ich darf dann für die Landesregierung Herrn Minister Biesenbach das Wort erteilen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben jetzt von allen gehört, wie stark doch die Betroffenheit sein soll. Damit steht das Verhalten nicht immer im Einklang, muss ich sagen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ich will hier zu der Art und Weise nicht mehr Stellung nehmen, weil ich glaube, hierzu ist von der Kollegin Erwin und auch von Herrn Lürbke deutlich genug etwas gesagt worden.

(Zurufe von der SPD)

Ich will nur noch eines zu Herrn Wolf sagen. Herr Wolf, Sie haben ja nun bekannterweise mehrfach den Vorwurf erhoben, ich hätte den Rechtsausschuss am 26. September getäuscht, nicht informiert, belogen. Dazu haben wir deutlich genug Stellung genommen. Dass Sie es heute aber wieder indirekt tun, sollte uns allen zu denken geben;

(Zuruf von der SPD: Ihnen!)

denn Sie haben heute erneut hier behauptet, die Staatsanwaltschaft Hamburg hätte am 24. September bereits nachgefragt und darauf hingewiesen. Ich habe Ihnen mehrfach gesagt, auch heute, und werde es ständig tun, bis Sie es endlich mal verstehen: Wir als Justiz sind etwa zwei bis zweieinhalb Stunden nach der Ausschusssitzung informiert worden und keine Minute früher.

Wenn die Staatsanwaltschaft Hamburg an die Polizei in Kleve eine Meldung gibt und die Staatsanwaltschaft oder die Polizei in Kleve erst anschließend die Justiz informiert, halten Sie mir doch nicht vor, ich hätte Sie getäuscht und nicht informiert!

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das ist die Art und Weise, weshalb ich Sie in meinem Kopf inzwischen als „Mr. Fake News“ abgeheftet habe.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Eine schleppende Aufklärung lasse ich unseren Geschäftsbereichen auch nicht vorhalten.

(Zurufe von Sven Wolf [SPD] und Dietmar Bell [SPD])

So schnell wir konnten, haben wir es getan. Sie haben Fragen gestellt, die wir nicht beantworten konnten, weil die Gefangenenpersonalakte bis gestern von der Staatsanwaltschaft in Kleve beschlagnahmt war. Sorry, was wir nicht wissen, können wir nicht mitteilen. Wir haben uns bemüht, die Akte schnell zu bekommen. Sie sind dann unmittelbar informiert worden.

Ich darf auch in diesem Zusammenhang, Herr Engstfeld, einen Fehler korrigieren. Ich habe gestern gesagt, dass die Gesundheitsakte auch beschlagnahmt worden sei. Das war ein Fehler. Die Gesundheitsakte war verschlossen bei den Ärzten. Auch sie haben wir am 9. erst zu Gesicht bekommen, sodass Sie die Informationen gestern teilweise hatten, teilweise auch nicht.