Protocol of the Session on November 26, 2020

(Zurufe von Christof Rasche [FDP], Henning Höne [FDP] und Bodo Löttgen [CDU])

Diese Schulen haben gesagt: Wir brauchen eine Wechselunterricht.

(Henning Höne [FDP]: Das ist die Unwahr- heit!)

Das war kein pauschales Modell, sondern das haben alle Schulleitungen gesagt. – Er war damit deutlich weiter voraus, als Sie es hier heute sind.

(Beifall von der SPD – Henning Höne [FDP]: Das ist die Unwahrheit!)

Ich weiß, dass es Ihnen schwerfällt, das jetzt einzugestehen.

(Henning Höne [FDP]: Ihnen fällt es schwer, bei der Wahrheit zu bleiben! – Weitere Zurufe)

Wenn Sie es aber nicht „Solinger Weg“ nennen wollen, dann nennen Sie es meinetwegen „Aachener Straße“ – mir ist das egal –, aber machen Sie endlich etwas, dass das in unserem Land funktioniert!

(Beifall von der SPD – Zuruf von Christof Ra- sche [FDP])

Wenn Sie jetzt eine Kurskorrektur …

(Christof Rasche [FDP]: Unfassbar! Das ist weit von der Wahrheit entfernt!)

Jetzt schreien Sie doch nicht so herum!

(Christof Rasche [FDP]: Bleiben Sie doch bei der Wahrheit!)

Ich bin völlig bei der Wahrheit.

(Christof Rasche [FDP]: Nein! – Weitere Zu- rufe)

Man kann jetzt das machen, was Tim Kurzbach schon längst vorgeschlagen hat. Sie flüchten sich jetzt auf den Begriff „schulscharf“.

(Henning Höne [FDP]: Herr Kurzbach wollte die Schulen flächendeckend dicht machen!)

Es war aber schulscharf, alle Schulen abzufragen, die dann sagten: Wir brauchen von dieser Landesregierung eine Hilfe.

(Beifall von der SPD und Sigrid Beer [GRÜNE])

Da kam aber nichts. Im Gegenteil: Es kamen Verbote anstatt Hilfen, die die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrerinnen und Lehrer dringend gebraucht hätten. Ich fordere Sie deshalb heute noch einmal auf: Tragen Sie diesen Krieg mit den Schulen endlich zu Grabe!

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Sichern Sie den Schulen einen vernünftigen Handlungsrahmen; denn sie sind es, die vernünftig entscheiden können, was sie vor Ort brauchen. Nehmen Sie die Schulen nicht als Gegner wahr. Die Schulen im Land brauchen eine starke Landesregierung, die an ihrer Seite steht und die nicht gegen sie arbeitet. Machen Sie das bitte endlich!

(Beifall von der SPD und Josefine Paul [GRÜNE])

Lassen Sie mich dazu auch noch klarstellen, weil das immer wieder behauptet wird: Das Wechselmodell ist keine Alternative zum Präsenzunterricht, sondern es ist die Alternative zu Schulschließungen, zum Unterrichtsausfall.

(Beifall von der SPD)

Es ist die Alternative zum kompletten Ausfall von Bildung und Betreuung, den übrigens Tausende von Familien in Nordrhein-Westfalen heute schon spüren. 20 % aller Schulen in Nordrhein-Westfalen sind von Quarantänemaßnahmen betroffen, und 1.000 Kitas sind teilweise oder ganz geschlossen. Das sind 10 % aller Kindertagesstätten in Nordrhein-Westfalen.

Hören Sie also auf, immer noch von Normalität zu reden. Hören Sie auf, uns zu unterstellen, wir wollten den Kindern das Recht auf Betreuung und auf Schulunterricht nehmen. Die Wahrheit ist doch, dass schon heute 100.000 Kinder von allen Bildungsangeboten abgeschnitten sind, weil sie ohne Alternative in Quarantäne sitzen müssen.

