Protocol of the Session on November 30, 2017

Da rufe ich Sie auf, Herr Innenminister Reul: Handeln Sie endlich, und schützen Sie die Menschen in unserem Braunkohlerevier vor diesen Kriminellen!

(Beifall von der AfD)

Wir als Rechtsstaatspartei halten uns an den Beschluss zum Abbau der Braunkohle. Wer einen Frieden zu den Bedingungen der Kriminellen möchte, wird zum Handlanger dieser Kriminellen und bestärkt diese Kriminellen in ihren Taten. Wir verhandeln nicht mit Kriminellen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Für die Landesregierung erteile ich nun Herrn Minister Professor Pinkwart das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es erstaunt schon, wie schnell manch einer sein eigenes Regierungshandeln aus dem Blick verliert.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU und der FDP)

Wir hatten das gestern ja schon einmal bei einem anderen Thema. Es scheint ein Häutungsprozess stattzufinden; man will sich nicht mehr daran erinnern, wofür man selbst einmal Verantwortung getragen hat.

Noch im letzten Jahr hat die damalige rot-grüne Landesregierung die Leitentscheidung zu Garzweiler II beschlossen und dem Landtag zugeleitet. In der Leitentscheidung ging es schwerpunktmäßig um die Verkleinerung des Tagebaus Garzweiler II. Ebenso hat die Leitentscheidung die energiewirtschaftliche und energiepolitische Notwendigkeit der beiden anderen Tagebaue Inden und Hambach bestätigt.

Dort heißt es – ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten den Entscheidungssatz 1 –:

„Braunkohlenabbau ist im Rheinischen Revier weiterhin erforderlich, dabei bleiben die Abbaugrenzen der Tagebaue Inden und Hambach unverändert und der Tagebau Garzweiler II wird so verkleinert, dass die Ortschaft Holzweiler, die Siedlung Dackweiler und der Hauerhof nicht umgesiedelt werden.“

(Monika Düker [GRÜNE]: Das hat doch nichts mit dem Hambacher Forst zu tun!)

Das Schöne ist – im Gegensatz zu Ihrer Aktuellen Stunde, liebe Frau Düker – Ihre Homepage. Ihre Homepage ist viel besser als Ihre Aktuelle Stunde. Schauen Sie einmal nach, was auf der Homepage der Landtagsfraktion der Grünen steht – nämlich genau dieser Beschluss. Es ist schön, dass Sie ihn noch nicht gelöscht haben. Das bestätigt, dass Sie offensichtlich zu genau diesem Beschluss stehen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Monika Düker [GRÜNE]: Darum geht es doch gar nicht!)

Was Sie, sehr geehrte Abgeordnete der Grünen, von der neuen Landesregierung fordern, ist nicht weniger als die Abkehr von Ihrer eigenen vor einem Jahr getroffenen Leitentscheidung in einem zentralen Punkt. Ich frage Sie: Wo bleibt da der Vertrauensschutz für das betroffene Bergbauunternehmen, die Tausenden von Beschäftigten und die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, die einen Anspruch auf Versorgungssicherheit in der Stromversorgung haben?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wo bleiben da die Berechenbarkeit und die Verlässlichkeit von staatlichem Handeln? Darauf haben alle Menschen im Rheinischen Revier und landesweit einen Anspruch.

Wir haben in der Debatte schon hervorragende Ausführungen zu der Frage der rechtlichen Klärungen, die jetzt anstehen, und zu Fragen des Rechtsfriedens gehört. Mein Kollege Reul wird sich später noch zu den Polizeieinsätzen äußern, damit wir hier auch Klarheit haben, wie wir mit solchen Fragen in einem Rechtsstaat umgehen.

Wenn jemand in einer Aktuellen Stunde Rechtsfrieden einfordert, dann sollte er sich in seiner Aktuellen Stunde doch vor allem zu denjenigen äußern, die den Rechtsfrieden gefährden, und nicht über eine Landesregierung, die doch auf Ihren Beschlüssen aufbaut, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Ihr Antrag – darauf möchte ich hier näher eingehen – erstaunt vor allen Dingen im Hinblick auf die energiewirtschaftlichen Notwendigkeiten. Ihnen müsste klar sein, dass ohne die Kohlekraftwerksleistung die Versorgungssicherheit in Deutschland gefährdet würde.

Das wissen übrigens Sie nicht nur deshalb,

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Da bin ich einmal ge- spannt!)

weil Sie im vergangenen Jahr die Leitentscheidung getroffen haben, in der Sie ausführlich festgehalten haben – ich zitiere noch einmal Ihren Beschluss aus dem Jahr 2016 –, die Braunkohleverstromung aus dem Rheinischen Revier „sei unverzichtbar für die gesicherte Stromversorgung Deutschlands“.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von den GRÜNEN)

Jetzt geht es nämlich noch weiter: Es hat in 2016 – sehend, dass der Bund seine CO2-Minderungsziele für 2020 möglicherweise nicht erreichen könnte – noch einmal einen Anlauf gegeben,

(Arndt Klocke [GRÜNE]: Und jetzt einmal zum Wald!)

eine Reduktion von CO2 in den verschiedenen Sektoren herbeizuführen. Damals kam es mit Zustimmung Ihrer Landesregierung dazu, dass wir in Nordrhein-Westfalen fünf Blöcke in die Sicherheitsbereitschaft nehmen und bis 2023 dann auch stilllegen. Das sind 2,7 GW. Es waren Ihre Landesregierung und die Große Koalition in Berlin, die im vergangenen Jahr gesagt haben: Das ist das Maximale, was möglich ist, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

(Monika Düker [GRÜNE]: Das hat Herr Gab- riel gesagt!)

