Protocol of the Session on November 17, 2017

Herr Merz war ja schon einmal für die Landesregierung von Herrn Rüttgers tätig, um im Bankenbereich zu vermitteln und zu verhandeln. Damals hat er Tagessätze von 5.000 € bekommen. Jetzt soll er offensichtlich ehrenamtlich arbeiten. Das ist schon einmal ein Fortschritt. Vielleicht soll dadurch ja die Aufblähung des Beamtenapparats in den Ministerien verdeckt werden.

Aber uns allen stellen sich doch folgende Fragen: Wie ist Herr Merz in die Kabinettsarbeit eingebunden? Welchen Arbeitsauftrag hat er? Wer regiert mit? Was sagen denn seine Auftraggeber überhaupt zu dieser Berufung? Welche Verschwiegenheitspflichten hat er?

Wir haben also eine ganze Menge Fragen, lieber Herr Holthoff-Pförtner. Ich hoffe, dass Sie sie beantworten können. Noch besser wäre allerdings, Sie würden diese Entscheidung noch einmal grundsätzlich überdenken. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kutschaty. – Für die CDU erteile ich Herrn Dr. Optendrenk das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nordrhein-Westfalen braucht in dieser Situation Niveau statt Nörgelei.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD)

Nörgelei ist das, Herr Kutschaty, was wir hier gerade zu Beginn der Debatte erlebt haben. Niveau ist allerdings das, was jetzt erforderlich ist, um den großen Herausforderungen auf europäischer und internationaler Ebene als größtes Bundesland gerecht zu werden.

Der bevorstehende Austritt des Vereinigten Königreichs, meistens einfach nur Brexit genannt, gehört gerade für unser Bundesland Nordrhein-Westfalen zu diesen besonderen Herausforderungen.

Ich darf an Folgendes erinnern: Vor etwas mehr als einem Jahr hat die damalige Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hier in Düsseldorf mit großem Gefolge Prinz William empfangen. Wir haben im Oktober 2016 hier im Landtag gemeinsam im „70 Jahre Nordrhein-Westfalen“ mit einem Festakt gefeiert. Alle Beteiligten haben damals die hervorragende Bedeutung Großbritanniens für unser Bundesland betont.

Als am 6. Juni 1946 mit der Operation Marriage das neue Land Nordrhein-Westfalen gegründet wurde, standen die Briten an der Wiege dieses Gebildes.

(Zurufe von Marc Herter [SPD] und Dietmar Bell [SPD] – Gegenruf von der CDU)

In der Folgezeit hat es dann immer engere Beziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und Großbritannien gegeben.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Völkerverständigung, Herr Kollege Mostofizadeh, und Aussöhnung gehören zur gemeinsamen Geschichte.

(Weitere Zurufe)

Ich denke, es ist ein Zeichen Ihrer Toleranz und Geduld, dass Sie jetzt zunächst einmal zuhören.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Heute ist Großbritannien mit einem jährlichen Handelsvolumen von deutlich über 22 Milliarden € der viertgrößte Handelspartner unseres Landes, dicht hinter Frankreich. Britische Unternehmen sind mit fast 12 Milliarden € pro Jahr die drittgrößten Investoren in Nordrhein-Westfalen. Mehr als 1.500 dieser Unternehmen mit mehr als 82.000 Arbeitnehmern produzieren hier und schaffen bei uns Wertschöpfung und Arbeit.

Wer sich die Geschichte unseres Bundeslandes vor Augen führt und die wirtschaftlichen Verflechtungen im Blick hat, für den ist klar: Der Brexit ist auch für unser Land ein tiefer Einschnitt. Der Brexit ist nichts Abstraktes irgendwo weit entfernt. Der Brexit ist nicht nur für die Briten aller Voraussicht nach eine tragische Fehlentscheidung. Er ist auch für uns eine besondere Herausforderung.

Denn: Was soll aus den gemeinsamen Wurzeln werden? Was soll aus den Beziehungen zwischen den Menschen werden? Was soll aus den wirtschaftlichen Beziehungen werden? Wie wirkt sich das alles auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt bei uns aus? Wie können wir den Schaden begrenzen, der hier angerichtet wurde? Wie können wir Brücken aufrechterhalten? Wo können wir vielleicht sogar Brückenbauer sein?

Auf diese Fragen gibt es keine einfachen Antworten. Nordrhein-Westfalen braucht die besten Köpfe, die an solchen Lösungen gemeinsam mit der Landesregierung, dem Landtag und unserer Gesellschaft arbeiten.

Die Landesregierung hat für diese Situation einen ganz besonderen Brexit-Beauftragten berufen, der sich speziell um diese Fragen kümmern soll – jemanden, der nicht im Tagesgeschäft verhaftet ist; jemanden, der nicht in der Linie arbeitet; jemanden, der nicht einfach nur in die vielen Baustellen eingebunden ist, die Sie als rot-grüne Landesregierung uns hinterlassen haben.