Diese Schätzung ist sogar noch vorsichtig. Es geht um mindestens 80.000 Schülerinnen und Schüler, die im Augenblick nicht am Unterricht teilnehmen können, weil sie in Quarantäne stecken, und 50.000 Kinder können gerade nicht in die Kita gehen. Das ist nicht nur für die Kinder schlecht, sondern auch für ihre Eltern, die berufstätig sind und dringend ein Betreuungsangebot brauchen. Die Kinder werden weder betreut noch unterrichtet. Derzeit gibt es nichts für diese Kinder – null Unterricht, null Betreuung, null soziale Kontrolle.

Herr Laschet, ich greife einen Satz von Ihnen auf, den Sie gestern sagten: Jeder Digitalunterricht am Küchentisch ist besser als das, was Sie da gerade abliefern.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Was glauben Sie, was diese Eltern denken, wenn Sie immer „Bildungsgarantie“ oder „die Sicherheit, dass alles stattfindet“ hören, und bei Ihnen funktioniert gerade nichts?

(Zuruf von Franziska Müller-Rech [FDP])

Es sind übrigens dieselben Eltern, die sich Gedanken machen, was eigentlich mit den Kita- und mit den OGS-Gebühren ist, und zwar nicht deshalb, weil es extrem hohe Beträge wären, sondern weil die Einrichtung geschlossen ist und sie die Leistung nicht in Anspruch nehmen können.

Warum ist es nicht folgerichtig, den betroffenen Eltern, die in dieser schwierigen Zeit wirklich viel managen müssen, wenigstens die Kita-Gebühren zu erlassen? – Herr Stamp, setzen Sie sich dafür ein, dass das entsprechend funktioniert. Ohne Angebot, ohne Betreuung auch keine Vergütung – das sind die Grundregeln eines ehrlichen Kaufmanns und einer ehrlichen Kauffrau, und das muss doch auch für Nordrhein-Westfalen gelten.

(Beifall von der SPD)

Helfen Sie bitte auch den Erzieherinnen und den Erziehern in den Kitas. Wir haben gerade viel von neuen Schnelltestmöglichkeiten gehört, die neue Möglichkeiten eröffnen. Die Tendenz, die wir in den letzten Monaten erfahren mussten, die Testkapazitäten und Möglichkeiten gerade in diesem Bereich zurückzufahren, ist falsch. Tests sind für Erzieherinnen und Erzieher die einzige wirksame Möglichkeit, sich zu schützen. Eine Maske hilft da nicht; wir können nicht auf Distanz trösten und wickeln. Das geht alles nicht. Nehmen Sie den Erzieherinnen und Erziehern bitte nicht den einzigen Schutz, den sie haben!

Sorgen Sie bitte auch für Luftfilteranlagen in den Kitas. Es kann nicht sein, dass die Kitas Spenden sammeln müssen, um ihre Einrichtung auf einen gesundheitlichen Standard zu bringen, der längst up to date ist, der in Büros stattfindet. Investieren Sie bitte auch da Geld, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD)

Einer der Punkte, den wir bei viel Verständnis auch offen kritisieren müssen, ist, dass Sie in den Sommermonaten vieles nicht gemacht haben, was man hätte tun müssen, um auf diese Herbst- und Winterzeit besser vorbereitet zu sein.

Wir haben gemeinsam einen Rettungsschirm in Höhe von 25 Milliarden Euro für Nordrhein-Westfalen verabschiedet, um dringend notwendige Hilfsmaßnahmen finanzieren zu können. Mit diesen 25 Milliarden Euro hätten Sie unsere Schulen mit Technik, mit Unterrichtskonzepten für den Quarantänefall ausstatten können, ja sogar müssen. Dafür hatten Sie ein halbes Jahr Zeit, und heute müsste weit weniger Unterricht ausfallen, wenn Sie Ihrer Verpflichtung nachgekommen wären. Das ist allerdings nicht erfolgt.