Sie haben es doch mit beschlossen. Tauchen Sie doch nicht immer weg. Sie tauchen ja permanent weg

(Zurufe von Monika Düker [GRÜNE] und Arndt Klocke [GRÜNE])

Jetzt warten Sie doch einmal ab. Sie haben doch noch einmal Gelegenheit, zu sprechen. Es scheint Ihnen ja unangenehm zu sein, wenn man Sie mit der Wirklichkeit konfrontiert.

(Beifall und Heiterkeit von der CDU und der FDP – Monika Düker [GRÜNE]: Das ist nicht die Wirklichkeit, sondern die Vergangenheit! Schauen Sie doch einmal nach vorne!)

Wenn Sie, Herr Präsident, es erlauben – ich weiß, dass das im Landtag nicht immer gerne gesehen wird –, würde ich Ihnen gerne die Grafik der Stromproduktion in der dritten Januarwoche dieses Jahres zeigen. Wir befinden uns ja in einer kalten und dunklen Jahreszeit. Das sehen wir, wenn wir morgens hier reinkommen und abends rausgehen. Wenn ich darf, Herr Präsident, würde ich sie zeigen.

(Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart hält eine ausgedruckte Grafik hoch.)

Das ist die Grafik der Stromversorgung der dritten Januarwoche 2017. Vielleicht können Sie die unterschiedlichen Farben sehen und die ganz kleinen Spitzen da oben erkennen. Das sind Wind und Sonne – fast nicht erkennbar,

(Heiterkeit von der AfD)

weil in dieser dritten Januarwoche in Deutschland so gut wie kein Wind wehte und keine Sonne schien. Letzteres kennen wir vom Januar. Ersteres ist nicht immer der Fall. In dieser Woche war es aber sehr extrem. Wir hatten die sogenannte Dunkelflaute. Das, was zur Verfügung stand, waren neben Biomasse und Kernenergie vor allem die Braunkohle und die Steinkohle. Die Kernenergie nehmen wir jetzt auch noch heraus.

In Anbetracht dessen müssen wir uns doch fragen: Wollen wir zulassen, dass wir in solchen Wochen – und das waren nicht nur Minuten oder Stunden, sondern es war eine ganze Woche durchgehend so – die Energieversorgung auf Energiequellen aufbauen, die uns nicht zur Verfügung stehen?

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das ist die Digitalpartei FDP! Herzlichen Glückwunsch!)

Das können wir nicht wollen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir haben in Berlin nicht als Vertreter der Landesregierung sondiert, sondern als Vertreter unserer Parteien. Aber natürlich haben Armin Laschet und ich, die wir in der Energiekommission waren, diese Gespräche immer auch im Interesse des Landes – aber nicht nur Nordrhein-Westfalens, sondern auch Deutschlands – geführt. Das zentrale Thema war für den Ministerpräsidenten und für mich dabei immer die Frage, wie wir die Versorgungssicherheit in den nächsten Jahren garantieren können.

Natürlich bauen wir mit Blick auf 2030 ff., wenn die Pariser Ziele zu erreichen sind, darauf, dass die Erneuerbaren einen wachsenden Anteil haben müssen. Das ist völlig selbstverständlich. Allerdings brauchen wir dann für die Erneuerbaren Voraussetzungen, die wir heute nicht haben. Wir haben noch keine stabilen Netze. Wir haben noch nicht die entsprechende Speichertechnologie. Wir haben noch nicht Power-to-X und, und, und. Das müssen wir aber schaffen, wenn wir die Konventionellen schrittweise zurücknehmen wollen.

Selbst dann werden wir einen Mix brauchen, weil wir nun einmal nicht in Afrika leben, wo die Sonne ständig scheint.

(Monika Düker [GRÜNE]: Oh nein! Was Sie da erzählen, ist doch von gestern!)

Wir haben auch nicht die Windverhältnisse wie an der See. Deshalb müssen wir, wenn wir dieses Land

vernünftig versorgen wollen, im Interesse der Bürgerinnen und Bürger und unserer Beschäftigten auf längere Zeit einen fairen Mix haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deswegen ist es auch in der Sache unverantwortlich, wie Sie vorgehen. Als Sie noch in der Regierung waren, haben Sie diese Themen ernst genommen. Jetzt wollen Sie sich davon verabschieden. Ich bitte Sie und fordere Sie auf: Denken Sie im Interesse der Menschen dieses Landes noch einmal über Ihre Position nach. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)