(Beifall von der CDU und der FDP – Lachen von der SPD)

Sie hat jemanden berufen, der aus seiner Zeit im Europäischen Parlament über Erfahrungen in Brüssel und mit den Briten verfügt und sich mit seiner internationalen Erfahrung als Anwalt im Wirtschaftsleben einen Namen gemacht hat. Sie hat jemanden berufen, der als Vorsitzender der Atlantik-Brücke über beste Verbindungen in den angloamerikanischen Raum verfügt. Und sie hat jemanden berufen, der – das vergessen Sie – in Nordrhein-Westfalen aufgewachsen ist, wohnt und arbeitet und sich mit diesem Land identifiziert.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die CDU-Landtagsfraktion ist davon überzeugt, dass Friedrich Merz als Brexit-Beauftragter des Landes bestens geeignet ist, die Interessen des Landes

Nordrhein-Westfalen und seiner Bürgerinnen und Bürger engagiert und kompetent zu vertreten.

(Beifall von der CDU)

Nordrhein-Westfalen braucht Menschen, die ihr Wissen und ihr Können zum Wohle des Landes einsetzen – und das in besonderen Situationen und bei schwierigen Fragen.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Es stellt sich aber eine andere Frage, Herr Kutschaty: Was brauchen wir dagegen nicht? Wir brauchen nicht die Nörgelei von Politikern, die ihre eigene Hilflosigkeit beim Regieren über sieben Jahre eindrucksvoll unter Beweis gestellt haben.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es kommt doch wohl kaum einer auf die Idee, dass Sie im Mai dieses Jahres abgewählt wurden, weil Sie die Interessen der Menschen in Nordrhein-Westfalen, in Düsseldorf, in Berlin oder in Brüssel besonders kraftvoll und überzeugend vertreten hätten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wie sehr sich übrigens die alte Landesregierung der Interessenwahrnehmung auf dem europäischen Parkett verweigert hat, kann man daran erkennen, dass sie bei einer Ressortumbildung seinerzeit dem Chef der Staatskanzlei, der schon genug zu tun hatte, auch noch die Aufgabe des Bundes- und Europaministers übertragen hat. Bei allem Respekt vor seiner Person: Das konnte er alleine gar nicht schaffen.

Das Ergebnis war eine entsprechend schwache Performance in Berlin und in Brüssel.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Jetzt nörgeln Sie, dass der Ministerpräsident einen starken Repräsentanten unserer Landesinteressen für den Brexit beruft.

(Zuruf von der SPD)

Mich beschleicht dabei der Gedanke, dass der einzige Interessenkonflikt bei diesem Thema auf Ihrer Seite liegt. Offensichtlich haben Sie gar kein Interesse daran, dass die Interessen Nordrhein-Westfalens beim Brexit engagiert und kompetent wahrgenommen werden. Sie haben ein ganz eigenes Interesse. Das ist eben auch sehr deutlich geworden. Sie haben das Interesse am Kaschieren Ihrer eigenen Mittelmäßigkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP – Stefan Zimkeit [SPD]: Frechheit!)

Der Konflikt besteht nämlich in dem Unterschied zwischen Niveau und Nörgelei. Leider haben Sie sich für Nörgelei entschieden. – Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Optendrenk. – Für die Grünen erteile ich der Abgeordneten Frau Kollegin Düker das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Optendrenk, Sie haben hier viel von Interessenvertretung gesprochen. Schauen wir uns einmal an, welche Interessen der neue Beauftragte im Übrigen vertritt: Er ist in den Aufsichtsräten von AXA Konzern AG, DBV-Winterthur Holding AG, Deutsche Börse AG, der IVG Immobilien AG, der WEPA Industrieholding. Er ist in den Verwaltungsräten von BASF Antwerpen, Stadler Rail AG und HSBC Trinkaus & Burkhardt AG sowie im Aufsichtsrat dieser Bank. Er ist des Weiteren in den Beiräten von Commerzbank AG und – dort ist er nicht mehr im Aufsichtsrat – Borussia Dortmund.

(Gordan Dudas [SPD]: Das ist das Schlimmste! – Gegenruf von der CDU: Der kann etwas! – Heiterkeit)

Okay; darüber könnte man reden. – Er ist Senior Counsel einer internationalen Rechtsanwaltskanzlei in Düsseldorf mit sehr prominenten Mandanten. Er ist Vorsitzender der Atlantik-Brücke und Mitglied im Senat der Deutschen Nationalstiftung.

Daneben hat er noch ein paar Leidenschaften. So kämpfte er an der Seite der Energiekonzerne – an dieser Seite steht er besonders gern und eng – gegen den Atomausstieg. Gott sei Dank war er da sehr erfolglos.