Wenn ich mir die Zahlen Stand 30.09.2020 angucke – neuere Zahlen haben wir nicht, aber vielleicht haben Sie gleich andere –, was aus diesem Rettungsschirm an Mitteln für den Bildungsbereich abgerufen wurde, stelle ich fest, dass für das Projekt LOGINEO NRW, eine Softwarelösung für die Verbindung von Präsenz- und von Distanzunterricht, im Rettungsschirm über 36 Millionen Euro vorgesehen waren. Tatsächlich investiert wurde bis Ende September 2020 jedoch nichts; null Euro!

Für digitales Lernmaterial standen fünf Millionen Euro zur Verfügung. aus Ausgegeben aus dem Rettungsschirm wurde nichts.

Für über 100 Millionen Euro hätten digitale Endgeräte für Lehrerinnen und Lehrer angeschafft werden können. Tatsächlich investiert wurden nach unserer Übersicht vom Sommer bis Ende September jedoch nur 385.000 Euro. Das sind 0,4 % des erforderlichen Investitionsvolumens. Der Wirkungsgrad dieser Landesregierung beträgt 0,4 %, und dieser Wirkungs

grad reicht nicht, um durch diese Krise zu kommen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Das Ganze betrifft mittlerweile auch den Arbeitsbereich. Der Begriff „Berufsschule“ ist gerade schon gefallen. Ich möchte besonders auf die dramatische Situation von Auszubildenden in Nordrhein-Westfalen aufmerksam machen.

Rund 300.000 Berufsschülerinnen und Berufsschüler – es handelt sich um junge Erwachsene – sind mit rund einer Million Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen in den Betrieben in Kontakt. Die Arbeitgeber schreien danach: Machen Sie auch in den Berufsschulen Wechselmodelle. Wir müssen nicht nur unsere Auszubildenden schützen, sondern auch alle anderen Beschäftigten, mit denen die Auszubildenden dann an den anderen drei Tagen in der Woche in Kontakt kommen. – Da sind also ernsthafte Sorgen vorhanden.

Mittlerweile gibt es eine erste Berufsschule, in der die Schülerinnen und Schüler in den Streik gehen bzw. sie haben den Streik angekündigt. Da ist Verzweiflung bei jungen Menschen, und da dürfen wir nicht weiter zusehen. Nutzen Sie die Chance, bei Berufsschulen etwas zu machen! Es wurde gerade angekündigt: Der Distanzunterricht geht jetzt auch bei Berufsschülerinnen und Berufsschülern. Machen Sie das bitte; denn das hat eine Schutzwirkung für alle im Bereich des Arbeitsmarktes, und da wird dringend auf Hilfe gesetzt.

Wenn sich die Lehrerinnen und Lehrer mit großen Sorgen an Sie wenden, weil sie Angst haben, nicht um sich, sondern um die Schülerinnen und Schüler, um die Aufrechterhaltung des Schulbetriebs, dann prallen sie vor Wände wie aus Beton, so wurde uns berichtet. Engagierte Schulleiterinnen und Schulleiter fühlen sich unter Druck gesetzt. Der Vorsitzende der Schulleitervereinigung Harald Willert weiß auch warum. Im „Haller Kreisblatt“ sagt er – ich zitiere –:

„Äußert man sich in der Öffentlichkeit kritisch, meldet sich die Schulaufsicht und droht mit dienstrechtlichen Konsequenzen.“

Schulleiterinnen und Schulleiter, die sich offen für alternative Unterrichtskonzepte einsetzen, werden ins Ministerium einbestellt. Das ist Drohung statt Dialog, meine Damen und Herren. Deshalb äußern sich Lehrerinnen und Lehrer im Augenblick auch nur noch im Schutze der Anonymität. Gleichzeitig drohen zahlreiche Betriebe damit, ihre Auszubildenden in Quarantäne zu schicken, wenn sie weiterhin in die Berufsschule müssen. Die Stimmung vor Ort ist vergiftet. Das darf nicht so sein.